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Hans-Christoph Berndt, Fraktionsvorsitzender der AfD Brandenburg.
© Bernd Settnik/dpa
Update

Nach Verdachtsfall-Einstufung: AfD Brandenburg klagt gegen Beobachtung durch Verfassungsschutz

Im Sommer 2019 wurde die Brandenburger AfD als Verdachtsfall für eine rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Nun klagt sie gegen die Beobachtung.

Der AfD-Landesverband Brandenburg hat nach eigenen Angaben gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz zwei Klagen eingereicht. Am Dienstag sind demnach ein Organstreitverfahren beim Landesverfassungsgericht und ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Potsdam eingereicht worden.

Die Partei war im Juni 2019 als Verdachtsfall für eine rechtsextremistische Bestrebung eingestuft worden und wird seither vom Verfassungsschutz beobachtet. Grund sind enge Verquickungen in die rechtsextremistische Szene.

Dazu zählen die engen Kontakte zur rechtsextremistischen "Identitären Bewegung" und die dominante Rolle des völkischen Flügels in der AfD. "In Brandenburg ist der Flügel längst der ganze Vogel", hatte Innenminister Michael Stübgen (CDU) im Juni gesagt.

Hinzu kommt: Fraktionschef Hans-Christoph Berndt wird als „erwiesener Rechtsextremist“ eingestuft, der von ihm geführte Verein „Zukunft Heimat“ wird bereit seit einem Jahr als „erwiesene rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft.

Die AfD will nun dem Innenministerium die Berichterstattung über die sogenannte Verdachtsbeobachtung untersagen und prüfen lassen, ob die Beobachtung zulässig ist. Am Dienstnachmittag stellte die Partei ihre Klagen online bei einer Pressekonferenz vor.

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Was AfD-Landesvizechefin Birgit Bessin und der Anwalt der Partei, Michael Elicker, bei der Vorstellung der Klagen am Dienstag nicht erwähnt haben: Ähnlichen Klagen gegen die Einstufung des "Flügel" und des AfD-Nachwuchses "Junge Alternative" (JA) als Verdachtsfall durch den Bundesverfassungsschutz waren vor dem Verwaltungsgericht Berlin gescheitert.

Wie eilig hat es die AfD mit dem Eilantrag gehabt?

Auch sonst werfen die Klagen einige Fragen auf. Brandenburgs Innenminister Stübgen soll per einstweiliger Anordnung vom Verwaltungsgericht untersagt werden, über die Beobachtung der Partei zu berichten.

Doch für solche Eil-Anträge im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist auch von Belang, ob die Sache wirklich eilig ist, um Schaden von der AfD abzuwenden. Im Fachjargon geht es um eine sogenannte "Eilbedürftigkeit".

Der Sprecher des Innenministeriums erklärte denn auch salopp: Der AfD stehe es selbstverständlich frei, die Einstufung zum rechtsextremistischen Verdachtsfall gerichtlich überprüfen zu lassen. „Dass die AfD jetzt, nach mehr als sieben Monaten, von dieser Möglichkeit doch noch Gebrauch machen will, nehmen wir zur Kenntnis.“

Fraktion reichte im Dezember Normenkontrollklage gegen Gesetz ein

Zugleich verteidigte der Ministeriumssprecher die Einstufung: „Brandenburgs AfD steht unter Rechtsextremismusverdacht, da hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen“, sagte er.

Die am Dienstag vorgestellte Argumentation der AfD ist genau jene, die die AfD-Landtagsfraktion für ihre Normenkontrollklage vor dem Landesverfassungsgerichts vorgebracht hat. Die hatte die Fraktion über denselben Anwalt, der nun auch für die Landespartei tätig ist, im Dezember eingereicht.

Sie richtet sich gegen das Brandenburgische Verfassungsschutzgesetz. Dort ist geregelt, dass der Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen informiert, soweit „hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte hierfür vorliegen.“

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Die Argumentation von Anwalt Elicker und AfD-Frau Bessin geht so: Die Regierung nutze den Verfassungsschutz, um gegen die größte Oppositionspartei im Land vorzugehen. „Es darf keine Beobachtung der größten Oppositionspartei im Land durch die Landesregierung, beziehungsweise durch den von der Regierung geführten Verfassungsschutz geben“, erklärte Elicker. Damit sei die Chancengleicheit der Parteien als höchstes Gut der Demokratie nicht mehr gewahrt.

Auch in der Landesregierung ist die Pressekonferenz der AfD aufmerksam beobachtet worden. Dort herrschte jedoch Verwunderung. Es sei nicht ganz klar, was die AfD dort eigentlich macht. Immerhin bieten immer mehr AfD-Mitglieder dem Verfassungsschutz ihre Spitzeldienste an.

Beobachtung auf Bundesebene steht bevor

Verwiesen wird in Regierungskreisen auch auf die Bundesebene: Denn es wird damit gerechnet, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz noch im Januar, spätestens Anfang Februar, die komplette AfD auf Bundesebene zum Verdachtsfall erklärt. Laut der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der Wochenzeitung "Zeit" könnte das schon kommende Woche geschehen.

Brandenburgs SPD-Fraktionschef Erik Stohn sagte, es sei Aufgabe des Verfassungsschutzes, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu benennen. „Die AfD hätte Rechtsextremisten ausschließen können, sie hätte Kontakte zu Rechtsextremisten kappen können, sie hätte ihr Verhalten ändern können - das alles ist nicht erfolgt“, sagte Stohn.

Vielmehr habe sich die AfD weiter radikalisiert. „Wir wissen, dass die AfD Kontakte zu Rechtsextremisten pflegt und im Sinne eines effektiven Verfassungsschutzes möchte ich sogar wissen, ob die AfD Kontakte zu Rechts-Terroristen hat“, sagte Stohn

Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke sagte, er habe in den Akten der Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums die Gründe für die Einstufung als Verdachtsfall nachgelesen. „Ich habe daran keinen Zweifel“, sagte Raschke.

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