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Bund und Länder in der Wissenschaft: Gleich nach der Regierungsbildung muss geklärt werden, wie es mit den großen Pakten und ihrer Finanzierung weitergeht.
© Armin Weigel/dpa

Wissenschaftsfinanzierung: Finanzen aus den Fugen

In der Forschungsförderung herrscht eine Schieflage. Die bewährte Aufteilung zwischen Bund und Ländern gerät ins Wanken. Die Länder müssen wieder mehr tun. Ein Gastbeitrag von Hans-Gerhard Husung

Bis 2020 müssen die Weichen für die Gemeinschaftsfinanzierung des Bundes und der Länder für Wissenschaft und Forschung neu gestellt werden. Der Hochschulpakt, der Pakt für Forschung und Innovation (PFI) und die Programmpauschale der DFG mit einem milliardenschweren Finanzvolumen werden dann auslaufen. Die neue Bundesregierung muss sofort zusammen mit den Ländern bis zum Herbst 2018 entscheiden, wie es für die Wissenschaft weitergehen soll. Neben dem „Was“ und „Wie viel“ wird es auch um die Frage gehen, wer welchen Anteil übernimmt.
Hier haben die Länder mit ihrer Entscheidung, dem Bund ab 2016 die Finanzierung des PFI allein zu überlassen, eine besondere wissenschaftspolitische Herausforderung kreiert. Sie haben damit für alle institutionell geförderten Forschungsträgerorganisationen (Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer Gesellschaft, Helmholtz Gemeinschaft, Leibniz Gemeinschaft) und die DFG die bewährte Finanzierungsstruktur der Gemeinschaftsaufgabe Forschungsförderung unter erhebliche Spannung setzt. Vergleichbares gilt zudem für die Programmpauschale, die es der DFG ermöglicht, bewilligte Projekte mit einem Overhead von 22 Prozent auszustatten. An ihrer Finanzierung beteiligen sich die Länder mit weniger als zehn Prozent.

Bund und Länder waren gleichermaßen am Gedeihen der Wissenschaft interessiert

Warum Spannung? Die Gemeinschaftsaufgabe Forschungsförderung nach Artikel 91b Grundgesetz geht von einem Gleichgewicht von Bund und Ländern aus. Seit 1975 sind entsprechend für die Finanzierung der gemeinsam getragenen außeruniversitären Forschungseinrichtungen und die DFG feste Quoten zwischen Bund und Ländern vereinbart. Sie reichen von 50 : 50 bis zu 90 : 10. Außerdem gibt es einen Sitzlandanteil. Diese multilaterale Finanzierungsstruktur hat sich jahrzehntelang als segensreich für die Wissenschaft erwiesen. Bund und Länder waren dadurch gleichermaßen am Gedeihen der Wissenschaft interessiert; sie kontrollierten gegenseitig ihr Steuerungsinteresse gegenüber den Einrichtungen zum Vorteil der Autonomie; von der inhaltlichen und finanziellen Initiative eines Partners ging jeweils eine Hebelwirkung für alle anderen aus.

Hans-Gerhard Husung, der frühere Berliner Staatssekretär für Wissenschaft und Ex-Generalsekretär der GWK.
Hans-Gerhard Husung, der frühere Berliner Staatssekretär für Wissenschaft und Ex-Generalsekretär der GWK.
© promo

Die aktuelle Finanzierungspraxis beim PFI und der Programmpauschale führt bis zum Jahr 2020 allerdings dazu, dass die vereinbarten Finanzierungsschlüssel faktisch aus den Fugen geraten. So stellt die DFG in ihrem Jahresbericht für 2016 lapidar fest, dass von ihrer Bewilligungssumme „mehr als 67 Prozent vom Bund und gut 32 Prozent von den Ländern kamen“. Zwischen Bund und Ländern vereinbart waren 58 : 42 Prozent. Soll es das Gleichgewicht entsprechend den vereinbarten Finanzierungsschlüsseln wieder hergestellt werden, müssten die Länder ab 2021 gut 500 Millionen Euro zusätzlich bereitstellen. Unter Einbeziehung der gerade erreichten Neuordnung der Bund-Länder Finanzbeziehungen erscheint diese Variante nicht vollkommen abwegig, werden die Länder doch künftig in diesem Rahmen allein über 180 Millionen Euro Bundesergänzungszuweisungen zusätzlich zu den Fördermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erhalten.

Wäre ein Ausstieg aus der gemeinsamen Finanzierung die Lösung?

Dennoch sind Zweifel angebracht, zumal die Grundfinanzierung der Hochschulen als Kernkompetenz der Länder für sie finanzpolitische Priorität haben dürfte. Deshalb sollte die Nachfolgeregelung für den Hochschulpakt in die Lösung einbezogen und so gestaltet werden, dass er die Länder bei ihrer Kernaufgabe entlastet.
Welche weiteren Alternativen wären vorstellbar? Partieller Ausstieg aus der Gemeinschaftsfinanzierung durch Entflechtung der Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern: Bei der Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau und der Übernahme des Bafög zeigen die Erfahrungen, dass es in den Ländern der Auseinandersetzung mit der Finanzseite bedurfte, um das Geld überhaupt im Wissenschaftssystem zu halten.
Die Lösung sollte also innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe Forschungsförderung und damit in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz gefunden werden. Immer wieder hat es Vorschläge für einen neuen, übergreifenden Generalschlüssel der gesamten institutionellen Förderung gegeben zum Beispiel 70 : 30 oder 80 : 20. Allerdings wären die Auswirkungen auf Bund und Länder sehr unterschiedlich. So würde ein Generalschlüssel von 70 : 30 den Bund und einige Länder erheblich zusätzlich belasten. 80 : 20 würde alle Länder entlasten, jedoch müssten aus dem Bundeshaushalt zusätzliche Mittel im oberen einstelligen Prozentbereich bereitstehen.
Ein Nachteil beider Vorschläge ist, dass sie die Rolle der Länder im föderalen Wissenschaftssystem wissenschaftspolitisch undifferenziert reduzieren würden.

Die föderale Rolle der Länder muss gestärkt werden

Das übergreifende Ziel sollte vielmehr sein, die föderale Rolle der Länder zu stärken, damit sie sich wieder kontinuierlich in eine dynamische Weiterentwicklung der Gemeinschaftsfinanzierung einbringen und sich an Aufwüchsen beteiligen. Dazu könnte eine Lösung der „Schlüsselfrage“ beitragen, die wissenschaftspolitisch abgewogen und differenziert für die jeweilige Einrichtung getroffen wird. Mit der Zukunftsfähigkeit der Gemeinschaftsaufgabe Forschungsförderung steht das föderale System auf der Tagesordnung. - Der Autor war von 2004 bis 2010 Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung in Berlin (SPD) und zwischen 2011 und 2016 Generalsekretär der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK)

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