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Zwei Eltern, drei Kinder. Während der fünfjährige ältere Bruder nur drei Zähne, wenige Haare und keine Schweißdrüsen hat, konnten diese Symptome einer Erbkrankheit bei seinen beiden Brüdern stark gelindert werden. Die Zwillinge zeigen beispielsweise eine normale Schweißproduktion
© Uni-Klinikum Erlangen

Genetisch bedingtes Leiden: Deutsche Mediziner therapieren Erbkrankheit im Mutterleib

Erlanger Mediziner haben bei drei Kindern erstmals eine bestimmte Erbkrankheit erfolgreich behandelt – per Injektion in das Fruchtwasser der Mutter.

Was Erlanger Mediziner heute öffentlich machen, geschah bereits vor mehr als zwei Jahren. Erst mussten sie mit guten Argumenten eine Ausnahmegenehmigung bei der zuständigen Ethikkommission einholen, dann spritzten sie bei zwei schwangeren Frauen - eine davon mit Zwillingen - ein Protein in das Fruchtwasser. Die Argumente lauteten, dass die Kinder sonst kaum Haare und Zähne haben würden - und überhaupt keine Schweißdrüsen, was bei Hitze lebensgefährlich sein kann.

Kinder bilden normale Schweißdrüsen

Den Eiweißstoff, den die Föten aufgrund einer Erbkrankheit namens "ektodermale Dysplasie" selbst nicht bilden konnten, tranken sie mit dem Fruchtwasser. Das führte dazu, dass sie unter anderem Anlagen für normale Zähne und Schweißdrüsen ausbildeten. Die Erlanger Ärzte schafften es damit weltweit als erste überhaupt, diese Krankheit erfolgreich zu therapieren.

Die behandelten Kinder, über die die Mediziner Holm Schneider und Florian Faschingbauer jetzt im "New England Journal of Medicine" berichten, sind derzeit etwa zwei Jahre alt. Bei einem sei die Schweißproduktion "ausreichend", bei den Zwillingen sogar "normal".

Studien sind geplant und von Stiftung finanziert

Die Therapie im Mutterleib war notwendig, weil nach der Geburt die Entwicklung schon so weit fortgeschritten ist, dass sich die Anlagen und Organe nicht mehr bilden können. Zudem war ein Schlüssel für den Erfolg, dass dass helfende Protein namens EDA1 an Antikörper gekoppelt war.

Ungeborene und Säuglinge haben Strukturen im Darm, die es ihnen ermöglichen, Antikörper in die Blutbahn zu schleusen. Das hat den Sinn, diese Abwehrmoleküle etwa über die Muttermilch aufnehmen zu können während einer Zeit, in der das kindeseigene Immunsystem noch nicht voll funktionsfähig ist.

Die beiden Ärzte haben nun vor, eine erste echte Studie mit weiteren Ungeborenen, die nachweislich zu ektodermaler Dyplasie führende Gendefekte tragen, zu beginnen. Beinahe wären diese Pläne allerdings gescheitert, da es mittlerweile keine Firma mehr gibt, die das Proteinmolekül in medizinisch verwendbarer Form herstellt. "Wir haben in der Schweizer Stiftung "Esperare" zum Glück nun einen Partner gefunden, der die Herstellung finanzieren wird", sagt Schneider im Gespräch mit dem Tagespiegel.

Potenzial bei anderen Krankheiten

Er sieht für die Zukunft für diese und ähnliche Methoden auch Potenzial bei anderen Erkrankungen. So könnten etwa bestimmte erbliche Formen von Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten so behandelt und den kleinen Patienten spätere Operationen erspart werden. Auch Stoffwechselkrankheiten, die schon im Mutterleib zu Schäden führen, könnte man so rechtzeitig zu therapieren beginnen.

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