Embryospende: Ganz am Anfang: Adoption
Die Spende "überzähliger" Embryonen ist nicht verboten - aber auch nicht gesetzlich geregelt. Das wäre aber nötig, sagt der Deutsche Ethikrat.
Fünf Eltern und ein Baby, das ist heute durchaus denkbar: Ein Samenspender und eine Eizellspenderin könnten einen Embryo zeugen, den eine Leihmutter austrägt. Ein soziales Elternpaar würde sich anschließend um die Babys kümmern. Eizellspende und Leihmutterschaft sind in allerdings in Deutschland verboten. Zum einen aufgrund der Befürchtung, dass aus beidem ein problematisches Geschäftsmodell werden kann, zum anderen wegen des Problems der „gespaltenen Mutterschaft“.
Ganz anders sieht es aus, wenn Paare einen kältekonservierten Embryo, der im Zuge ihrer Kinderwunsch-Behandlung entstanden ist und den sie aus bestimmten Gründen nicht mehr verwenden können, um selbst ein Kind zu bekommen, nun einem anderen Paar überlassen, das sich sehnlich ein Kind wünscht. Ein solches Vorgehen könnte man als Akt der Solidarität betrachten. Auch wenn es für Kommerzialisierung weniger anfällig ist, ist es aber nicht ohne ethische und juristische Tücken. Mit seiner gestern vorgestellten Stellungnahme „Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung“ nimmt der Deutsche Ethikrat schon im Titel die drei Parteien in den Blick, die betroffen sind: die genetischen Eltern, das „Empfänger“-Elternpaar, dessen weiblicher Teil mit Schwangerschaft und Geburt – anders als bei einer herkömmlichen Adoption - auch eine biologische Rolle übernimmt, und nicht zuletzt das denkbar früh angenommene Wunschkind.
Zum Netzwerk Embryospende gehören 21 reproduktionsmedizinische Zentren
Mindestens neun dieser früh adoptierten Kinder leben inzwischen in Deutschland, 45 Embryotransfers hat es in Deutschland gegeben, im Rahmen des 2013 gegründeten Vereins „Netzwerk Embryospende“, zu dem mittlerweile 21 reproduktionsmedizinische Zentren gehören. Die Spende „überzähliger“ Embryonen wird vom seit 1991 gültigen Embryonenschutzgesetz nicht verboten, sie ist jedoch bislang auch gesetzlich nicht geregelt. Einen solchen Rahmen zu schaffen, empfiehlt nun der Ethikrat in seiner Stellungnahme. Gesetzliche Regelungen seien nötig, „da es um grundlegende Fragen der familiären Struktur geht, um die Zuteilung von Lebens- und Entwicklungschancen von Kindern und die Möglichkeit, elterliche Verantwortung zu übernehmen“. So sollen nur befruchtete Eizellen gespendet werden, die „überzählig“ wurden, weil sie aus verschiedenen Gründen einer Frau mit Kinderwunsch nicht übertragen werden konnten. Beide Partner der in-vitro-Befruchtung müssen mit der Spende einverstanden sein, als Empfänger kommen nach der Vorstellung des Ethikrates vorwiegend Paare in Frage, die gemeinsam Verantwortung für das Kind übernehmen wollen.
Alleinstehende Frauen sind nach Ansicht der Mehrheit des Rates jedoch „nicht von vorne herein auszuschließen“. Eine Minderheit von drei Ratsmitgliedern sieht eine Ehe, möglicherweise auch eine Verpartnerung gleichgeschlechtlicher Paare als Voraussetzung. Von zentraler Bedeutung ist für alle das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung. Es soll ein wichtiges Thema bei den für beide Paare verpflichtenden Beratungsgesprächen bilden. Ab einem Alter von 16 Jahren sollen die Heranwachsenden bei einer zentralen Dokumentationsstelle, bei der die Daten 110 Jahre aufbewahrt werden, Informationen einholen können. Auch darüber, ob sie eventuell genetische Geschwister haben. Was die Erwachsenen betrifft, so soll es ihnen freistehen, sich vor der Spende kennenzulernen oder aber die anonyme Spende und Adoption zu wählen.
Eine Insel pragmatischer Mitmenschlichkeit
Im Dauerbrenner-Streit um den „moralischen Status des Embryos“ – abgestufter Lebensschutz oder voller Schutz des Lebensrechts von Anfang an? – bildet die Idee der Spende und Adoption wohltuende Insel pragmatischer Mitmenschlichkeit. Über dem Thema lastet allerdings die Frage, warum es überhaupt „überzählige“ Embryonen gibt. Das Embryonenschutzgesetz legt einerseits fest, dass bei einer In-vitro-Befruchtung höchstens drei befruchtete Eizellen eingesetzt werden dürfen. Andererseits ist vorgesehen, dass Embryonen nur zu diesem Zweck erzeugt werden dürfen. Der Ethikrat wünscht sich eine Klärung der Frage, ob sich daraus eine strikte „Dreierregel“ ableiten lässt. 14 Mitglieder plädieren für eine strikte Auslegung, zwölf für eine erweiterte, die im Einzelfall dann eine Kryokonservierung von Embryonen nach sich ziehen könnte. In einem Minderheitsvotum warnen drei Mitglieder allerdings davor, dass so „ständig neue rettungsbedürftige Embryonen“ entstehen könnten.
Eine weitere Frage hat der Ethikrat diesmal bewusst ausgeklammert, weil auch hier der Gesetzgeber Klarheit schaffen müsste: Sollen auch befruchtete Eizellen im Vorkernstadium, die heute in größerer Anzahl für spätere Behandlungszyklen kältekonserviert werden und in denen die Chromosomensätze der genetischen Eltern noch durch dünne Membranen getrennt sind, für Spende und Adoption in Frage kommen?
Adelheid Müller-Lissner