Digitalpakt in der Coronakrise: Schleppende Ausstattung der Schulen, doch Schüler-Geräte kommen an
Das Geld aus dem Digitalpakt für Schulen fließt weiter zäh ab. Schneller geht es nur beim Sonderprogramm für bedürftige Schüler - Berlin liegt leicht zurück.
Für die Digitalisierung der Schulen hat der Bund seit dem offiziellen Start des Digitalpakts vor zwei Jahren 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Fünf Milliarden waren zunächst dafür vorgesehen, weitere 1,5 Milliarden kamen seit den coronabedingten Schulschließungen für Schüler-Laptops und -Tablets, Endgeräte für Lehrkräfte und IT-Administratoren an den Schulen dazu. Die Länder geben zehn Prozent der Summen dazu.
Doch kommt das Geld auch bei denen an, die es in Zeiten des Distanzunterrichts so dringend brauchen? Das ist bislang nur im Sonderprogramm für Schüler und Schülerinnen der Fall, die zu Hause nicht über Endgeräte verfügen, mit denen sie am Unterricht teilnehmen können. Von den dafür im Sommer vergangenen Jahres bewilligten 500 Millionen Euro sind 376 Millionen Euro abgeflossen.
Insgesamt wurden bis zum Jahresende 2020 aber lediglich 488 Millionen Euro aus dem Digitalpakt Schule abgerufen. Das geht aus am Freitag vom Bundesbildungsministerium veröffentlichten Zahlen hervor. Sie wurden dem BMBF mit Stand am 31. Dezember 2020 von den 16 Ländern gemeldet; Stichtag für die Meldung war der 15. Februar.
Summe der bewilligten Mittel doppelt so hoch
Der Gesamtbetrag für bereits beantragte, aber noch nicht beim Bund abgerufene Mittel liege mit rund 875 Millionen Euro fast doppelt so hoch wie die abgeflossenen Summen, betont das Ministerium. Die bereits verausgabten und bewilligten Mittel beliefen sich damit auf insgesamt 1,363 Milliarden Euro. Bei der letzten Erhebung zum Stichtag 30. Juni 2020 waren erst 16 Millionen Euro abgeflossen und 242 Millionen Euro gebunden.
Acht Länder haben ihre Mittel aus dem Sofortausstattungsprogramm für Schülerinnen und Schüler bereits ausgeschöpft, heißt es: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein. Dass dagegen Thüringen noch auf Null steht, sei ein "Sonderfall", wie es am Morgen bei einem Hintergrundgespräch des BMBF und der Kultusministerkonferenz hieß.
Thüringen habe das Programm für Schüler-Geräte komplett vorfinanziert, die Geräte also angeschafft, aber noch nicht beim Bund abgerechnet. Aus Mecklenburg-Vorpommern hieß es, die Mittel seien zu 89 Prozent abgeflossen - an alle öffentlichen Schulen. Die elf Prozent Privatschulen hätten bislang keinen Bedarf angemeldet.
Berlin steht bei 61 Prozent für Schüler-Geräte
In Berlin sind einer Auflistung des BMBF zufolge 61 Prozent der Mittel für Schüler-Laptops geflossen. Im Oktober hatte die Bildungsverwaltung bekanntgegeben, dass Berlin aus dem Sofortprogramm des Bundes 25,7 Millionen Euro für mobile Endgeräte erhalte. Damit können in Berlin weitere 40.000 Tablets für sozial benachteiligte Schüler beschafft werden.
Beim Abruf der Förderung für die schulische Infrastruktur liegt die Hauptstadt sehr viel weiter zurück: Wie „Zeit online“ Ende Januar berichtete, waren von den 256,9 Millionen Bundesmitteln, die Berlin zur Verfügung stehen, erst 27 Millionen bewilligt worden - knapp elf Prozent.
Am Freitagnachmittag stellte der Sprecher von Schulsenatorin Sandra Scheeres klar, dass Berlin aktuell gut 45 Millionen Euro aus dem Digitalpakt bewilligt habe. "Die Mittelvergabe hat also an Fahrt aufgenommen."
Neben Thüringen ist das Saarland mit 5,2 Prozent offiziell abgerufener Mittel das Schlusslicht, gefolgt von Niedersachsen mit 25,1 Prozent und Sachsen-Anhalt mit 47 Prozent. Nordrhein-Westfalen hat bislang 51,4 Prozent der Mittel abgerufen.
Dass das Sonderprogramm für die Schüler:innen so gut anlaufe sei "wichtig, denn wir wollen alle Kinder und Jugendliche mitnehmen beim digitalen Lernen", erklärte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Ansonsten würden sich die Unterschiede zwischen den Leistungsstärkeren und den Leistungsschwächeren noch weiter vergrößern.
Die Diskrepanz zwischen dem "Basis-Digitalpakt", bei dem die Gelder weiterhin nur sehr spärlich an die Schulträger fließen, und dem Sofortprogramm für Schülergeräte erklärten Ländervertreter so: Zwar konnten seit Mai 2019 Medienkonzepte für den Ausbau der digitalen Infrastruktur der Schulen - von der WLAN-Einrichtung über bauliche Maßnahmen bis zur Ausstattung mit Whiteboards, Kameras und Lernsoftware - erarbeitet werden. Doch das brauche Zeit.
Man glaubte Zeit zu haben, dann kam Corona
Diese Zeit glaubte man anfangs auch zu haben, erläuterte eine Vertreterin aus Schleswig-Holstein. Das Land berate die Schulen bei den Medienentwicklungsplänen intensiv, um nachhaltige Konzepte zu garantieren - und gab ihnen eine Frist bis Ende 2022, um diese offiziell einzureichen. Doch dann kam Corona, und plötzlich musste der Unterricht umgehend digitalisiert werden, damit Distanzunterricht stattfinden konnte.
Insofern hätten die Ad-hoc-Digitalisierung und auch das Sofortprogramm für die Schülergeräte die Arbeit an den Medienkonzepten verzögert. Hinzu komme die schwierige Suche nach IT-Administratoren für die Schulen. Gleichwohl hätten Schulträger viel unternommen und seien dabei, die Anträge einzureichen.
Der "Peak" beim Mittelabfluss für den Basis-Digitalpakt sei für 2022/23 zu erwarten, sagte der Ländervertreter aus Mecklenburg-Vorpommern.
Wie das Sonderprogramm die Lehrkräfte-Laptops anläuft, konnte das Bundesbildungsministerium auf Nachfrage noch nicht sagen. Hier wurde die Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern im November 2020 beschlossen und Ende Januar unterzeichnet, wenngleich durch einen "vorzeitigen Maßnahmenbeginn" schon Mittel abgerufen werden können. Aber die Länder mussten dem Bund noch nicht darüber berichten.
Britta Ernst: Dienstgeräte sind auf dem Weg
Für Schleswig-Holstein erklärte die Ländervertreterin, dass bis zu den Osterferien entschieden werden solle, ob die Endgeräte für Lehrkräfte zentral über einen Dienstleister beschafft werden oder dezentral über die Schulträger. Stehe das fest, könnten die Lehrkräfte landesweit bis zum 1. August ausgestattet werden.
Brandenburgs Schulministerin Britta Ernst (SPD), die in diesem Jahr auch Präsidentin der Kultusministerkonferenz ist, zog eine positive Zwischenbilanz zum Digitalpakt: "Viele Länder haben in ihre Lernmanagementsysteme investiert, ihre Plattformangebote in puncto Kapazität und Inhalt ausgebaut und systematisch sichere Kommunikationswege etabliert - in Form von E-Mails für die Lehrkräfte, Videokonferenztools, Endgeräten für Schülerinnen und Schüler." Auch die Anschaffung von Dienstgeräten für Lehrkräfte sei auf dem Weg.