Lauterbach warnt wegen Coronavirus: „In der Bevölkerung hat man den Gong noch nicht gehört“
Lauterbach hat kein Verständnis dafür, dass viele die Coronavirus-Krise noch nicht ernst nehmen. Der SPD-Experte erwartet Einschränkungen wie in Italien.
Der SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach hat angesichts der rasanten Ausbreitung des Coronavirus auch in Deutschland davor gewarnt, die Situation zu beschwichtigen oder zu verharmlosen. Dafür sei keine Zeit mehr, sagte er am Mittwochabend in der ARD-Talkshow "Maischberger. Die Woche".
"Wir müssen davon ausgehen, dass wir sieben- bis zehnmal so viel Infizierte haben, als uns aktuell bekannt ist", sagte Lauterbach. Durch die Verzögerung der Laborergebnisse, die Inkubationszeit des Coronavirus und den vermutlich vielen Erkrankten, die keine Symptome spürten, sei die Zahl der infizierten Personen in Deutschland wahrscheinlich sehr viel höher. "Ich würde ab dem Wochenende mit deutlich höheren inoffiziellen Zahlen im sechsstelligen Bereich rechnen", warnte der SPD-Gesundheitsexperte.
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Dass man die Kurve der Neuerkrankungen niedriger halten könne als in Italien, könne er sich ohne weitere Einschränkungen nicht mehr vorstellen, sagte Lauterbach weiter. In Köln habe er die Menschen am Nachmittag noch bei "bombiger Stimmung" den Frühling genießen sehen. Er habe den Eindruck, "dass in der Bevölkerung der Gong noch nicht gehört wurde, wie stark wir die sozialen Kontakte einschränken müssen", um die Zahlen der Infizierten einschränken zu können. Er hoffe, dass die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Wirkung zeigen werde.
Merkel hatte zuvor in einer TV-Ansprache an die Nation gesagt, die Krise habe eine historische Dimension. "Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg, gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt."
Angesichts der gefährlichen Coronavirus-Epidemie mahne Merkel: "Halten Sie sich an die Regeln." Die sozialen Kontakte müssten auf ein Minimum heruntergefahren werden, damit sich das Virus nicht zu schnell ausbreite und das Gesundheitssystem nicht überlastet werde. Dabei sei Disziplin gefragt.
Lauterbach gab in der Sendung zu, die Situation aufgrund der sich so rasant verändernden Lage anfangs nicht immer richtig eingeschätzt zu haben. "Mir bricht da kein Zacken aus der Krone, ich habe das schnelle Anfluten der Fälle nicht gesehen", sagte Lauterbach. Generell sei es ein großer Fehler gewesen, vermeintlich harmlose Verläufe bei jüngeren Menschen als Erkältung abzutun. Nach neuen Erkenntnissen wisse man, dass selbst diese nachhaltige Folgeschäden in der Lunge verursachen könnten.
In der Talkrunde waren neben Lauterbach NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die Infektiologin Susanne Herold, Uwe Janssens (Chefarzt einer Intensivstation), Markus Gürne (Leiter der ARD-Börsenredaktion) und die langjährige Gesundheitsamtsleiterin Ute Teichert vertreten.