Schule in Berlin-Brandenburg: Berliner AfD-Fraktion erhebt falschen Vorwurf
AfD plant in weiteren Bundesländern Meldeportale gegen "einseitigen" Unterricht. Desinformation in Zusammenhang mit der U18-Wahl.
Nach Berlin will auch die AfD in Brandenburg dem Hamburger Beispiel folgen und eine Beschwerdeplattform für Schüler und Eltern einrichten. Dies kündigte die AfD-Fraktion am Dienstag an. Schon kommende Woche solle die entsprechende Funktion auf der Homepage der AfD freigeschaltet werden. Die AfD-Fraktionen in Sachsen, Niedersachsen und weiteren Bundesländern verfolgen das gleiche Vorhaben, wie sie ankündigten. Zur Begründung verweisen sie darauf, dass ihre Partei im Unterricht ausgeblendet oder beschimpft werde.
In Berlin war der schulpolitische AfD-Sprecher Franz Kerker konkreter geworden und hatte gegenüber dem Tagesspiegel auf die U18-Wahl im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 verwiesen. Damals sei an einer Schule in Hohenschönhausen seine Partei „ausgeklammert“ worden: Das Programm sei „trotz sehr guter Umfragewerte nicht für den Vergleich herangezogen worden“. Er gehe davon aus, dass „Vorfälle wie dieser nur die Spitze des Eisbergs“ seien, sagte der Abgeordnete weiter, um die Notwendigkeit der Beschwerdeplattform zu unterstreichen.
Partei stellte notwendiges Material nicht zur Verfügung
Inzwischen hat sich allerdings herausgestellt, dass Kerker mit seiner Darstellung falsch lag: Die AfD wurde nämlich keineswegs von den U18-Organisatoren „ausgeklammert“. Vielmehr hatte sich die Bundespartei selbst „ausgeklammert“, indem sie – trotz zweimaliger Einladung – nicht das erbetene Material zur Verfügung stellte. Somit konnte der Bundesjugendring als Organisator der U18-Wahl das Material für den Unterricht und für die anschließende Wahl nicht erstellen.
Obwohl der Tagesspiegel der AfD-Fraktion die entsprechenden U18-Mails an ihn weiterleitete, sah sich der Sprecher der Berliner AfD-Fraktion, Thorsten Elsholtz, bisher nicht veranlasst, einen Videopodcast aus dem Netz zu nehmen, in dem Kerker die falschen Behauptungen hinsichtlich der angeblichen Nicht-Berücksichtigungen vor der Bundestagswahl aufstellte. Zunächst hatte Elsholtz überhaupt bestritten, dass es derartige Mails gegeben hatte. Allerdings bestätigte die AfD-Bundesgeschäftsstelle in der vergangenen Woche gegenüber dem Tagesspiegel, dass die Mails mit der Einladung zur U18-Wahl tatsächlich ankamen, aber „leider“ von einem Mitarbeiter des damaligen Kampagnenteams nicht weitergeleitet worden seien. Dies sei „ärgerlich“.
Falsche Behauptungen im Videopodcast
Darauf angesprochen, dass der Fehler bei der AfD selbst lag, sah Elsholtz sich am Dienstag dennoch nicht genötigt, den Videopodcast mit den falschen Behauptungen zu entfernen. Stattdessen verwies er darauf, dass es inzwischen Meldungen von derselben Schule gebe, „wonach die AfD im Unterricht nach wie vor nicht beziehungsweise abwertend behandelt wird“. Dies werde derzeit von der AfD geprüft. Franz Kerker selbst reagierte nicht auf den Tagesspiegel-Hinweis, dass der Fehler nicht bei den U18-Organisatoren, sondern bei seiner eigenen Partei gelegen hatte und er somit falsche Behauptungen verbreitet.
Kretschmann: „Bausteine ins Totalitäre“
Nachdem der Tagesspiegel Ende September erstmals berichtet hatte, dass sich auch die Berliner AfD mit einer Beschwerdeplattform an Schüler wendet, hatten Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und Landeselternsprecher Norman Heise von einem „Pranger“ gesprochen. Andere Elternvertreter warnten vor „Stasimethoden“ der AfD. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach laut dpa am Dienstag in Stuttgart von „Bausteinen ins Totalitäre“. Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) sieht in dem Vorhaben ein „Portal zur Denunziation engagierter Lehrkräfte“.
Hamburger Erfahrungen mit AfD-Beschwerdeplattform
Hamburg ist das einzige Bundesland, in dem erste Erfahrungen mit der Plattform gemacht wurden. Hier haben die Gegner des sogenannten Informationsportals „Neutrale Schulen Hamburg“ einen eigenen Weg gefunden, um den Nutzen für die AfD zu verringern, indem sie die AfD-Fraktion mit satirischen Beiträgen beschäftigen.
In einer Zwischenbilanz berichtete der Vorsitzende Alexander Wolf, dass sich „ernstzunehmende und scherzhafte Beiträge nach einer ersten Sichtung von mehreren hundert Beiträgen etwa die Waage halten“. Eine Flut an satirischen Beiträgen könne er aber nicht bestätigen. Welche Schlüsse die anderen AfD-Fraktionen aus den Hamburger Erfahrungen ziehen, steht noch nicht fest. Derzeit werde an der „technischen Ausgestaltung“ gearbeitet, so Elsholtz.