Antrag für Landesparteitag: Berliner SPD fordert Kitapflicht für Kinder ab vier Jahren
Schon seit 2013 müssen Kinder, die kein Deutsch sprechen, zur Kita gehen – doch die Pflicht wird kaum durchgesetzt. Das will die SPD nun ändern.
Ohne Deutschkenntnisse in die Schule? Damit soll es vorbei sein, wenn es nach einflussreichen Berliner SPD-Politikern geht: Auf dem Landesparteitag im Oktober soll es darum gehen, alle Berliner Kinder bereits mit vier Jahren zum Kitabesuch zu verpflichten. Das will der große SPD-Bezirksverband Tempelhof-Schöneberg beantragen. Die FDP nennt den Vorstoß „scheinheilig“. Die Grünen sprechen von „Scheindebatten“ der Sozialdemokraten.
Die aktuelle Initiative stammt von der jugendpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Melanie Kühnemann-Grunow. Anlass für ihren Vorstoß sind neue Zahlen, die erneut belegen, dass die seit 2013 geltende Kitapflicht für Kinder, die kein Deutsch können, noch immer nicht umgesetzt wird: Die meisten Bezirke verzichten auf Bußgelder, wenn Eltern ihren diesbezüglichen Pflichten nicht nachkommen. Die Zahlen hatte der SPD-Abgeordnete Joschka Langenbrinck erfragt, der das Thema seit Jahren verfolgt.
Für Kühnemann-Grunow folgt daraus, dass der Druck erhöht werden müsse – und zwar durch eine vorgezogene Schulpflicht, da eine pauschale Kitapflicht wegen der verfassungsrechtlich verankerten Elternrechte als nicht umsetzbar gilt. „Es geht nur über das Vehikel Schulpflicht, aber der richtige Ort für die Vier- und Fünfjährigen ist die Kita“, erläutert die Abgeordnete ihren Antrag. Die Erzieherinnen hätten für die jüngeren Kinder „pädagogisch andere Ansätze“.
Bisher besuchen in Berlin rund 95 Prozent der Kinder vor der Einschulung eine Kita – das ist ein im Bundesvergleich hoher Wert. Wer keine Kita besucht, muss einen verpflichtenden Sprachtest machen. Dabei kommt Jahr für Jahr heraus, dass rund die Hälfte der 2000 bis 3000 „Nichtkitakinder“ schlecht Deutsch spricht. Diese Kinder müssen 18 Monate vor der Einschulung an einer Deutschförderung teilnehmen – was aber in den meisten Fällen nicht erfolgt, weil die Bezirke den säumigen Eltern nicht nachgehen.
SPD-Jugendpolitikerin: „Ich traue den Bezirken nicht“
Auf die Frage, warum die Landes-SPD nicht lieber den Druck auf die Bezirke erhöhen wolle, statt pauschal alle Kinder in die Kita zu zwingen, sagt Kühnemann-Grunow: „Ich traue den Bezirken in dieser Hinsicht nicht.“ Für eine generelle Kitapflicht spreche auch, „dass dann nicht nur die Kinder mit Defiziten in die Kita müssen“. Die Pflicht für alle habe „etwas Egalitäres“.
Zudem spreche für die gesetzliche Pflicht auch die Tatsache, dass viele Kinder zwar in der Kita angemeldet seien, sie aber nur sporadisch besuchten. Das führe auch bei diesen Kindern unter Umständen zu großen Defiziten, die ihnen den Einstieg in die Schule erschwerten: Tausende Berliner Kinder sprechen auch trotz jahrelangen Kitabesuchs schlecht Deutsch.
Es gebe in der SPD „große Sympathien“ für den Antrag, berichtet Kühnemann-Grunow über zustimmende Signale aus Neukölln und aus Spandau, wo SPD-Fraktionschef Raed Saleh Kreischef ist. Die Kitapflicht im gesetzlichen Gewand einer Schulpflicht wurde bereits anlässlich einer Reise der SPD-Fraktion nach London diskutiert und auch von Saleh befürwortet. Nun hat Kühnemann- Grunow in ihrem Heimatbezirk Tempelhof-Schöneberg den Antrag für den Parteitag durchgesetzt.
FDP: SPD-Forderung „an Scheinheiligkeit kaum zu übertreffen“
„Wir wollen auch, dass alle Kinder so früh als möglich eine Kita besuchen“, kommentiert die jugend- und bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Marianne Burkert-Eulitz, den Vorstoß des Koalitionspartners. Es sei eine große Herausforderung für Land und Bezirke, den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz zu garantieren. Die Kitaplätze seien nach wie vor knapp. Es müsse jetzt darum gehen, zumindest den Kindern einen Platz zu bieten, die eine Sprachförderung brauchten. Alles andere seien „eher Scheindebatten“.
Die Forderung der SPD nach einer Kita-Pflicht mit vier Jahren sei „an Scheinheiligkeit kaum zu übertreffen“, sagt FDP-Bildungspolitiker Paul Fresdorf: „Nur mehr Kinder in die Kita zu bekommen, wird das Problem nicht lösen, auch das pädagogische Konzept muss darauf abgestimmt werden“, so Fresdorf, zumal bekannt sei, „dass ein Kitabesuch alleine noch keine zwingende Sprachförderung darstellt“. Auch die Forderung des CDU-Bildungspolitikers Dirk Stettner lautet: „Bevor wir neue Verpflichtungen beschließen, sollte die Erfüllung der bestehenden Verpflichtungen erst einmal umgesetzt werden.“.
Jugend- und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen
Die Anfrage von Joschka Langenbrinck zur Nichtumsetzung der Kitapflicht finden Sie HIER.