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Schweißtropfen bringen nichts, wenn sie tropfen. Sie müssen schon verdunsten.
© Gregor Fischer/dpa

Menschliche Klimaanlage am Limit: Mehr Schwitzen wird vielerorts bald nicht mehr helfen

Aufgrund der Klimaveränderungen wird Menschen ihre eigene natürliche Kühlung zunehmend nicht mehr vor dem Hitzetod bewahren können.

Heidi Klum schwitzt nicht. Zumindest nicht, wenn sie nicht will. Das behauptet sie zumindest immer wieder in Interviews. Offenbar hält sie Schwitzen für einen menschlichen Makel. Eigentlich verkünden sichtbare Schweißperlen auf der Haut oder eben auch jene unbeliebten Flecken im Textil aber nur, dass ein Körper seine natürliche und lebenswichtige Klimaanlage in Betrieb gesetzt hat. Allerdings hat auch diese praktische Kühlfunktion ihre Grenzen. Im Zuge des Klimawandels dürften sie in einigen Regionen der Erde immer öfter überschritten werden – und mehr und mehr Hitzetode verursachen.

Ein Thermostat im Kopf

Wenn der menschliche Körper zu heiß zu werden droht, weist der im Gehirn dafür zuständige Thermostat, der Hypothalamus, das vegetative Nervensystem an, aus speziellen kleinen Schweißdrüsen Wasser auszuschütten. Bis zu vier Millionen davon hat jeder Mensch. Was dann aus der Haut quillt, besteht zu über 99 Prozent aus Wasser, dazu kommen ein paar Salz-Ionen und Proteine.

Schwitzen ist ein wichtiger Faktor in der Energiebilanz des menschlichen Körpers. Die Muskeln können nur einen kleinen Teil der zugeführten Nahrungsenergie in Bewegung umwandeln. Der Großteil heizt die Muskeln nur auf. Weil die Körpertemperatur aber nur in engen Grenzen schwanken darf, müssen die Körper überschüssige Wärme möglichst schnell an ihre Umgebung abgeben. Dies geschieht überwiegend durch Wärmestrahlung und durch direkte Wärmeübertragung an die umgebende Luft. Je höher jedoch die Umgebungstemperaturen steigen, desto weniger Wärme kann ein Körper auf diese Weise abgeben. Und insbesondere, wenn dann auch noch die Muskeln bei körperlicher Arbeit oder Sport viel Wärme nachliefern, droht gesundheitsschädliche Überhitzung.

 Der Schweiß verdunstet, das kostet Energie, wodurch es kälter wird

Doch genau für diesen Fall hat die Evolution den Menschen eben mit jener Fähigkeit, über fast die ganze Körperoberfläche zu schwitzen ausgestattet, die wir nur mit wenigen andren Tierarten teilen. Die Kühlwirkung beruht auf dem physikalischen Prinzip des Verdunstens: Das Schweißwasser auf der Haut geht dabei nach und nach vom flüssigen Zustand in einen gasförmigen über. Im flüssigen Zustand sind die Wassermoleküle geringfügig miteinander verbunden. Beim Verdunsten überwinden manche Moleküle ihre Bindung und werden freie Gasmoleküle.

Schon diese Molekülbefreiung benötigt Energie. Doch damit ist der Energiebedarf der Verdunstung noch nicht gedeckt. Der bei der Verdunstung entstehende Wasserdampf muss sich gegen den vorhandenen Luftdruck ausdehnen. Und auch diese Volumenvergrößerung verschlingt wieder Energie. Insgesamt entzieht also die Verdunstung von Schweiß der Umgebung Energie. Deshalb wird es, wo Schweiß verdunstet, kühler. Und je kühler es über der Haut wird, desto mehr Wärme kann der Körper abgeben.  

Schwitzen in der Schwüle ist nicht cool

Die Schweißdrüsen können bei starker körperlicher Beanspruchung pro Stunde zwei bis drei Liter ausschütten. Doch wenn, wie in Schillers „Lied von der Glocke“, der Schweiß nur „von der Stirne heiß“ rinnt, stellt sich noch keine Kühlwirkung ein. Tropfender oder abgewischter Schweiß ist reine Energieverschwendung. Die Flüssigkeit muss tatsächlich verdunsten – und je mehr verdunstet, desto besser für die Körperkühlung.

Doch die Luft kann nur eine begrenzte Menge an Wasserdampf speichern. Je feuchter sie bereits ist, desto weniger Wasserdampf kann sie noch aufnehmen. Eine hohe Luftfeuchtigkeit bei gleichzeitig hohen Lufttemperaturen empfinden Menschen deshalb als unangenehm schwül: Man schwitzt zwar noch, die kühlende Verdunstung des Schweißes in die bereits feuchte Luft hinein ist aber nur noch beschränkt möglich.

Die Luft hat jedoch glücklicherweise eine Eigenschaft, die die Schwitzregulation gerade bei hohen Lufttemperaturen zusätzlich unterstützt: Je wärmer die Luft wird, desto mehr Wasserdampf kann sie speichern: Bei gleich viel Wassermolekülen sinkt, wenn die Luft wärmer wird, die „relative Luftfeuchtigkeit“.

 Die Kühlwirkung hängt von der Luftfeuchtigkeit ab

Doch auch das hat seine Grenzen. Vor allem in südlichen Ländern beobachten Meteorologen immer häufiger Hitzewellen, bei denen nicht nur die Temperatur hoch ist, sondern auch die Luftfeuchtigkeit. Um beurteilen zu können, ob auch dann die Körperkühlung durch Schweißverdunstung einen Menschen noch ausreichend vor Überhitzung schützen kann, genügt eine einfache Messung: Man wickelt einen nassen Lappen um ein Thermometer und hält ein nicht so bestücktes Thermometer daneben. Wegen der Verdunstung des Wassers aus dem Lappen zeigt das Thermometer im Vergleich zur äußeren Lufttemperatur eine tiefere „Kühlgrenztemperatur“ an. Man könnte sie auch „Wet-T-Shirt-Temperatur“ nennen. Denn mit nassgeschwitztem T-Shirts sinken die Werte an der Körperoberfläche ebenfalls entsprechend.

Auf welchen Wert die Kühlgrenztemperatur durch Verdunstung sinken kann, hängt direkt ab von jener „relativen Luftfeuchtigkeit“ ab. Beträgt sie zum Beispiel 20 Prozent, enthält die Luft nur ein Fünftel der Menge an Wasserdampf, die sie bei dieser Temperatur maximal speichern könnte, es kann dann also noch viel Schweiß in die Luft hinein verdunsten. Entsprechend tief sinkt dadurch die durch Verdunstung erzielbare Kühlgrenztemperatur. Bei einer Ausgangs-Lufttemperatur von 40 Grad Celsius beträgt sie 22 Grad. Doch schon bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 40 Prozent liegt die Kühlgrenztemperatur bereits bei 28 Grad.

Hohe Temperatur allein ist kein Problem, kritisch wird es erst bei hoher Luftfeuchte

Und ab hier wird es allmählich kritisch für den menschlichen Wärmehaushalt. Denn nur dann kann ausreichend viel Wärme an die Umgebung abgegeben werden, wenn die durch Verdunstung erzeugte Kühlgrenztemperatur deutlich unterhalb der Hauttemperatur liegt. Die sollte bei einem gesunden Menschen höchstens 35 Grad Celsius betragen.

Schon 2010 beschrieben die beiden Klimaforscher Steven Sherwood und Matthew Huber in einer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift "PNAS" die potenziell gefährlichen Folgen dieser thermodynamischen Tatsache: Hohe Temperaturen allein kann Homo sapiens aushalten; gegen hohe Temperaturen in Kombination mit hoher Luftfeuchtigkeit ist er jedoch nicht gefeit. Oberhalb einer bestimmten Kühlgrenztemperatur versagt unsere Körperkühlung. „Das Kühlgrenztemperatur-Limit ist der Punkt, an dem man überhitzen würde, selbst wenn man nackt, völlig nass und vor einem großen Ventilator im Schatten stehen würde“, wird Sherwood im Wissenschaftsmagazin „scinexx“ zitiert.

Dieses Limit liegt laut Sherwood und Huber bei 35 Grad. Selbst für einen gesunden Menschen endet der Aufenthalt an einem Ort mit einer Kühlgrenztemperatur von mehr als 35 Grad Celsius nach spätestens sechs Stunden tödlich.

Klimawandel: In 80 Jahren könnten ganze Landstriche unbewohnbar werden

Tod durch Hitzschlag in feuchter Hitze: Wie die beiden Wissenschaftler warnten, könnte diese bis jetzt noch kaum beachtete Folge des Klimawandels spätestens gegen Ende des Jahrhunderts ganze Landstriche unbewohnbar machen – falls die Temperaturen wie bisher weiter steigen.

Bis jetzt klettern die Kühlgrenztemperaturen auch in den heißesten Zonen der Erde in aller Regel jedoch nur selten über 31 Grad Celsius. Doch auch Kühlgrenztemperaturen von 28 Grad Celsius sind bereits nur noch schwer zu ertragen. Denn auch dann schon kann der Körper nur noch wenig Wärme abgeben; als Folge droht zum Beispiel Bauern bei längerer Arbeit auf dem Feld Überhitzung bis zum Hitzschlag. Laut einer neueren Studie von Eun-Soon Im und Kollegen in der Fachzeitschrift „Science Advances“ liegen aber die Hotspots hoher Kühlgrenztemperaturen unter anderem ausgerechnet in dichtbesiedelten Agrarregionen in den Tälern des Ganges in Indien und des Indus in Pakistan.

Künftig dürfte die "Kühlgrenztemperatur" in der Wettervorhersage selbstverständlich sein

Die extremsten feuchten Hitzewellen während der vergangenen Jahre trafen jedoch Regionen rund um den Persischen Golf. Bei einer dieser Hitzewellen stieg die Lufttemperatur in der iranischen Stadt Bandar Mahshahr am 31. Juli 2015 auf 46 Grad Celsius. Es war feuchte Meeresluft mit einer bei dieser Temperatur hohen relativen Luftfeuchtigkeit von knapp 50 Prozent. Gegen 16.30 Uhr Ortszeit näherte sich deshalb die Kühlgrenztemperatur der Schwelle von 35 Grad Celsius. Dies ist eine deutliche Warnung, dass als Folge der Klimaerwärmung auch die Kühlgrenztemperaturen auf Werte steigen werden, die Menschen nur noch schlecht oder gar nicht mehr ertragen können.

Ganze Regionen der Erde könnten dadurch zumindest zeitweise unbewohnbar werden – und dies vielleicht schon früher als befürchtet. Bewahrheitet sich diese Vorhersage, wird der Lebensraum für Menschen nicht nur durch steigende Meeresspiegel kleiner werden, sondern auch durch feuchte Hitzewellen. Vermutlich wird die Angabe der Kühlgrenztemperatur spätestens in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts genauso zur Wettervorhersage in südlichen Ländern gehören wie heute „normale“ Lufttemperaturen. Und auch in den USA werden sich die Menschen wohl bald an Warnungen vor hohen „wet-bulb-temperatures“ gewöhnen müssen: Wie ein Forscher-Team um Colin Raymond von der Columbia University 2017 im „Journal of Geophysical Research“ darlegte, sind Kühlgrenztemperaturen von über 28 Grad Celsius vor allem im Mississippi-Tal bis hinauf zu den Großen Seen mittlerweile keine Seltenheit mehr.

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