zum Hauptinhalt
Schule, wohin? Die Union will, dass der Bund mit den Ländern redet.
© imago/Sämmer

Vor den Koalitionsverhandlungen: Bildung à la Jamaika

Kommt es zu einer schwarz-gelb-grünen Koalition, könnte diese das Kooperationsverbot aufweichen und die Ganztagsschule massiv ausbauen.

„Wir wollen das Gymnasium als eigenständige Schulform auch künftig erhalten“, hieß es im Wahlprogramm von CDU und CSU. Die Grünen kündigten hingegen an, den Ausbau von Gesamt- und Gemeinschaftsschulen fördern zu wollen. Und die FDP forderte vor der Wahl, die Finanzierung von Schulen auf Bildungsgutscheine umzustellen, die die Eltern an der Schule ihrer Wahl einlösen.

Allerdings bleiben solche Ankündigungen für die zukünftige Bundesregierung vorerst im Reich der Fantasie. Schule ist fast ausschließlich Ländersache. Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 durfte der Bund nicht einmal mehr in Baumaßnahmen (etwa für den Ausbau von Ganztagsschulen) investieren. Die 1970 ins Leben gerufene Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung wurde abgeschafft – sie hatte wegen des Richtungsstreits zwischen SPD und Union schon lange keine bedeutenden Beschlüsse gefasst. Erst vor Kurzem wurde das Grundgesetz gelockert. Der Bund darf neuerdings finanzschwachen Kommunen bei der Finanzierung der Bildungsinfrastruktur helfen.

Merkel hat sich pragmatisch über das Kooperationsverbot geäußert

Die Jamaika-Koalition könnte das Kooperationsverbot noch weiter aufweichen oder es gar völlig kippen. FDP und Grünen ist es schon seit Langem ein Dorn im Auge. Die Bundeskanzlerin hat sich in der Vergangenheit pragmatisch geäußert. An ihr würde die Sache wohl kaum scheitern. Die kooperationskritische Bundesbildungsministerin Johanna Wanka stünde nicht mehr im Wege. Und im Wahlprogramm von CDU und CSU heißt es, der Bund werde „im ständigen Dialog mit den Ländern gemeinsame bildungspolitische Herausforderungen definieren“. Eine Nichteinmischungserklärung in Ländersachen sieht anders aus. Selbst wenn die CSU das Kooperationsverbot vehement verteidigt, könnte sie von den anderen schließlich überfahren werden. Im Bundestag käme die geforderte Zweidrittelmehrheit zustande. Auch die SPD und die Linken wollen das Verbot kippen.

Im Bundesrat gibt es noch keine Mehrheit

Für den Bundesrat sieht Berlins Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) „gute Chancen“, wie sie auf Anfrage erklärt. Berlin hat soeben mit sechs anderen Ländern (Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen) einen entsprechenden Antrag in den Bundesrat eingebracht. Er dürfte von Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt unterstützt werden, deren Regierungen sich in den Koalitionsverträgen entsprechend positioniert haben. Auch die Koalitionäre in NRW kündigen im Koalitionsvertrag an, „alle gesetzlichen Hürden“, die einer „gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung“ im Schulwesen entgegenstehen, beseitigen zu wollen. NRWs neue Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hat explizit die Abschaffung des Kooperationsverbots gefordert. Und Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat Hindernisse bei der Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Schulwesen mehrfach kritisiert. Diesen Ländern würde zusammen aber noch eine Stimme fehlen, um die nötige Zweidrittelmehrheit (46 Stimmen) zu erreichen. Und noch schlechter könne es nach der Wahl in Niedersachsen aussehen. So kommt es darauf an, ob die neue Bundesregierung einen Vorschlag macht, den bislang kritische Länder annehmbar finden.

Die Grünen wollen vier Milliarden Euro vom Bund für Ganztagsschulen

Erst wenn das Kooperationsverbot aufweicht, könnten die Parteien der Jamaika-Koalition im Bund ihr Wahlversprechen für die Ganztagsschule einlösen: Alle drei Parteien wollen einen Rechtsanspruch auf einen Platz an einer Ganztagsschule schaffen. Die Grünen wollen, dass der Bund den massiven Ausbau mit vier Milliarden Euro bezuschusst.

Andere Pläne lassen sich auch trotz des Kooperationsverbots realisieren. Ziemlich sicher ist, dass unter Jamaika der von der Union angekündigte Digitalisierungspakt für die Schulen kommen würde. Die FDP würde das Projekt begeistert übernehmen. Es passt zu ihrem Selbstbild als Digitalisierungspartei.

Außerdem könnte die Jamaika-Koalition das Bildungssparen einführen: Die FDP will, dass jeder Euro, den Eltern für die Bildung ihrer Kinder sparen, vom Staat mit einem Zuschuss belohnt wird. Die Idee ist nicht neu. Sie stand schon im Jahr 2000 im Bildungsprogramm der Union – im Paket mit Studiengebühren, die die CDU-Vorsitzende Angela Merkel damals für unumgänglich hielt, die aber Ländersache sind. Hat das Bildungssparen jetzt Chancen auf Umsetzung?

"Bildungssparen" - klappt es im zweiten Anlauf?

Ein solches „Zukunftskonto“ hatte sich schon die schwarz-gelbe Koalition in ihrem Koalitionsvertrag von 2009 vorgenommen. Doch das damals geplante Startguthaben für jedes Neugeborene von 150 Euro und die versprochene staatliche Prämie bis zur Volljährigkeit kamen nie. Die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) verwies auf „umfangreiche rechtliche und administrative Fragen“ sowie eine noch ausstehende Klärung „finanzieller Belastungen“. Ein späterer Versuch der FDP, das Bildungssparen an das von der CSU durchgesetzte Betreuungsgeld (von Kritikern „Herdprämie“ genannt) anzuhängen, scheiterte an der Aussicht auf die Niederlage im rot-rot-grün dominierten Bundesrat.

Die Union müsste sich also trauen, die rechtlichen und finanziellen Hürden zu überwinden. Die Grünen könnten der FDP helfen, das Thema noch mal aufs Tapet zu bringen. Sie hatten im Jahr 2009 selbst ein staatlich subventioniertes „Bildungssparkonto“ für Leute ab 16 gefordert. Das Ersparte sollte für „lebenslanges Lernen“ ausgegeben werden. Aber ob Jamaika Ernst machen würde? Das Bildungssparen ist wohl eher ein Ladenhüter.

FDP und Grüne fordern ein Bafög für alle

Beim Bafög könnten FDP und Grüne ihren gemeinsamen Wunsch nach einem Bafög für alle umsetzen. Alle Studierenden, nicht nur die bedürftigen, sollen staatlich unterstützt werden, lautet die Forderung. Die Grünen haben in ihrem Wahlprogramm zwar vorsichtig erklärt, dies sei erst „mittelfristig“ das Ziel. Mit der forschen FDP könnte es aber sofort losgehen. Sie hat im Wahlprogramm schon Zahlen genannt: Alle Studierenden sollen unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern 500 Euro im Monat bekommen. Zusätzlich soll es auf Wunsch ein Darlehen geben, das wollen auch die Grünen. Wie viel zurückgezahlt werden muss, soll vom späteren Einkommen abhängen.

Diese Reform wäre teuer: Bafög beziehen aktuell (in unterschiedlicher Höhe) nur etwa 584.000 der insgesamt 2,8 Millionen Studierenden. Die FDP will die neue Studienfinanzierung durch eine Umleitung von Steuervergünstigungen der Eltern finanzieren. Aber ob die Union das mitmachen würde?

Zur Startseite