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Studierende aus dem Ausland dürfen aktuell in Deutschland nur einreisen, wenn sie für ihr Studium an der Hochschule präsent sein müssen. 
© DPA/DPAWEB
Update

Studium in der Coronakrise: Keine Visa für Onlinestudium

Nach der Empörung über den geplanten Einreisestopp für ausländische Studierende die USA gibt es in Deutschland eine ähnliche Regelung. Die Unis wollen im Einzelfall prüfen.

Studierenden aus dem Ausland bleibt die Einreise nach Deutschland im Wintersemester verwehrt, wenn sie nicht nachweisen können, dass für ihren Studiengang eine Präsenzpflicht besteht. Das geht aus einer Antwort des Bundesbildungsministerium auf eine Anfrage der Grünen hervor, über die am Freitag zunächst das ARD-Hauptstadtstudio berichtete.

Demnach können Ausländer, die einen Studienplatz in Deutschland haben, nur dann einreisen, wenn ihr Studium aufgrund von Präsenzpflichten nicht aus dem Ausland möglich ist. „Die Einreise zu einem Online- oder Fernstudium ist weiterhin nicht vorgesehen“, heißt es in der Antwort, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Sowohl im Visumsverfahren als auch als bei Grenzkontrollen werden demnach Bescheinigungen über ein Präsenzstudium gefordert. Auf den Seiten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) finden sich die Vorgaben bereits. 

Kritik an den Vorgaben der Bundesregierung

Das Vorgehen der Bundesregierung stößt auf Kritik, gab es doch einen lauten Aufschrei, als US-Präsident Donald Trump im Juli angedroht hatte, ausländische Studierende auszuweisen, die ihr Studium auch online absolvieren können.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte die Pläne der USA kritisiert.
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte die Pläne der USA kritisiert.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Die mittlerweile wieder zurückgenommene Regelung der USA hatte auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) scharf kritisiert: „Wissenschaft und Forschung leben vom Austausch, gerade vom internationalen Austausch“, sagte sie. Das müsse auch in Zeiten der Pandemie gelten. Die Grünen bemängeln nun, dass Deutschland jetzt ähnlich restriktiv vorgehe, wie es die USA geplant hatten.

[Warum im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr mehr Studierende in Berlin ihr Studium abgebrochen haben, lesen Sie hier]

Der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring, der die Anfrage an das  Bundesbildungsministerium gestellt hatte, sagte der ARD, es sei eine „irrige Annahme“, dass ein Studienaufenthalt nur für den Besuch von Vorlesungen und Seminaren gedacht sei. „Austausch dient auch dazu, Kultur und Gesellschaft des Gastlandes kennenzulernen“, sagte er.

Die Grünen sprechen von Doppelmoral

Vor dem Hintergrund der Kritik an den geplanten Ausweisungen in den USA sprach Gehring von „Doppelmoral“. Der  Bundesverband ausländischer Studierender bemängelte zudem, dass Studierende in ihren Heimatländern vielleicht Online-Seminare belegen könnten, ihnen aber in manchen Fällen Zugang zu den Bibliotheken fehle.

Verbandssprecher Kumar Ashish schlägt vor, alle ausländischen Studierenden mit einem negativen Corona-Test einreisen zu lassen.

Unterdessen ist die neue Einreiseregelung allerdings schon in Kraft. Wegen der in der Corona-Pandemie verhängten Grenzsperrungen konnten ausländische Studierende bereits seit dem 17. März nicht mehr einreisen. Die neue Regelung mit dem Nachweis von Präsenzpflichten im Studium gilt laut Bundesbildungsministerium seit dem 2. Juli. 

FDP: Pauschales Einreiseverbot völlig überzogen

FDP-Bildungsexperte Jens Brandenburg erklärte, die Bundesregierung lege mit ihrer „bürokratischen Engstirnigkeit die Axt an den internationalen Studierendenaustausch".  Ein pauschales Einreiseverbot für Studierende unabhängig von Corona-Testergebnissen und Risikogebieten sei völlig überzogen.

Nach Donald Trump erpresse nun offenbar auch die Bundesregierung weltoffene Hochschulen mit einem Einreisestopp für ihre Studierenden. „Das ist beschämend", so Brandenburg. Ministerin Karliczek dürfe sich jetzt nicht wegducken: „Sie sollte die internationale Wissenschaftsmobilität selbstbewusst verteidigen.“

Der studentische Bundesverband fzs fordert die Bundesregierung auf, die Einreisebestimmungen für internationale Studierende anzupassen. Es dürfe nicht sein, dass Studierenden ein Visum verweigert werde, nur weil ihre Hochschulkurse online stattfinden.

„Wir sind geschockt, dass es überhaupt zu dieser Verfahrensweise gekommen ist", erklärte Leonie Ackermann aus dem Vorstand des fzs. Kambiz Ghawami vom World University Service (WUS) sieht die deutsche Regelung als ein „Lehrbeispiel krasser Doppelmoral und völliger Ignoranz", was Auslandsstudium und Austauschprogramme bedeuten würden.

Hochschulvertretung: Einreise im Einzelfall prüfen

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sieht die Angelegenheit etwas differenzierter. Die aktuelle Regelung in Deutschland sei nicht wirklich neu und auch nicht vergleichbar mit der im Juli geplanten Visa-Neuregelung der USA, die seinerzeit von der HRK kritisiert worden war.

"Keinesfalls würden etwa internationale Studierende, die sich aktuell in Deutschland aufhalten, aufgefordert, im Falle eines reinen Online-Studiums auszureisen“, sagte ein HRK-Sprecher dem Tagesspiegel. Dass man nur einreisen darf, wenn der gewählte Studiengang Präsenzanteile enthalte, sieht man hier als weniger problematisch:  „Das dürfte überwiegend der Fall sein.“

Nach dem umfassend digitalen Sommersemester würden die Hochschulen im Wintersemester eine Mischung aus Präsenz- und digitaler Lehre anstreben, erklärt der HRK-Sprecher. Daher plädiere die HRK dafür, die Notwendigkeit einer Einreise im Einzelfall zu prüfen.

[Erneutes Digitalsemester? Was Hochschulen bundesweit zum Wintersemester planen, lesen Sie hier: "Die Uni darf nicht zum Corona-Hotspot werden"]

Berlin will so viel Präsenzveranstaltungen wie möglich

Bei der Berliner Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten (LKRP) sieht man die Lage allerdings kritischer. Christian Thomsen, Präsident der TU Berlin und LKRP-Vorsitzender sagte dem Tagesspiegel, dass man die neue Visaregelung nicht begrüße.

Es sei doch hilfreich für die Studierenden, in Deutschland zu sein: „Sie erleben unsere Kultur, den Austausch und erlernen die Sprache." Auch das gehöre zur Bildung von jungen Menschen unbedingt dazu.  „Wir benötigen eine Visa-Politik in Deutschland, die weiterhin die Wichtigkeit des internationalen Austausches und die Fachkräftegewinnung unterstützt:  Für unseren Standort ist das essentiell.“ 

Thomsen kündigte zudem an, dass die Berliner Hochschulen so viel Präsenzveranstaltungen wie unter Pandemiebedingungen möglich anbieten wollen. Die Hochschulen und Universitäten würden sich sehr gewissenhaft auf das Wintersemester vorbereiten, damit neben digitalen Angeboten auch Präsenzveranstaltungen und Prüfungen vor Ort angeboten werden können: "Denn in jedem Studiengang gibt es Lehrveranstaltungen und Prüfungen, die nicht digital angeboten werden können und daher in Präsenz stattfinden müssen.“ 

Sorge vor Engpass bei Visa-Vergabe

Die HRK befürchtet indes an ganz andrer Stelle einen Engpass bei der Einreise von internationalen Studierenden. In vielen Ländern könnten durch nur eingeschränkt tätige oder gar geschlossene deutsche Konsulate erhebliche Probleme bei der Beantragung und Bewilligung von Visa entstehen. Aus Sicht der HRK sei es daher sehr wichtig, dass hier die notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden: „Die Internationalität an den deutschen Hochschulen muss auch in diesen schwierigen Zeiten erhalten bleiben.“

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