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Infizieren sich Schwangere im ersten Trimester mit Zikaviren, ist die Wahrscheinlichkeit 1 zu 100, dass die Hirnentwicklung beeinträchtigt und Kinder mit Mikrozephalie (zu kleinen Köpfen) geboren werden.
© dpa

Hirnschäden bei Föten: Zika hat eine Vorliebe für Nervenzellen

Es wird immer wahrscheinlicher, dass Zika das Gehirn von Föten schädigt. Darauf weist auch der Fall einer Europäerin hin, die schwanger aus Brasilien zurückkehrte.

Berlin - Als die 25-Jährige im Sommer 2015 in Slowenien ankam, war noch alles in Ordnung. Das Leben der jungen Frau sollte sich zwar gründlich verändern – im Februar war sie bei einem Einsatz als freiwillige Helferin im Nordosten Brasiliens schwanger geworden. Doch dem Fötus ging es gut. Das hatten zumindest die Ultraschallbilder in der 14. und in der 20. Schwangerschaftswoche gezeigt. Sie brach ihren Aufenthalt in Natal ab, das Kind sollte in Europa zur Welt kommen.

Eine Woche nach ihrer Rückkehr, sie spürte gerade die ersten Bewegungen ihres Babys, ging sie erneut zur Vorsorge. Da stimme etwas nicht, meinte der Frauenarzt. In der Abteilung für Geburtshilfe der Universität von Ljubljana könne man ihr Genaueres sagen. Wieder ein Ultraschall, nun in der 32. Schwangerschaftswoche. Der Fötus sei nicht richtig gewachsen, erfuhr sie von den Spezialisten. Sowohl Plazenta als auch der Kopfumfang seien zu klein. Die Hirnstrukturen seien kaum erkennbar, dafür gebe es Anzeichen für Kalkablagerungen. Vermutlich sei eine Virusinfektion schuld. Diesem Kind werde es nicht gut gehen. Die Frau entschied sich für eine Spätabtreibung.

Neukölln meldet, dass sich ein Berliner mit Zika angesteckt hatte

Das Virus, das den Fötus geschädigt hat, heißt Zika. Die junge Frau dürfte unter den ersten europäischen Reiserückkehrern sein, die sich während der Epidemie in Südamerika durch eine infizierte Aedes-Mücke angesteckt haben. Derzeit dokumentieren Gesundheitsbehörden etliche Zika-Fälle unter Touristen. Darunter ist ein erster Fall in Berlin: Das Gesundheitsamt Neukölln meldete, dass sich ein 31-jähriger Mann bei einem dreiwöchigen Aufenthalt auf Haiti angesteckt habe. Er hatte allerdings nur einen Ausschlag; bei seiner Rückkehr war die Infektion bereits ausgestanden.

Die Geschichte von der jungen Frau und ihrem Kind dagegen ist ein weiterer Hinweis darauf, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Zika-Epidemie in Südamerika und der Häufung von Mikrozephalie-Fällen bei Neugeborenen besteht. Dafür sprechen zumindest die Ergebnisse der Autopsie des Fötus, die die Ärzte um Tatjana Avšic Županc von der Universität von Ljubljana nun im Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht haben.

Das Virus vermehrte sich im Gehirn des ungeborenen Kindes

Die Ärzte nahmen Proben von Plazenta, Nabelschnur und allen Geweben des Fötus. Sie fragten die Mutter nach Erbkrankheiten in der Familie und suchten in den Geweben nach Anzeichen von mehr als einem Dutzend Krankheitserregern wie zum Beispiel den Röteln und Toxoplasma gondii. Ohne Erfolg. Alles wies in eine Richtung: Zika. Zumal sich die Frau daran erinnerte, dass sie in der 13. Schwangerschaftswoche hohes Fieber, einen juckenden Ausschlag, schmerzende Muskeln und Augen hatte.

Der Fötus habe sich im Mutterleib angesteckt, schreiben die Ärzte. Das Zika-Virus habe sich danach offenbar weiter im Gehirn des ungeborenen Kindes vermehrt. Das legen sowohl elektronenmikroskopische Aufnahmen von Viruspartikeln im Hirngewebe nahe als auch das Zika-Virenerbgut, das sie nur in diesem Organ fanden. Die typische Faltung des Gehirns fehlte fast völlig, dafür hatte sich vermehrt Hirnwasser eingelagert. An vielen Stellen im Gehirn gab es Kalkablagerungen, offenbar waren dadurch auch Nervenzellen abgestorben. Die Hirnentwicklung sei vermutlich in der 20. Schwangerschaftswoche stehen geblieben, schreiben die Ärzte. Kein anderes Organ wurde geschädigt. Rein äußerlich falle nur der zu kleine Kopf auf.

Kann Zika auch die Augen von Föten schädigen?

Die Vorliebe des Zika-Virus für das Gehirn beobachteten auch die Pathologen um Sherif Zaki von der amerikanischen Seuchenbehörde CDC. Sie hatten die Gewebeproben von zwei brasilianischen Säuglingen untersucht, die innerhalb von 20 Stunden nach der Geburt verstorben waren und von zwei Fehlgeburten.

In Brasilien gibt es derweil erste Hinweise darauf, dass Zika zusätzlich Augen und den Sehnerv von Föten angreifen kann. Ärzte um Rubens Belfort von der Universität São Paulo haben 29 kleinköpfige Babys untersucht, bei denen sich die Mütter an Zika-Symptome während der Schwangerschaft erinnern und bei denen sie ausschließen konnten, dass die Mikrozephalie durch andere Erreger, Erbkrankheiten oder Alkoholsucht der Mutter verursacht wurde. Bei zehn der Kinder fanden sie Schäden an der Retina oder am Sehnerv. In einem Kinderauge hatte sich die Linse verschoben, berichten sie im Fachblatt „Jama“.

Die Fallgeschichten seien immer noch kein endgültiger Beweis, betonen die Forscher im „New England Journal of Medicine“. Doch während sich Zika weiter ausbreitet, müssten Millionen Frauen in Südamerika mit enormer Unsicherheit leben. „Sie brauchen Zugang zu Verhütung, zu Zika-Tests und eine Möglichkeit, abzutreiben“, schreiben sie. „Und die vielen betroffenen Kinder brauchen Pflege.“

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