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Gefährlich. Wenn Flecken auf der Lunge erkennbar sind, ist die Tuberkulose schon fortgeschritten. Eine frühzeitige Diagnose könnte eventuell die Therapie erleichtern.
© Gregor Fischer, dpa

Welttuberkulosetag: Tuberkulose besser erkennen

Ein Bluttest könnte in Zukunft voraussagen, wer nach der Infektion mit dem Mycobacterium tuberculosis tatsächlich krank wird - und damit ansteckend.

Tuberkulose? Für viele in Deutschland ist das eine fast schon literarische Krankheit aus vergangenen Zeiten: Die „schwindsüchtige“, hustende Mimi in Puccinis Oper „La Bohème“ steht dafür, die Patienten, die sich auf Thomas Manns Davoser „Zauberberg“ auszukurieren versuchen, aber auch die vielen Tuberkulosekranken in den Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute gehört die Bundesrepublik zu den „Niedrig-Inzidenz-Ländern“, in denen es weniger als 100 Neuerkrankungen pro eine Million Bürger gibt. Und sehr gute Behandlungsmöglichkeiten.

Allerdings ist die Therapie langwierig und wegen zunehmender Antibiotika-Resistenzen kompliziert. Zudem steigen die Erkrankungszahlen seit 2012 wieder. Das Robert-Koch-Institut in Berlin verzeichnet in seinem „Epidemiologischen Bulletin“ eine Umkehr des rückläufigen Trends, der Mitte des 20. Jahrhunderts einsetzte. Das ehrgeizige Ziel der WHO, die Tuberkulose zumindest in Ländern mit wenigen Neuerkrankten ganz loszuwerden, sei damit „in weitere Ferne gerückt“. Weitet man den Blick auf die Weltbevölkerung, so ist das Problem ohnehin höchst gegenwärtig: Rund 1,5 Million Menschen sind im Jahr 2014 an der Krankheit gestorben, 9,6 Millionen neu erkrankt.

Gene in Immunzellen sind aktiver, bevor die Krankheit ausbricht

Allein diese Zahlen geben einer Studie Gewicht, die heute, passend zum Welttuberkulosetag, in der Fachzeitschrift „The Lancet“ erscheint. Wissenschaftliche Relevanz erhält sie aber durch ein weiteres Faktum: Unzählige Menschen stecken sich mit dem Mycobacterium tuberculosis an, aber nur rund jeder zehnte Infizierte erkrankt. Die Studie weist nun einen Weg, um den Ausbruch der Krankheit vorherzusagen. Forscher von der südafrikanischen Initiative für die Tuberkulose-Impfung um Willem Hanekom von der Universität Kapstadt konnten in Zusammenarbeit mit Daniel Zak und seiner Arbeitsgruppe vom Center for Infectious Disease Research (CIDR) in Seattle und mit Unterstützung der Bill & Melinda Gates Stiftung einen Bluttest auf seine Tauglichkeit prüfen. Er basiert auf der Analyse der Aktivität einer Reihe von Genen.

Zu diesem Zweck haben sie denjenigen Kindern und Jugendlichen aus einer Gruppe von 6363 gesunden 12- bis 18-jährigen Südafrikanern, die sich bei einem Tb-Test als infiziert erwiesen, alle sechs Monate Blut abgenommen. Sie haben die Aktivität von 16 Risiko-Genen bestimmt und die Jugendlichen zwei Jahre lang beobachtet. Tatsächlich waren bei der Minderheit der Studienteilnehmer, bei denen sich später eine aktive Tuberkulose entwickelte, die Gene in Immunzellen aktiv, die die Forscher schon zuvor im Verdacht hatten. „Ein solcher Test könnte das Auftreten der Krankheit schon mehr als ein Jahr im Voraus vorhersagen“, hofft Hanekom.

Erleichtert das frühe Wissen die Tuberkulose-Therapie

Nun soll geprüft werden, ob ihnen dieses frühe Wissen bei der Behandlung nützt. Auch für die Forschung könnten sich Vorteile ergeben: Wenn Infizierte mit hohem Erkrankungsrisiko gezielt für Studien zu neuen Medikamenten und Impfstoffen ausgewählt werden können, lassen sich möglicherweise deren Effekte schon mit weniger Teilnehmern zeigen. Die Untersuchungen zur „Armutskrankheit“ Tuberkulose würden dann deutlich kostengünstiger.

Für die Infizierten, die höchstwahrscheinlich nicht erkranken werden, könnte das Wissen darum ebenfalls ein Gewinn sein. „Zwei Milliarden Menschen in aller Welt sind mit dem Bakterium infiziert, die meisten erkranken nicht und werden damit auch nicht ansteckend. Wäre es nicht wunderbar, das vorauszusagen?“, fragt Stefan Kaufmann vom Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, der an der Studie beteiligt war.

Kaufmann ist Leiter einer zweiten Biomarker-Studie, deren Ergebnisse voraussichtlich ebenfalls in diesem Jahr veröffentlicht werden. Ziel der Untersuchung, die in mehreren afrikanischen Ländern lief – unter anderem in Gambia, Uganda, Äthiopien und Malawi –, ist ein „panafrikanischer“ Biomarker-Test, der unterschiedliche Erregerstämme einbezieht. Die Ergebnisse deuten auf ein vergleichbares Genprofil hin, wie Kaufmann dem Tagesspiegel mitteilte. „Es scheint also auch dort zu funktionieren.“

Ob der Bluttest zur Reihenuntersuchung taugt, muss sich noch zeigen

Um ihren Bluttest abzusichern, haben die Autoren der heute veröffentlichten „Lancet“-Studie zwischen 2005 und 2010 auch eine Gruppe von Menschen aller Altersgruppen aus Südafrika und Gambia genauer untersucht, in deren Haushalt kürzlich ein Mitglied die Diagnose Tuberkulose bekommen hatte und die somit besonders ansteckungsgefährdet waren. 2012 zogen sie Bilanz. Wie erwartet waren in diesem Zeitraum viele der Studienteilnehmer erkrankt. Und wie erwartet waren in den Blutproben dieser Menschen die genetischen Besonderheiten nachzuweisen. Die entsprechenden Gen-Expressionen waren außerdem immer weiter angestiegen, je näher die Diagnose rückte. „Das könnte den Weg für Tests ebnen, die zugleich preisgünstig sind und eine Skalierung erlauben“, hoffen die Autoren. Ob die Biomarker auch aussagekräftig genug sind, um für eine Reihenuntersuchung der gesamten Bevölkerung eines Landes zu taugen, muss sich allerdings noch zeigen.

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