Position: Die Hochschulen brauchen mehr Ruhe – für bessere Qualität
Nur wenn der Bund den Hochschulen eine solide Basisfinanzierung gewährt, können sie sich international behaupten, meint unser Gastautor.
Manchmal ist man erst im Rückblick klüger. Womöglich werden wir in einigen Jahren die Zeit zwischen 2007 und 2017 als eine goldene Dekade der Hochschulfinanzierung bezeichnen. Gerade der Bund hat sich manches einfallen lassen, um den Ländern bei ihrer Kernaufgabe, der Sicherung der akademischen Bildungseinrichtungen, zu helfen. Viel Geld ist ins System geflossen, und die Effekte können sich sehen lassen.
Seit 1998 hat der Bund seinen Bildungsetat von sieben auf 17 Milliarden Euro erhöht. Diese Steigerungsrate kam insbesondere den Hochschulen zugute. Allein zwei Milliarden jährlich fließen im Rahmen des noch bis 2020 geltenden Hochschulpakts an die Länder. Sie dienen der Abfederung von Überlasten bei der Aufnahme von Studierenden. Für die Exzellenzförderung wurden in der ersten Runde (2006–2012) insgesamt 1,8 Milliarden, in der zweiten Phase (2012–2017) 2,3 Milliarden ausgegeben.
Der Bund finanziert Milliarden-Projekte
Im Rahmen der dritten, auf lange Sicht angelegten Förderperiode gehen für Forschungsprojekte und Zukunftskonzepte jährlich 531 Millionen an die erfolgreichen Universitäten. Hinzu kommen 2,17 Milliarden Euro, die seit 2016 in die Unterstützung von Infrastrukturaufgaben bei wichtigen Forschungsprojekten gesteckt werden. Um 1,17 Milliarden Euro entlastet der Bund zudem die Länderhaushalte, nachdem er 2014 entschied, die Bafög-Zahlungen zu übernehmen.
Für den Qualitätspakt Lehre, der einer Verbesserung akademischer Unterrichtsstandards dient, stehen seit 2011 rund zwei Milliarden zur Verfügung. 500 Millionen fließen in ein Programm zur Lehrerbildung, 300 Millionen in die Anschubfinanzierung für die Berufung von Frauen. Die Einführung neuer Dauerprofessuren zur Förderung des Nachwuchses finanziert der Bund bis 2032 mit einer Milliarde Euro.
Ein Wegfall der Hochschulpaktmittel wäre eine Katastrophe
Einige der hier genannten Maßnahmen laufen in der kommenden Legislaturperiode aus. Sie müssen neu verhandelt und auf feste Grundlagen gestellt werden. Denn die Hochschulen benötigen die zusätzliche Unterstützung des Bundes. Das gilt vor allem für die Überlastsituation im Bereich der Lehre, die gerade die attraktivsten Standorte wie Berlin, München, Frankfurt, Köln oder Heidelberg betrifft. Ohne die Mittel aus dem Hochschulpakt wäre die Lehre hier nicht mehr zu bewältigen.
Zahlreiche Bundesländer haben sie in ihre jährlichen Zuschüsse für die Hochschulen hineingerechnet. In Berlin bilden sie zwölf Prozent des Gesamtzuschusses, was annähernd dem Etat für die großen Fachhochschulen entspricht. Sollten diese Mittel ersatzlos entfallen, käme das einer Katastrophe gleich. Betrachtet man die aktuelle Haushaltssituation, so zeigt sich, dass eine Fortschreibung auf demselben Niveau für die nächste Legislaturperiode keineswegs ausgemacht ist.
Die Sicherung des Bildungsetats in der aktuellen Höhe bleibt abhängig von den Steuereinnahmen. Sprudeln sie wie bisher, so besteht Hoffnung auf ein stabiles Engagement des Bundes. Ein Blick auf die Wahlprogramme der Parteien zeigt allerdings, dass keine Einigkeit darüber besteht, wie dieses Engagement genau aussehen kann.
Rechtlich ist dauerhafte Förderung möglich, aber wie sieht sie aus?
Die zum 1. Januar 2016 in Kraft getretene Änderung des Grundgesetzartikels 91b ermöglicht es dem Bund, nicht nur in wissenschaftliche Projekte, sondern auch in Bildungsinstitutionen der Länder zu investieren. Damit sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine kontinuierliche Förderung gegeben. Die Frage ist nur, unter welchen Bedingungen sich der Bund dazu versteht, diese Förderung zu leisten. Die politischen Parteien sind sich uneins darüber, ob sie an konkrete Leistungsanforderungen geknüpft werden soll oder nicht.
Wie viel Wettbewerb ist nötig, damit das nötige Geld fließt? Und soll es sich weiterhin um programmspezifische Mittel handeln, wie die CDU vorschlägt, oder wäre auch eine unkonditionierte Grundfinanzierung denkbar, die der SPD und der Linken vorschwebt? Und welche Rolle spielt die Auslastung der Studienplätze, die für die FDP das Grundmodell der Hochschulfinanzierung darstellt?
Alle sollen einen Grundbetrag pro Studienplatz erhalten
Die Hochschulrektorenkonferenz hat zur Fortschreibung der Paktmittel einen Vorschlag erarbeitet, der sinnvoll und klug ist. Er sieht vor, dass der Bund allen Hochschulen einen Grundbetrag pro Studienplatz ergänzend zu den Landesmitteln zur Verfügung stellen sollte. Hinzu käme eine zweite Säule, nämlich eine leistungsabhängige Finanzierung, die sich nach der jeweiligen Überlast in der Lehre richtet. Und schließlich müsste es einen dynamischen Aufwuchs geben, der die besagten Grundmittel des Bundes jährlich um drei Prozent steigert. Das entspräche dem Modell des „Paktes für Forschung und Innovation“, der den außeruniversitären Forschungseinrichtungen eine Steigerung von drei Prozent pro Jahr beschert.
Was für die Max-Planck- und die Fraunhofer-Gesellschaft, für die Helmholtz- und die Leibniz-Gemeinschaft recht ist, muss für die Hochschulen billig sein. Wenn sie ihre Rolle als Organisationszentren des Wissenschaftssystems wirklich erfüllen sollen, dann ist eine Anpassung an eine dynamische Bundesfinanzierung erforderlich.
Eine gute Mischung aus Grundsicherung und Wettbewerb
Das letzte Jahrzehnt eröffnete den deutschen Hochschulen durch die Unterstützung von Bund und Ländern erhebliche Chancen zur Leistungssteigerung. Sie haben die Gunst der Stunde genutzt und sich in den zentralen Handlungsfeldern – Lehre, Forschung, Wissenstransfer, Internationalisierung – vorzüglich weiterentwickelt. Nach der Wahl sollte die neue Bundesregierung die Konsequenz aus einem erfolgreichen Jahrzehnt öffentlicher Wissenschaftsförderung ziehen und den nächsten Schritt in eine langfristige Finanzierung der Hochschulen machen.
Dazu gehört vor allem, dass es eine gute Mischung aus Grundsicherung und Wettbewerb gibt. Falsch wäre es, einen zu großen Anteil der Bundesmittel an die Auslastung der Studienplätze oder neue Programme zu binden. Denn die Hochschulen brauchen Budgets, die ihren infrastrukturellen Bedürfnissen und Fachprofilen entsprechen, damit sie langfristig planen können.
Wenn man nur daran denkt, so viel Studierende wie möglich aufzunehmen und die reine Kennzahlenerfüllung belohnt, ignoriert man die Tatsache, dass gute Betreuung nachhaltige Lehrqualität verlangt. Wer die Hochschulen in immer neue Wettbewerbe um Sondermittel hetzt, verkennt, dass wir mehr Ruhe im System brauchen, sollen die in den letzten Jahren entwickelten Maßnahmen der Qualitätssicherung greifen.
Allein eine solide Basisfinanzierung durch den Bund schafft klare Verhältnisse. Nur so ist garantiert, dass die Hochschulen den positiven Leistungstrend fortschreiben und sich im internationalen Wettbewerb behaupten können.
Der Autor ist Präsident der Freien Universität Berlin.
Peter-André Alt