„Unanständig und nicht akzeptabel“: Lambrecht empört über Stopp von Mietzahlungen finanzstarker Firmen
Handelsketten wie Deichmann, H&M oder Adidas zahlen keine Miete mehr. Die Coronavirus-Hilfsgesetze böten dafür keine Grundlage, sagt die Justizministerin.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) kritisiert große Firmen für die Aussetzung von Mietzahlungen für ihre Ladengeschäfte wegen der Coronavirus-Krise. „Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel“, sagte sie am Samstag in Berlin. Die Coronavirus-Hilfsgesetze böten dafür keine Grundlage. Es gelte weiterhin: „Mieter müssen selbstverständlich ihre Miete zahlen. Falls sie tatsächlich infolge der Krise in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten geraten, kann ihnen lediglich für einen begrenzten Zeitraum nicht gekündigt werden.“
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Gerichte könnten überprüfen, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen, fügte Lambrecht hinzu. Mieter seien gut beraten, mit ihren Vermietern nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen, wenn sie tatsächlich in Zahlungsschwierigkeiten seien.
Zuvor hatten bekannte Handelsunternehmen wegen der angeordneten Ladenschließungen die Mietzahlungen für ihre Filialen in Deutschland eingestellt. Darunter sind Handelsketten wie Deichmann und H&M sowie Markenhersteller wie Adidas. Deichmann sprach von einer „präventiven Maßnahme, um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten“.
Der Bundestag hatte am Mittwoch besonderen Schutz für Schuldner und Mieter beschlossen. Schuldner, die wegen der Corona-Pandemie ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllen können, erhalten die Möglichkeit, ihre Leistung einstweilen zu verweigern oder einzustellen. Für Verbraucher und Kleinstunternehmen soll so gewährleistet werden, dass sie nicht von Leistungen mit Strom, Gas und Telekommunikation abgeschnitten werden.
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Derzeit kann ein Vermieter das Mietverhältnis kündigen, wenn zwei Monate in Folge keine Miete gezahlt wird. Das Gesetz verbietet solche Kündigungen vom 1. April bis 30. Juni, die Regelung kann zunächst bis Ende September verlängert werden. Die säumigen Mieter müssen die Mietzahlungen allerdings nachholen.
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Lambrecht (SPD) sagte im Bundestag, viele Menschen hätten wegen Einkommensverlusten Angst, ihre Wohnung zu verlieren. Dabei sei die Wohnung bei einer Einschränkung der Bewegungsfreiheit "der Rückzugsort, an dem sie sich aufhalten müssen". Laufe noch ein Darlehen des Vermieters, solle auch die Rückzahlung ausgesetzt werden können.
Im Bereich des Insolvenzrechts soll die Antragspflicht bis zum 30. September 2020 ausgesetzt werden, sofern die Insolvenz wegen der Corona-Krise droht. Zudem sollen Anreize geschaffen werden, den betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen und die Geschäftsbeziehungen zu diesen aufrecht zu erhalten. Für einen dreimonatigen Übergangszeitraum wird auch das Recht der Gläubiger suspendiert, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen. (dpa, AFP)