Brennpunktzulage und mehr: 239 Millionen zusätzlich für Berlins Kinderbetreuung
Attraktivere Bedingungen für Tagesmütter, mehr Angebote für Förderkinder und Qualitätskontrolle: Was Berlin mit dem Geld aus dem Gute-Kita-Gesetz macht.
Wohin mit dem ganzen Geld aus dem Gute-Kita-Gesetz des Bundes? Auf diese Frage musste die Senatsverwaltung für Jugend in den vergangenen Monaten Antworten finden und dafür auch die Zustimmung im Senat bekommen. Seit Dienstag ist der Prozess abgeschlossen und nun steht fest, welche Prioritäten Berlin bei der Verwendung der 239 Millionen Euro setzen wird, die zwischen 2019 und 2022 fließen sollen.
„Die Kitas können noch ein Stück besser werden“, schickte Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) voraus, bevor sie die größten Posten benannte, die sich nach Vorgesprächen mit Kitaträgern und weiteren Fachleuten herauskristallisiert haben. Dass die umstrittene Brennpunktzulage mit Hilfe des Gute-Kita-Gesetzes bezahlt werden soll, hatte sich bereits im Vorfeld abgezeichnet.
Im Einzelnen: Die höchste Teilbetrag von 65 Millionen Euro soll der Tagespflege zugutekommen. Rückwirkend zum 1. Januar 2019 erhalten die Tagesmütter und -väter zusätzlich Geld, damit sie das Berliner Bildungsprogramm umsetzen und Sprachlerntagebücher führen. Später soll die gesamte Vergütung verbessert und analog zum Mindestlohn angehoben werden. Inkrafttreten: 2020.
Rund 60 Millionen Euro sollen dazu dienen, dass sich die Kitaleiter mehr um die inhaltlich-qualitative Entwicklung ihrer Einrichtungen kümmern können: Wer mehr als 85 Kinder in seiner Kita hat, wird vollständig von Betreuungsaufgaben freigestellt oder im Verwaltungsbereich entlastet. Bisher liegt die Grenze bei 90 Kindern. Inkrafttreten: Frühjahr 2020.
Da die Erzieher an Brennpunktschulen seit 2018 mehr Geld bekommen, wollten auch die Kitaerzieher nicht leer ausgehen. Sie habe diesbezüglich „stapelweise“ Postkarten erhalten, begründete Scheeres ihr Eintreten dafür, dass rund 25 Millionen Euro aus dem Gute-Kita-Gesetz in eine Brennpunktzulage fließen sollen. Noch steht nicht fest, wie die betroffenen Kitas herausgefiltert werden. Es gibt zwei Varianten: Entweder man nimmt pauschal alle rund 400 Kitas, die in den Quartiersmanagementgebieten liegen, oder man legt fest, ab welchem Anteil von Kindern aus Hartz-IV-Familien pro Einrichtung Zulagen an die Erzieher gezahlt werden. Die Bildungsverwaltung rechnet damit, dass rund 4600 Beschäftigte davon profitieren.
Kritik an geplanter Zulage
Die Zulage führe zu „noch mehr „Ungerechtigkeit“, mahnte Paul Fresdorf von der FDP. Das habe die Erfahrung an den Schulen gezeigt. Oft entschieden 100 Meter, ob eine Zulage gezahlt wird, oder nicht. Manchmal auch nur "zwei Kinder mehr, die dazu führen, dass der vom Senat gesteckte Schlüssel passt", sagte der Abgeordnete im Hinblick auf die Erfahrungen an den Schulen. Die Brennpunktzulage führe nicht zum Ziel, sondern verstärke das Gefühl derer, die jeden Tag im System arbeiten, "dass die, die es planen, es nicht können". Es wäre besser, so Fresdorf, das Geld in die Ausstattung der Kitas zu investieren.
Im Vorfeld hatten auch Elternvertreter und Paritätischer Wohlfahrtsverband die Zulage kritisiert. Als besonders nachteilig gilt, dass bisher noch kein tarifrechtlicher Weg gefunden wurde, um den Erzieherinnen im öffentlichen Dienst eine Zulage zu zahlen. In den Schulen wurden sie deshalb höher gruppiert, was aber zu großen Schwierigkeiten in der Umsetzung führt: Je nach Tarifgruppe und Erfahrungsstufe bekommen die Erzieherinnen extrem unterschiedliche Gehaltszuwächse, einzelne bekommen sogar weniger statt mehr.
Scheeres äußerte am Dienstag die Hoffnung, dass ein Weg gefunden werde, um diese Probleme künftig bei den Kitaerzieherinnen zu umgehen. Inkrafttreten: Sommer 2021.
Hilfe für Eltern von Förderkindern
Rund 15 Millionen Euro sollen in die Einrichtung eines Beratungsangebots fließen, das sich an Familien mit behinderten Kindern richtet. Ein Teil des Betrags wird in Personalverbesserungen für schwerstmehrfachbehinderte Kinder in heilpädagogischen Gruppen investiert. Die Platzkapazität soll von 80 auf 150 erhöht werden. Inkrafttreten: 2019.
Qualitätskontrolle wird verstärkt
In die Beratung und Qualitätssicherung fließen 32 Millionen Euro. Zu diesem Zweck soll die bereits existierende interne und externe Evaluation ergänzt und weiterentwickelt werden. Eine wichtige Rolle soll dabei das Berliner Kita-Institut für Qualitätsentwicklung (BeKi) spielen. Es geht etwa um die Arbeit in multiprofessionellen Teams und Begabungsförderung. Aber auch die Sprachförderung der Kinder bleibt ein Dauerthema auf allen Ebenen. Inkrafttreten: 2020.
Insgesamt gibt es rund 20 Bereiche, die vom Geld aus dem Gute-Kita-Gesetz profitieren sollen. Dazu zählt neben den genannten beispielsweise eine bessere räumliche Ausstattung, die Anleitung von Quereinsteigern, die Entlastung von Erzieherinnen in der berufsbegleitenden Ausbildung und die Unterstützung beim Erwerb der deutschen Sprache für fremdsprachige Erzieherinnen.
Wie berichtet plädiert die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus für eine Kitapflicht ab vier Jahren, die aber als Schulpflicht deklariert werden solle, um sie rechtlich durchsetzen zu können. Scheeres hält diesen Weg nicht für gangbar. Sie wartet stattdessen auf Empfehlungen ihrer neuen Qualitätskommission unter Olaf Köller, um die Kinder, die kein Deutsch können, verpflichtend in der Kita fördern zu können.