Biosimilars: Sparen mit Kopien teurer Arzneien
Antikörper wirken, sind aber oft sehr teuer. Biosimilars sollen das Gesundheitssystem entlasten. Aber Ärzte verschreiben die Nachahmerpräparate noch zu zögerlich.
„Wir werden mit Biosimilars in naher Zukunft deutliche Einsparpotenziale haben.“ Das sagte der Vorsitzende der Arzneimittelkomission der deutschen Ärzteschaft Wolf-Dieter Ludwig am Mittwoch auf der Veranstaltung „Ähnlich aber nicht gleich: Welches Potenzial steckt in Biosimilars?“ im Tagesspiegel-Verlag. Zwar stehe die Versorgungsqualität immer an erster Stelle. Aber wenn es günstigere Alternativen bei gleicher Wirksamkeit gebe, dann hätten Ärzte eine „ethische Verantwortung“, die Wirtschaftlichkeit der eingesetzten Therapien im Auge zu behalten, sagte der Onkologe. Für moderne Immuntherapien müsse die Solidargemeinschaft bis zu 300 000 Euro pro Patient bezahlen – vor diesem Hintergrund müsse man „Sparpotenziale nutzen“.
Biosimilars kosten etwa 70 Prozent des Originalpreises
Dass sich mit Kopien Geld sparen lässt, ist eine allgemein bekannte Erfahrung. Aber anders als das Imitat einer Markenbrille vom Billig-Markt, die kaum einen Urlaub übersteht, müssen Arzneimittelkopien hohe Qualitätskriterien erfüllen. Das hat bei Generika jahrzehntelang gut funktioniert. Nach dem Auslaufen des Patentschutzes einer Arznei, etwa Aspirin, dürfen Konkurrenzhersteller den chemischen Wirkstoff nachsynthetisiert. Da Original und Kopie dann chemisch identisch sind, braucht der Nachahmer keine neuen Studien durchzuführen, um die Wirksamkeit und Verträglichkeit zu belegen. Die Kosten sinken, der Preis fällt.
Mit Biologika – in Bakterien-, Hefe- oder Hamsterzellen produzierten Medikamenten wie etwa Insulin oder Antikörpern – funktioniert das nicht. Sie können nicht chemisch nachgebaut werden, die Nachahmerfirmen müssen eigene Zellkulturen herstellen und die Kopie ist aufgrund des biotechnologischen Prozesses dann zwar biologisch ähnlich – biosimilar – aber eben nicht identisch. Daher müssen Biosimilar-Hersteller ihre Produkte erneut an vielen Patienten testen, um sicherzustellen, dass keine unerwarteten Nebenwirkungen auftreten und die Wirkung vergleichbar ist. Das verursacht Kosten, die sich nachher im Preis widerspiegeln, aber dem Gesundheitssystem dennoch eine Einsparung um derzeit etwa 30 Prozent ermöglicht.
„Wir wissen nicht genau, wie hoch das Sparpotenzial ist“, sagte Ludwig. Sicher sei nur: „Bei Biologika, die sowohl in der Rheumatologie, den chronisch-entzündlichen Erkrankungen und der Onkologie eine zunehmend wichtige Rolle spielen, sind die Kosten für die Gesundheitssysteme in die Höhe geschnellt, allein in Deutschland haben sie sich seit 2007 verdreifacht.“ Daher sei das Einsparpotenzial der Biosimilars so wichtig.
Ärzte verordnen Biosimilars noch zu zaghaft
Stand Mai 2018 sind in Europa 43 Biosimilars zugelassen, 26 davon auf dem Markt. „Von den zehn umsatzstärksten Arzneimitteln im Bereich der ambulanten Versorgung sind inzwischen vier als Biosimilars zu haben oder bald zu haben“, sagte Ludwig. Etwa von dem Medikament gegen Autoimmunerkrankungen Humira (Wirkstoff Adalimumab), das den Patentschutz hierzulande noch in diesem Jahr verlieren wird. Das Mittel des Herstellers Abbvie erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von 18,4 Milliarden US-Dollar. Weil Humira in Deutschland häufig eingesetzt wird, sollten Biosimilars das Gesundheitssystem spürbar entlasten.
„Das setzt aber voraus, dass die Biosimilars auch verordnet werden“, sagte Ludwig. Das sei in Deutschland aber nicht der Fall. Viele Ärzte zögern noch, vom Originalpräparat auf Biosimilar-Varianten umzusteigen. Selbst bei Medikamenten, deren Patent vor 15 Jahre abgelaufen ist, würden Biosimilars „extrem unterschiedlich“ verschrieben.
Dabei gibt es keine Hinweise, dass Biosimilars dem Original in der Wirkung nachstünden. „Seit zehn Jahren, seit es Biosimilars in Deutschland gibt, sind keine relevanten Qualitätsprobleme auftraten, keine Nebenwirkungen, die nicht von vornherein von den Originalpräparaten bekannt sind“, sagte Ludwig. Dennoch berichtete Diana Lüftner, Oberärztin in der Hämotologie und Onkologie der Charité, dass die Hemmschwelle etwa bei der Verwendung von Biosimilars von Antikörpern in der Krebstherapie hoch sei: „Das sind Indikationen, da geht es um das Überleben des Patienten und sollte da irgend etwas nicht stimmen, dann haben wir ein großes Problem“, sagte Lüftner. Zwar gebe es dieses Problem objektiv nicht, aber so sei die „Befindlichkeit“ der Ärzte, die sich zwischen Original und Biosimilar entscheiden sollen. Es herrsche leider noch ein „enormes Wissensdefizit“, sagte Ludwig.