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Franziska Giffey
© imago images/Christian Spicker
Update

Plagiatsverfahren um Doktorarbeit: FU Berlin rollt den Fall Giffey neu auf

Die Freie Universität Berlin will ihre Rüge zu Plagiaten in der Doktorarbeit von Bundesfamilienministerin Giffey zurückziehen – und dann neu entscheiden.

Das Plagiatsverfahren im Fall von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) an der Freien Universität wird neu aufgerollt. Wie die FU am Freitagmittag mitteilte, beabsichtigt das Präsidium der Hochschule seine Rüge-Entscheidung vom 30. Oktober 2019 im Zusammenhang mit dem Prüfverfahren der Doktorarbeit von Franziska Giffey aufzuheben und erneut gemäß dem Berliner Hochschulgesetz zu entscheiden.

Somit könnte die künftige Berliner SPD-Vorsitzende nun doch noch ihren Doktortitel verlieren. Eine Sprecherin von Giffey sagte dem Tagesspiegel am Freitag, dass die Ministerin die Entscheidung der Freien Universität zur Kenntnis nehme.

Die FU hatte gegen Giffey 2019 trotz festgestellter Plagiate „nur“ eine Rüge ausgesprochen und entzog ihr den Doktortitel nicht. Der Verwaltungsrechtler Ulrich Battis gab der FU dahingehend recht, dass prinzipiell eine Rüge in minderschweren Fällen sehr wohl gestattet sei - obwohl eine Rüge im Berliner Hochschulgesetz eigentlich nicht vorgesehen ist. Die FU teilte nun mit, dass ein minderschwerer Fall "im Schlussbericht des Prüfungsgremiums für die Dissertation nicht dargetan worden" sei und daher eine erneute Prüfung durchzuführen sei.

Battis äußerte sich allerdings nicht zu der Frage, wie er den Fall Giffey einschätzt – ob dieser in seinen Augen tatsächlich nur "minderschwer" und für eine Rüge geeignet ist. Die Prüfer der FU sahen immerhin eine „objektive Täuschung“ an 27 Stellen.

Um das Vorgehen der FU im Fall Giffey wird wie berichtet heftig debattiert. Der wissenschaftliche Dienst des Abgeordnetenhauses hatte es im Sommer mit Bezug auf die im Berliner Hochschulgesetz nicht vorgesehene Rüge für nicht zulässig erklärt. Zu dem gleichen Ergebnis kam unlängst auch der Jurist Klaus Gärditz im Auftrag der oppositionellen CDU.  Eine  Rüge sei nicht rechtens gewesen, vielmehr hätte das FU-Präsidium Giffey eigentlich den Doktorgrad entziehen müssen.

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Giffey wird von der FU nun die Möglichkeit der Stellungnahme zur beabsichtigten Aufhebung der Rüge-Entscheidung gewährt. Die FU war von Giffey Anfang Februar 2019 um die Einleitung eines formellen Prüfungsverfahrens hinsichtlich ihrer Dissertation „Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft“ gebeten worden.

FU-Präsidium folgte mit Rüge dem Prüfgremium

Dem Vorschlag des nach dem Berliner Hochschulgesetz eingesetzten Prüfgremiums folgend hatte das Präsidium der Freien Universität Berlin am 30. Oktober 2019 beschlossen, Franziska Giffey für ihre Dissertation eine Rüge zu erteilen.

Der Jurist Gerhard Dannemann, der das Plagiatsverfahren im Fall Giffey über die Plattform VroniPlag Wiki ins Rollen gebracht hat, sagte dem Tagesspiegel, dass sich eine erneute Prüfung anbiete, weil der Bericht des FU-Gremiums den Fall Giffey bisher nicht als einen "minderschweren" Fall bewertet hat. "Vielmehr zielt dieser Bericht vor allem darauf ab, dass nach Abzug der Plagiatsstellen noch genügend eigene wissenschaftliche Leistung übrigbleibe."

Das widerspreche allerdings der jahrzehntelangen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, der zufolge eine so genannte "geltungserhaltende Reduktion" nicht zulässig ist und immer die eingereichte Arbeit zu bewerten ist, nicht eine hypothetische ohne die beanstandeten Passagen.

[Seit ihrer Zeit als Neuköllner Bürgermeisterin gilt Giffey als volksnah. Was tut sich in den Berliner Bezirken? Darüber berichten wie in unseren Leute-Newslettern, die Sie hier kostenlos bestellen können: leute.tagesspiegel.de]

"Wenn die FU sich erneut mit dem Fall befasst, eröffnet sich damit auch die Gelegenheit, das jüngste Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin im Fall Steffel heranzuziehen", sagte Dannemann. Dies dürfte zu der Frage, was ein "minderschwerer Fall" wäre und ob das Verwaltungsgericht zur Rüge die Ansicht von Battis oder von Gärditz teilt, etwas aussagen. 

"Was das Verwaltungsgericht Berlin befindet, ist für die FU wichtiger als das, was Herr Battis oder Herr Gärditz meinen", sagte Dannemann.

Entscheidung wird für SPD zur Hängepartie 

Die Entscheidung der FU kommt für den Landesverband zur denkbar ungünstigsten Zeit. Ende November sollte ein Machtwechsel in der Partei vollzogen werden, Michael Müller den Landesvorsitz an Giffey und Raed Saleh übergeben. Jetzt werde die Hängepartie um ihre Doktorarbeit die künftige Spitzenkandidatin „wie ein Schatten durch das Wahlkampfjahr begleiten“, hieß es aus Parteikreisen.

Noch im vergangenen Jahr hatte Giffey ihren Rücktritt als Ministerin in Aussicht gestellt, falls ihr der Titel aberkannt werden würde.

SPD versucht die Lage zu beruhigen

In der Landespartei wurde am Freitag versucht, Ruhe zu verbreiten. Der Verwaltungsrechtler Ulrich Battis, hieß es, habe der FU ja dahingehend recht gegeben, dass eine Rüge prinzipiell gestattet gewesen sei. Eine Entscheidung darüber, inwiefern ihr der Doktortitel aberkannt werden könnte, sei mit der Neuaufnahme des Verfahrens überhaupt nicht gefallen, bemühte man sich zu betonen. 

Jörg Stroedter, Kreisvorsitzender in Reinickendorf, sagte etwa: „Franziska Giffey ist eine gute Ministerin und ich freue mich, dass sie demnächst Landesvorsitzende wird.“ Wer sich umhörte, bekam aber auch zuhören, dass die Neuaufnahme des Verfahrens „keine gute Nachricht für die SPD“ sei. Es sei wichtig, die „schwerwiegenden Vorwürfe“ auszuräumen, hieß es aus Parteikreisen. Das könnte allerdings Monate dauern – womöglich bis nach der Wahl im kommenden Herbst.

CDU kritisiert Müller wegen Giffey-Rüge

Der forschungspolitische Sprecher der CDU, Adrian Grasse, bezeichnete die Entscheidung der FU erwartungsgemäß als richtig. „Das Verfahren muss neu aufgerollt werden, um Schaden vom Wissenschaftsstandort Berlin abzuwenden. Die Erteilung der Rüge war rechtswidrig“, sagte Grasse. „Daher ist zu begrüßen, dass die Universität ihre Fehlentscheidung eingesteht und tätig wird.“ 

Grasse ist der Auffassung,  die für den Wissenschaftsbereich zuständige Senatskanzlei unter Michael Müller (SPD) habe ihre Rechtsaufsicht nicht ausreichend wahrgenommen. Ein Sprecher der Wissenschaftsverwaltung sagte auf Anfrage: „Wir äußern uns nicht zur Entscheidung der FU, es gilt Wissenschaftsfreiheit.“

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