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Rechtsextremer Wortführer. Björn Höcke, Anführer der AfD-Vereinigung "Flügel", bei einer Demonstration in Erfurt
© Martin Schutt/dpa

Niederlage der AfD vor Gericht: Rechtspopulisten scheitern mit Maulkorb für Verfassungsschutz

Der Verfassungsschutz darf die „Junge Alternative“ und den „Flügel“ der AfD in seinem Jahresbericht nennen. Der juristische Konflikt ist aber noch nicht vorbei.

Niederlage für die AfD: Das Verwaltungsgericht Berlin hat am Donnerstag in zwei Eilverfahren entschieden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)  in seinem Jahresbericht 2019 die Nachwuchsorganisation der Partei, die „Junge Alternative (JA)“, sowie die extrem rechte AfD-Vereinigung „Der Flügel“ erwähnen darf. Der Nachrichtendienst kann auch die Zahl der Mitglieder von JA und „Flügel“ in der Rubrik „Personenpotenzial/Rechtsextremismuspotenzial“ aufführen.

Der AfD-Bundesvorstand und die JA hatten im März gegen die zu erwartende Nennung der beiden Vereinigungen im Report des Nachrichtendienstes Klagen eingereicht und einen Eilrechtsschutz verlangt. Der „Flügel“ selbst wurde nicht aktiv, die Vereinigung verzichtet auf einen offiziellen organisatorischen Rahmen und will sich inzwischen sogar aufgelöst haben.

Jahresbericht des Bundesamtes noch gar nicht veröffentlicht

Das Bundesamt hat seinen Bericht noch nicht veröffentlicht: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und BfV-Präsident Thomas Haldenwang werden das Dokument wahrscheinlich im Juni in Berlin präsentieren.  Die AfD rechnet allerdings schon länger damit, dass JA und „Flügel“ genannt werden. Das ist auch realistisch. Das Bundesamt hatte JA und Flügel im Januar 2019 wegen „hinreichend gewichtiger Anhaltspunkte“ für eine extremistische Bestrebung als Verdachtsfall eingestuft.

Damit kann der Verfassungsschutz in der Beobachtung einige nachrichtendienstliche Mittel einsetzen, darunter auch V-Leute. In der Regel nennt das BfV Verdachtsfälle in seinen Jahresberichten. So war es beispielsweise bei der rassistischen Vereinigung „Identitäre Bewegung Deutschland“ im Report 2018. Ein Verdachtsfall ist die Vorstufe zum klassischen Beobachtungsobjekt, bei dem der Verfassungsschutz sein komplettes Programm aktivieren kann.

Richter sehen Verstoß gegen Menschenwürde

Wegen der bevorstehenden Präsentation des Jahresberichts 2019 hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts jetzt im Eilverfahren entschieden. Die Klagen von AfD und JA sind weiter anhängig. Die Richter bestätigten nun im Eilverfahren die Sichtweise des Bundesamtes. Sowohl bei der JA wie beim „Flügel“ sieht die Kammer den Verdacht, die „zentrale politische Vorstellung sei, das deutsche Volk in seinem ethnischen Bestand der ,autochthonen Bevölkerung‘ zu erhalten und ethnisch ,Fremde‘ nach Möglichkeit auszuschließen“.

Für die Kammer verstößt dieses Menschenbild gegen die Menschenwürde. Es zeige sich unter anderem in Rede und Schriften exponierter Mitglieder von JA und „Flügel“, wenn sie vor einer einer drohenden ,Umvolkung“ warnten. Außerdem gebe es „erhebliche Anhaltspunkte“ dafür, dass prominente Vertreter der JA und des „Flügel“ kontinuierlich „gegen Ausländer, vornehmlich muslimischen Glaubens, agitierten, diese pauschal diffamierten und verächtlich machten“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. So habe ein „Flügel“-Mitglied bei mehreren Reden dazu aufgerufen, dem Islam „als Okkupationsmacht“ den Zutritt nach Europa und Deutschland zu verwehren.

AfD kann bis zum Bundesverfassungsgericht gehen

Die AfD kann gegen die Beschlüsse Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen. Sollte die Partei dort ebenfalls mit Eilanträgen scheitern, wäre noch eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht möglich.

Nachrichtendienst verschärft Kurs gegen den "Flügel"

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in diesem Jahr seien Kurs gegen die AfD noch verschärft. Im März wurde der „Flügel“ als „gesichert rechtsextrem“ bewertet. Damit ist die vom Thüringer AfD-Chef Björn Höcke geführte Vereinigung kein Verdachtsfall mehr, sondern klassisches Beobachtungsobjekt wie NPD, Autonome und Salafisten. Auch die "Identitäre Bewegung Deutschland", mit Teilen der AfD in engem Kontakt, gilt inzwischen als eindeutig rechtsextremistisch.

Die Gesamtpartei AfD wird vom Bundesamt seit Januar 2019 als „Prüffall“ beobachtet. Das reicht aber nicht für eine Nennung im Jahresbericht. Das Verwaltungsgericht Köln hatte im Februar 2019 dem BfV untersagt, die Partei öffentlich als Prüffall zu bezeichnen. Die AfD hat zudem in Köln Klage gegen die Einstufung von JA und "Flügel" als Verdachtsfall eingereicht.

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