Zika-Virus: Tückische Gefahr für Schwangere
Karneval in Rio, Strandurlaub in der Karibik: Aus der Traumreise nach Mittel- oder Südamerika könnte für werdende Mütter ein Albtraum werden. Denn das Zika-Virus verbreitet sich rasant.
Nichts trübte die Vorfreude auf das Baby, bei der Vorsorge war nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Und doch kam das Kind mit einem zu kleinen Kopf (Mikrozephalus) und damit einem zu kleinen Gehirn zur Welt. Tests bei Mutter und Kind brachten Gewissheit, bei beiden konnte die amerikanische Seuchenbehörde CDC das Zika-Virus nachweisen. Mit diesem Fall auf Hawaii wurde erstmals in den USA ein Kind mit einer Fehlbildung geboren, die dem Virus angelastet wird. Die Mutter hatte im Mai 2015 in Brasilien gelebt, vermutlich wurde sie im frühen Stadium ihrer Schwangerschaft von einer infizierten Aedes-Mücke gestochen.
„Das Schicksal der Mutter und ihres Neugeborenen unterstreicht die Bedeutung der Reisewarnungen“, sagte die staatliche Epidemiologin Sarah Parker. Schwangeren und Frauen, die schwanger werden wollen, empfiehlt die CDC, Reisen in mehr als 15 Länder der Karibik sowie Mittel- und Südamerika zu verschieben. Sollte das unmöglich sein, sollten sie auf einen konsequenten Mückenschutz achten und sich informieren, wo das Virus derzeit übertragen wird. „Die Situation ändert sich ständig“, sagte Lyle Petersen von der CDC bei einer Pressekonferenz.
Jahrzehntelang galt das Virus als harmlos
Auch die Deutsche Tropenmedizinische Gesellschaft rät Schwangeren von Reisen in die Ausbruchsgebiete ab. Wer im Verlauf der Schwangerschaft dort unterwegs war, solle das bei den Vorsorgeuntersuchungen erwähnen, heißt es im „Epidemiologischen Bulletin“ des Robert-Koch-Instituts in Berlin. Zwar sei der Zusammenhang zwischen dem Virus und den Fehlbildungen noch nicht eindeutig bewiesen. „Aber alles deutet darauf hin“, sagt Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. „Diese Entwicklung ist dramatisch und unerwartet.“ Jede Schwangere, die eine Reise in die Tropen plant, solle sich von Experten beraten lassen.
Das Virus wurde bereits 1947 bei einem Affen im Zika-Wald in Uganda entdeckt, es gehört zur Familie der Flaviviren. Lange Zeit wirkte es ungefährlich. Wenn sich ein Mensch ansteckt, dann bekommt er meist nur einen Ausschlag oder entzündete Augen, leichtes Fieber sowie Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen. Nach einer Woche ist alles vorbei. Nur einer von fünf Infizierten hat überhaupt Symptome. Niemand machte sich darüber Sorgen, schließlich übertragen Parasiten hunderte Krankheiten. Ausgerechnet Zika zu erforschen, schien nicht nötig. Es gab dringendere Probleme.
Das Zika-Virus dringt im Mutterleib zum ungeborenen Kind vor
Das ist nun anders. Seit Mai 2015 bekämpfen die Behörden in Brasilien große Zika-Viren-Ausbrüche, vermutlich steckten sich 1,5 Millionen Menschen an. Es steht nicht nur der Verdacht im Raum, dass das Virus das Guillain-Barré-Syndrom und somit Lähmungen auslösen kann. Allein zwischen Oktober 2015 bis Januar 2016 wurden in Brasilien nun mehr als 3500 Babys geboren, deren Kopfumfang kleiner als 32 Zentimeter ist. Manche Frauen hatten Fehlgeburten, einige Babys wurden nur wenige Tage alt. Die anderen sind durch die Missbildung geistig schwer behindert. Normalerweise gibt es in Brasilien 150 Mikrozephalus-Fälle pro Jahr. Auch in Französisch-Polynesien, wo es 2013/ 2014 einen Ausbruch gab, kamen 2014/ 2015 ungewöhnlich oft Kinder mit zu kleinem Kopf zur Welt.
Nicht nur der zeitliche Zusammenhang spricht dafür, dass das Virus im Mutterleib zu dem Embryo oder Fötus vordringt und sich dadurch die Schädelnähte viel zu früh verschließen, sodass sich das Gehirn nicht richtig entwickeln kann. Die kleinköpfigen Babys sind in den Bundesstaaten Brasiliens besonders häufig, die von den Ausbrüchen am stärksten betroffen waren. Einigen Frauen, bei denen Ultraschallbilder einen zu geringen Kopfumfang gezeigt hatten, wurde daher Fruchtwasser entnommen: Das Virus hatte sich tatsächlich in der Flüssigkeit vermehrt. Zuletzt schickten die brasilianischen Behörden Proben von zwei Fehlgeburten und zwei toten Säuglingen an die CDC. Bei allen war Zika nachweisbar. Und alle vier Mütter erinnerten sich daran, dass sie in den letzten Monaten Ausschlag und Fieber hatten. Nun sind Fallkontrollstudien geplant, um das Phänomen systematisch zu untersuchen. Möglich ist zum Beispiel, dass Koinfektionen – etwa mit dem Dengue-Virus – oder andere noch unbekannte Faktoren eine Rolle bei den Fehlbildungen spielen.
Eine Folge der Fußballweltmeisterschaft
Die Staaten sind aufgeschreckt, so sorgt sich Kolumbien um mindestens 460 infizierte Schwangere. Das Gesundheitsministerium rät Frauen, geplante Schwangerschaften aufzuschieben. Auch die USA rechnen damit, dass das Virus bald in Florida und den Staaten rund um den Golf von Mexiko ankommt. Die Experten der CDC hoffen jedoch, dass Klimaanlagen und Insektennetze vor Türen und Fenstern die Ausbrüche begrenzen - weil die Mücken dann nicht genügend Opfer finden.
Das Zika-Virus verbreitet sich überall dort rasend schnell, wo sich Aedes-Mücken besonders wohlfühlen. Reist ein Infizierter in ein Land, in dem sie heimisch sind, und wird dort gestochen, trägt die Mücke das Virus immer weiter. Von Mensch zu Mücke, Mücke zu Mensch. Bis zu 70 Prozent der Bevölkerung können sich dann anstecken, zeigte ein Ausbruch auf der mikronesischen Insel Yap. Um andere zu schützen, sollten daher mit Zika infizierte Personen ebenfalls auf einen guten Mückenschutz achten.
Das Virus kam erst während der Fußballweltmeisterschaft von Asien aus in Brasilien an, meinen Forscher. Während des Karnevals in Rio de Janeiro oder der Olympischen Sommerspiele könnte es von dort aus erneut als blinder Passagier in alle Welt getragen werden. „Wir bereiten für Athleten und Besucher genaue Karten vor, damit sie die stark betroffenen Gebiete meiden können“, sagt Schmidt-Chanasit. Die Karten würden zudem den brasilianischen Regierung bei der gezielten Mückenbekämpfung helfen.
Es gibt nicht einmal Impfstoffkandidaten
Die Forschung beginne gerade erst, man wisse so gut wie nichts über das Virus. Anders als bei Ebola gebe es nicht einmal experimentelle Therapien oder Impfstoffkandidaten. Bisher steht auch nicht fest, ob nur Aedes aegypti oder auch die Tigermücke Aedes albopictus das Virus übertragen. „Das wäre eine schlechte Nachricht“, sagt Jan Felix Drexler von der Universität Bonn. Denn die Tigermücke ist viel weiter verbreitet, bis nach Europa. Sein Team entwickelt derzeit zuverlässige und schnelle Tests, damit die Infektion besser erkannt werden kann.
Schmidt-Chanasit arbeitet mit einer US-amerikanischen Gruppe zusammen, die einen Impfstoff entwickeln will. „Das braucht Zeit“, sagt er. „Aber es ist nicht aussichtslos“. Schließlich gebe es auch gute Impfstoffe gegen Gelbfieber, japanische Enzephalitis oder FSME, die alle von Parasiten übertragen werden. Sollten die Forscher erfolgreich sein, könne man die Impfung in Zukunft Frauen anbieten, die in Risikogebieten leben – ähnlich der Impfung gegen Röteln. Drexler ist skeptischer. Ein Impfstoff sei weit entfernt, außerdem sei die Kritik programmiert, wenn man sie irgendwann vorsorglich auf Staatskosten einlagere, sagt er. „Wichtiger ist, die Mücken loszuwerden und ihnen nicht noch durch stehendes Wasser in Blumentöpfen oder alten Reifen ideale Bedingungen zu bieten.“