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Ein Jugendlicher arbeitet an seinem Schreibtisch mit einem Laptop und einem Tablet.
© imago images/Westend61

Digitales Lernen: Schulen können Laptop-Klassensätze kaufen - aber nicht für alle Schüler

Die 500 Millionen Euro vom Bund für digitale Endgeräte gehen an die Schulen. Für flächendeckende Klassensätze reicht das Geld nicht, kritisieren Verbände.

Aktuellen Umfragen zufolge haben 90 bis 99 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland einen Computer, mit dem sie am Fernunterricht während der Coronakrise teilnehmen können. Weil es sich jedoch um Online-Umfragen handelt, werden gerade jene Kinder und Jugendlichen nicht erfasst, denen keine funktionierenden Geräte zur Verfügung stehen, etwa sich weil mehrere Personen im Haushalt ein Gerät teilen.

Diese benachteiligten Schülerinnen und Schüler sollen jetzt mit massiver finanzieller Hilfe des Bundes Zugang zu digitalen Endgeräten bekommen. Wie berichtet, hatte sich die große Koalition im Bund Ende April auf ein Sofortprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro geeinigt. Kritisiert wurde umgehend, dass aus diesem Topf 150 Euro an einkommensschwache Familien gezahlt werden sollen, um Tablets oder Laptops anzuschaffen.

Zu wenig Geld pro Gerät, unklare Verteilungskriterien und Ausgabenkontrolle: Zumindest diese Kritikpunkte haben Bund und Länder bei einer am Freitag präsentierten Einigung über das Programm berücksichtigt. Jetzt sollen die 500 Millionen Euro direkt an die Schulträger ausgezahlt werden, wobei die 16 Länder ihre Anteile nach dem Königsteiner Schlüssel erhalten.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden]

Demnach bekommt beispielsweise Berlin mit einem 5,1-prozentigen Anteil 25,6 Millionen Euro, Bayern mit 15,5 Prozent drei Mal so viel. Ausgeben dürfen die Schulen das Geld für Schüler-Computer - und für ihre eigene Ausstattung, um "professionelle Online-Lehrangebote" erstellen zu können.

"Die Schulen können am besten beurteilen, nach welchen Kriterien die Geräte eingesetzt werden sollten", erklärte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) das neue Verfahren. Sie wüssten um die sozialen Lagen ihrer Schülerinnen und Schüler und deren Familien.

"Alle haben sich auf den Weg gemacht"

Berücksichtigt werden sollten Kinder und Jugendliche, die keine passenden digitalen Endgeräte haben und die für die Lehrkräfte im Fernunterricht bislang "schwerer erreichbar sind", sagte Stefanie Hubig (SPD), Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz.

Beide Ministerinnen lobten Schulen und Lehrkräfte, die seit den Schulschließungen ab Mitte März einen "unglaublichen Schub" beim digitalen Lernen gemacht hätten. "Es haben sich alle auf den Weg gemacht", sagte Hubig. Karliczek hob auch die Rolle der Eltern hervor, die "zu engen Lernbegleitern geworden sind". Gleichwohl gelte es, "Brüche in Bildungsbiografien" zu verhindern, dazu solle das Sofortprogramm beitragen.

[Lesen Sie auch unseren aktuellen Bericht über eine Umfrage unter Jugendlichen: Reduziert uns nicht aufs Homeschooling.]

Klar ist dabei, dass es wegen weiterhin bestehenden Infektionsgefahr und der Abstandsregeln nach den Sommerferien vorerst bei einem Mix aus Fernunterricht, Homeschooling und Präsenzstunden in der Schule bleibt. Solange es keine Medikamente und keine Impfungen gegen Covid-19 gibt, sei an eine Rückkehr zu einem normalen Schulalltag nicht zu denken, sagte Karliczek.

Erste Tranchen der 500 Millionen Euro - zuzüglich eines zehnprozentigen Länderanteils, den diese durch eigene Tablet-, Laptop und Lernsoftware-Programme bereits erfüllen - sollen möglichst noch vor den Sommerferien abgerufen werden können. Karliczek rechnet aber damit, dass das parlamentarische Verfahren im Bund zwei, drei Wochen in Anspruch nimmt, dann müssen noch die Länderregierungen und teilweise auch die Parlamente zustimmen.

Sandra Scheeres hält ein in Folie verpacktes Tablet in den Händen und lächelt.
Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) übergab Ende April erste Tablets für sozial benachteiligte Schüler.
© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Stellen für Gerätewarte nicht vom Bund

Vereinbart wurde das Programm als Zusatz zum Digitalpakt für die Schulen, über den 5,5 Milliarden Euro in die digitalen Infrastrukturen der Schulen investiert werden - 90 Prozent kommen vom Bund, zehn Prozent von den Ländern. Karliczek verteidigte die Entscheidung von 2019, damit vorrangig die Breitbandanschlüsse und die WLan-Ausstattung der Schulen auszubauen - und nicht die nun nachträglich bewilligten Geräte für die Schüler.

Klassensätze mit digitalen Endgeräten durften aus diesem Topf nur die Schulen kaufen, die bereits gut vernetzt sind. Erst die Corona-Krise macht es jetzt also möglich, mehr Schulen mit Leihgeräten auszustatten. Ein Versäumnis wollte auch Stefanie Hubig nicht darin sehen, wenngleich sie schon beim Digitalpakt dafür plädiert habe, an den Schulen auch Stellen für Gerätewarte zu finanzieren. Die richte ihr Land jetzt aus eigener Kraft ein.

Berichte zu Schulschließungen und Homeschooling

Doch droht jetzt erst recht ein Mix von Smartphones, Tablets, Laptops und PCs mit den unterschiedlichsten Softwares, die nicht untereinander kompatibel sind? Das hat die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing unlängst kritisiert. Nach der Bekanntgabe des 500-Millionen-Euro-Programms forderte sie am Freitag erneut "Klassensätze von Leih-Computern für alle Schülerinnen und Schüler" - und Dienstgeräte sowie dienstliche E-Mail-Adressen für die Lehrkräfte.

Von Bund und Ländern sei zu erwarten, dass diese nach den Sommerferien ebenso bereitstehen wie "eine ausreichende digitale Infrastruktur mit datenschutzkonformen Lernplattformen und Videokonferenzsystemen". In der derzeitigen Notsituation mag es damit vielerorts schneller als bisher vorangehen, aber im Januar hatte eine Tagesspiegel-Umfrage gezeigt, dass der Digitalpakt nur schleppend umgesetzt wird.

GEW: Geld nach Sozialindex verteilen

Der Verband Bildung und Erziehung warf weitere Fragen auf, die Bund und Länder versäumt hätten, vorab zu klären: Unklar sei, wer die Geräte aussucht und beschafft, wer sie dann in Betrieb nehme und warte, nach welchen Kriterien einzelne Schüler sie erhalten und ob sie versichert sind. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft forderte, das Geld nach einem Sozialindex an die Schulen zu verteilen.

Zur Versicherungsfrage sagte Hubig, dabei müssten die Kosten für beschädigte Geräte gegen potenzielle Versicherungskosten abgewogen werden. Bislang hätten Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz Leihgeräte gut behandelt. Karliczek erklärte, man sei im Gespräch mit Anbietern von Sim-Karten, um den Internetzugang für alle zu gewährleisten.

Doch wie wollen die Länder Schülerinnen und Schülern pädagogisch helfen, ihren Lernrückstand aus der Zeit der Schulschließungen aufzuholen? Unterrichtet wird vorrangig in Kernfächern und das bislang nicht nach ländereinheitlichen Standards. Auf die Frage nach Konzepten für die Zeit bis zu den Sommerferien und in den Ferien - etwa mit Sommercamps, schulischen Angeboten oder Gutscheinen für Nachhilfe-Anbieter - musste die KMK-Präsidentin passen.

Gearbeitet werde in der KMK aber an einem Rahmenkonzept für die Unterrichtsgestaltung im nächsten Schuljahr, sagte Stefanie Hubig.

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