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Studierende gehen auf das Hauptgebäude der Humboldt-Universität zu Berlin zu.
© Michael Kappeler/dpa

Haushaltsdefizit an der Humboldt-Universität: Stellensperre in Adlershof

Hohe Kosten für eine neue Verwaltungssoftware und für den Überhang zwingen die Humboldt-Uni zu kurzfristigen Einsparungen. Einige Institute trifft es hart.

„In der Informatik können wir neue Studiengänge nicht starten, das Lehrangebot werden wir reduzieren müssen, die Zahl der Studienabbrecher wird steigen.“ Das Szenario, das Ulf Leser, Direktor des Instituts für Informatik, im Akademischen Senat (AS) der Humboldt-Universität beschreibt, ist dramatisch. Schon durch die Strukturplanung der Uni müsse die Informatik auf haushaltsfinanzierte Stellen verzichten – wie alle Fakultäten. Doch jetzt seien etliche Institute am HU-Standort Adlershof gezwungen, einen Verlängerungsstopp für wissenschaftliche Mitarbeiter zu verhängen. Ein Drittel des Mittelbaus sei betroffen, schon zum Januar 2019 könnten erste Verträge nicht verlängert werden. Man habe mit einer zu streichenden Stelle pro Jahr gerechnet, nun seien es fünf oder sechs, sagt AS-Mitglied Leser. Er bittet das Präsidium um Soforthilfe: „Es ist jetzt schlimm, nicht morgen.“

Die Situation erinnert an die Haushaltskrise der HU vor vier Jahren, als bis 2017 die Personalkontingente in zwei Dritteln der Bereiche auf null gestellt werden sollten. Damals musste ein Haushaltsdefizit von 3,7 Millionen Euro ausgeglichen werden, für das der damalige Präsident Jan-Hendrik Olbertz Kostensteigerungen verantwortlich machte, die im Hochschulvertrag mit dem Land nicht ausgeglichen worden seien. Erleichterung in letzter Minute brachte ein Präsidiumstopf für Notfälle, aus dem 1,4 Millionen Euro für 130 Personalkontingente kommen sollten.

Deckungslücke von 12 Millionen Euro

Das Instrument der „Kontingente“ ist ein HU-Spezifikum, das es den Fakultäten ermöglichen soll, den Mangel an Personalmitteln flexibler zu verwalten. Ein Kontingent ist 50 000 Euro wert, weshalb eine Professur derzeit 2,1 Kontingente kostet und eine volle Mitarbeiterstelle 1,5. Wer eine freie Stelle besetzen oder eine auslaufende verlängern will, braucht freie Kontingente. Doch die werden den Fakultäten jetzt in geringerem Umfang als erwartet zugeteilt. Informatiker Ulf Lesser beklagt, dass ihm für vier Jahre 20 bis 30 Kontingente fehlten.

Wie groß ist das Haushaltsdefizit, das die HU aktuell ausgleichen muss? Im AS waren am Dienstag weitaus größere Zahlen als 2014 zu hören. Nicht gedeckt sind demnach jährlich zwei Millionen Euro für die Einführung eines SAP-Systems, das die Verwaltungssoftware der HU vereinheitlichen soll – Projekttitel: „Humboldt gemeinsam“ – und 4,5 Millionen Euro für den Personalüberhang. Der sei vor allem deshalb entstanden, weil die HU ihre zentrale Univerwaltung personell massiv verstärkt hat, heißt es. Dafür müssen nach dem Strukturplan in den Fakultäten Stellen abgebaut werden, doch das ist nur bei auslaufenden Verträgen möglich.

Auf Nachfrage beziffert HU-Präsidentin Sabine Kunst die Deckungslücke zwischen Personalbedarf und Personalbudget am Mittwoch auf insgesamt zwölf Millionen Euro. Dieser Betrag werde aber durch die in der Strukturentwicklung an der HU „solidarisch verhandelte Personalkonsolidierung“ allmählich abgebaut. „Planerisch ist der Berg 2023 im Wesentlichen aufgelöst“, sagt Kunst. Was bei der Beschneidung der Personalkontingente zu Buche schlage, seien „temporäre Belastungen“ wie die Überhangstellen, die SAP-Einführung und Folgekosten der Exzellenzinitiative.

Institute mit niedrigem Personalstand müssen "bluten"

Gleichzeitig müsse die Lücke in der Grundfinanzierung durch das Land Berlin, die nach wie vor zwischen der HU und der vergleichbar großen FU klaffe, weiter geschlossen werden. Unterschiede gibt es tatsächlich: Den Hochschulverträgen zufolge sollen die Landesmittel der FU bis 2022 auf 381 Millionen Euro anwachsen, die der HU auf 293 Millionen Euro. Erklärt wird die Differenz unter anderem mit den an der FU sehr viel höheren Pensionskosten.

Lebt die HU gleichwohl über ihre Verhältnisse, wie Studierendenvertreter Tobias Roßmann im Akademischen Senat kritisierte? „Wenn ich kein Geld habe, kann ich kein SAP kaufen“, sagte Roßmann. Die Einführung eines modernen IT-Systems für die Verwaltung sei 2015 beschlossen worden und irreversibel, erwiderte Sabine Kunst.

Warum aber trifft es einige Institute schlimmer als andere? So unterliegt an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät in Adlershof die Mathematik geringeren Sparauflagen. AS-Mitglied Joachim Gassen, Wirtschaftswissenschaftler und Vorsitzender des Haushaltskommission, erklärte die Unterschiede damit, dass einige Fakultäten beziehungsweise Institute ihre Stellen derzeit voll besetzt oder überbesetzt haben. Dort könne aus rechtlichen Gründen nicht gekürzt werden. Von Kürzungen betroffen seien folglich die Einrichtungen, die im Moment vergleichsweise wenige ihrer Stellen besetzt haben. Biologieprofessorin Susanne Schreiber fragte: „Müssen Institute, die einen niedrigeren Besetzungsstand haben, am meisten bluten?“ Gassen fand das „ganz gut formuliert“.

HU-Präsidentin Kunst sagt, die ungleich auftretenden Belastungen seien „so im Detail nicht vorhersehbar gewesen“. Ein denkbarer Lösungsansatz sei es, das Defizit nicht wie geplant bis 2023 abzubauen, sondern über einen längeren Zeitraum.

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