Drohende Megadürre: So trocken wie seit 2100 Jahren nicht mehr?
Zwei aktuelle Studien betrachten die Trockenheit in Mitteleuropa - mit unterschiedlicher Einschätzung, aber ähnlichen Warnungen.
Der traurige Anblick der Natur im Spätsommer 2015 dürfte noch vielen in Erinnerung sein. Die Dürre, die Teile Mitteleuropas damals erfasst hatte, war ungewöhnlich. Nun kommen Wissenschaftler:innen um Ulf Büntgen von der Cambridge University zu einer drastischen Einschätzung: In einer auf Isotopdaten aus Baumringen basierenden Untersuchung habe sich gezeigt, dass die Sommerdürren in Mitteleuropa seit 2015 weitaus gravierender waren als in den 2100 Jahren davor.
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Eine fast zeitgleich erschienene Studie von Forschenden des Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) sieht die jüngsten Trockenperioden allerdings eher noch im Rahmen der natürlichen Variabilität.
Folge des anthropogenen Klimawandels
Die Cambridge-Forschenden sehen die Häufung extremer Hitzewellen und Trockenperioden in den Sommern der vergangenen Jahre als Folge des vom Menschen verursachten Klimawandels. Eine veränderte Position des Polarjetstreams, der beispielsweise 2018 immer wieder ins Stocken kam, könne zu anhaltenden extremen Wetterlagen führen. Dies hatten bereits andere Studien gezeigt.
Doch der Klimawandel bedeute nicht, dass es überall trockener wird: „Mancherorts wird es vielleicht feuchter oder kälter, aber extreme Bedingungen werden häufiger, was für die Landwirtschaft, die Ökosysteme und die Gesellschaft insgesamt verheerend sein könnte“, so Leitautor Ulf Büntgen.
Für die im Fachblatt „Nature Geoscience“ veröffentlichte internationale Studie werteten die Forscher einen gewaltigen Datensatz von Baumringen aus, um die hydroklimatischen Bedingungen in Mitteleuropa seit der Römerzeit darstellen zu können.
Büntgen analysierte mit seinen Kolleg:innen mehr als 27 000 Messungen an Baumringen von 147 Eichen, die den Zeitraum von 75 v. Chr. bis 2018 abdeckten.
Die Proben stammen aus archäologischen Überresten, historischem Baumaterial sowie von lebenden Bäumen aus Gebieten der Tschechischen Republik und dem südöstlichen Bayern.
Die Forschenden begnügten sich nicht mit dem bloßen vermessen der Breite der Baumringe, um zu Aussagen zum historischen Klima zu kommen, sondern extrahierten aus den Ringen stabile Kohlenstoff- und Sauerstoffisotope.
Sie gehen davon aus, dass die Isotope die physikalischen Bedingungen und die Reaktion der Bäume darauf widerspiegeln. So erhalte man ein sehr genaues Bild, um Hydroklimabedingungen zu rekonstruieren.
Die Isotopdaten der Baumringe würden zeigen, dass es in Europa sehr feuchte Sommer gab, wie etwa in den Jahren 200, 720 und 1100 n. Chr. – aber auch sehr trockene Sommer wie etwa in den Jahren 40, 590, 950 und 1510 n. Chr. Insgesamt sei eine Tendenz zu einem immer trockeneren Klima in den vergangenen zwei Jahrtausenden zu erkennen.
Die Proben aus den Jahren 2015 bis 2018 hätten zudem gezeigt, dass die Dürre in diesen Jahren drastischer war, als in den 2100 Jahren davor. „Nach Jahrhunderten eines langsamen, signifikanten Rückgangs haben wir einen drastischen Einbruch erlebt, was besonders für die Land- und Forstwirtschaft alarmierend ist“, so Mitautor Mirek Trnka.
Zweite Studie: Dürren noch in natürlicher Variabilität
In der AWI-Studie im Fachmagazin „Communications Earth & Environment“ hingegen kommen Monica Ionita-Scholz und Gerrit Lohmann zu dem Schluss, dass das vermeintliche „Rekordjahr“ 2018 ebenso wie die sehr trocknen Jahre 2003 und 2015 noch innerhalb der Grenzen der natürlichen Variabilität lagen.
„Unsere Kollegen haben Daten aus der Tschechischen Republik verwendet, die zufällig ein Hotspot für Dürre im letzten Jahrzehnt ist, aber sie leiten daraus Dürre auf europäischer Ebene ab, was sehr gefährlich ist“, so Monica Ionita-Scholz gegenüber dem Tagesspiegel.
Dürre sei ein sehr dynamisches Phänomen, man könne nicht nur ein Land verwenden, um sie auf europäischer Ebene zu beschreiben.
Die AWI-Forschenden haben eine Vielzahl von Datensätzen verwendet: Baumringe, dokumentarische Belege, Paläoreanalysen, historische Aufzeichnungen von Temperatur und Niederschlag sowie Wasserständen von Flüssen, während sich die Cambridge-Studie allein auf Baumringe bezieht.
Für die AWI-Studie seien nur Daten aus Deutschland und der Schweiz verwendet worden, die Schlussfolgerungen nur auf diese Region – Mitteleuropa – ausgerichtet.
Demnach waren vergangene Megadürren in Mitteleuropa länger, heftiger und weniger warm als heutige Dürreperioden. Extreme Dürrephasen habe es zwischen den Jahren 1400 und 1480 sowie 1770-1840 gegeben.
„Diese betrafen damals aber ganz andere Landschaften, mit einem wesentlich höheren Anteil an natürlichen Mischwäldern, Flussläufen und Feuchtgebieten“, so die Forschenden.
Auch hier ein alarmierendes Ergebnis
Trotz unterschiedlicher historischer Einstufung der jüngsten Dürrephasen kommen aber auch die AWI-Forschenden zu einem eher alarmierenden Ergebnis. Denn der Blick in das vergangene Jahrtausend zeige, dass Dürren in Deutschland noch extremer werden könnten.
Wenn mehrere, auch natürliche, Faktoren zusammenkommen, könnte eine extreme Dürre auftreten. „Neben steigenden Temperaturen sind das die Sonneneinstrahlung sowie bestimmte Wetterlagen und Strömungsverhältnisse im Nordatlantik, wie sie für die Zukunft prognostiziert werden“, schreiben die Forschenden.
Auf extreme Dürre einstellen
„Wir müssen uns darauf einstellen, dass es im Zuge des Klimawandels in Deutschland zukünftig zu Extremdürren kommen kann, die in der modernen Land- und Forstwirtschaft enorme Schäden anrichten“, sagt Monica Ionita-Scholz.
In der Wissenschaft wird verbreitet davon ausgegangen, dass sich die nordatlantische Ozeanzirkulation abschwächen wird. „Kommt dann eine Phase geringer Sonnenaktivität durch die natürliche Variabilität hinzu, könnte dies ausgeprägte, Dekaden andauernde Megadürren bewirken, wie sie im vergangenen Jahrtausend aufgetreten sind – eine enorme Herausforderung für Gesellschaft und Politik“, so Monica Ionita-Scholz.