Dekanate der Berlin University Alliance: „Exzellenz gefährdet“, wenn das neue Hochschulgesetz kommt
Die geplante Reform des Berliner Hochschulgesetzes fällt jetzt auch bei den Fakultäten durch. Dekane und Dekaninnen fürchten um die Wissenschaftsfreiheit.
Vehementen Protest gegen die vom rot-rot-grünen Senat geplante Novelle des Berliner Hochschulgesetzes melden auch die Dekane und Dekaninnen der Fachbereiche der drei großen Universitäten an. „Die Handlungsfähigkeit der Universitäten und gerade der Dekanate und ihrer Verwaltungen“ drohe an vielen Stellen derart eingeschränkt zu werden, „dass dadurch die Exzellenz des Wissenschaftsstandorts Berlin substanziell gefährdet ist“, heißt es in einer Stellungnahme, die von allen 32 Dekan:innen der in der Berlin University Alliance zusammengeschlossenen Unis (ohne Charité) unterschrieben ist.
Das sechsseitige Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, sollte am Montag an den Regierenden Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller, an Staatssekretär Steffen Krach (beide SPD) sowie an die Präsidien der drei Universitäten geschickt werden. Zuvor hatte sich bereits die Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten ähnlich kritisch geäußert. Auch sie warnten den Senat vor „einer massiven Beschneidung“ der Leistungsfähigkeit der Universitäten.
Erfolge zweier Jahrzehnte seien gefährdet
Zuletzt hatte die FU-Soziologin Katharina Bluhm, Leiterin des Instituts für Osteuropastudien, in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel eine „bisher nie dagewesene Detailregelung, die politischen Eingriffsmöglichkeiten Tor und Tür bietet“ beklagt. So würden etwa die veränderte Zusammensetzung und Aufgaben von Gremien und die ausgeweitete Definition der Hochschullehrer:innen „die Universitäten auf Jahre beschäftigen und enorme Geldsummen kosten“. Bluhm gehört nun auch zu den Unterzeichnerinnen des Briefs der Dekanate.
Sie befürchten, die universitäre Eigenständigkeit und Innovationsfreiräume könnten stark reduziert und „von der Wissenschaft getragene Entscheidungen durch politische und bürokratische Regelungen ersetzt werden“. Das zeige sich etwa bei der Abschaffung der „Erprobungsklausel“ zugunsten einer „Innovationsklausel“: Dies schränke die dezentrale Struktur der Universitäten und den bislang starken Gestaltungsspielraum der Fakultäten und Fachbereiche ein, auf denen aber „der große Erfolg der Berliner Universitäten in den beiden letzten Jahrzehnten“ wesentlich beruhe.
Senat weist die Kritik zurück
Tatsächlich soll die neue Klausel auf weniger Regelungen zur Hochschulgovernance anwendbar sein. „Innovationen“ auf diesem Feld müssten zudem künftig die Akademischen Senate zustimmen. Staatssekretär Krach hatte gegen die Kritiker argumentiert, dies sei „kein Angriff auf die Hochschulautonomie, sondern ihre Stärkung“. Der Wissenschaftspolitiker der Linken, Tobias Schulze, betonte darüber hinaus, die Hochschulleitungen seien von Anfang an in die Erarbeitung des Gesetzentwurfs eingebunden gewesen.
Doch die Kritik auch der Dekan:innen könnte fundamentaler nicht ausfallen. So sehen sie auch die Freiheit der Wissenschaft angegriffen. Dass Inter- und Transdisziplinarität sehr stark betont wird, „schränkt den Gestaltungsspielraum von spezifischen Studiengängen unnötig ein und vergisst die Bedeutung der Grundlagenforschung“.
[Lesen Sie auch den Bericht von Tilmann Warnecke über zentrale Punkte der geplanten Novelle des BerlHG]
Immer wieder warnen die Fakultäts- und Institutsleitungen implizit vor einer Gefährdung der Exzellenzförderung für die Berlin University Alliance: Dass etwa Drittmittelforschung nur noch zugelassen wird, wenn sie anderen Aufgaben der Hochschule nicht im Wege steht, sei mit dem Exzellenz-Status der Berliner Hochschulen unvereinbar.
Gleichstellung ja, Überbelastung nein
Die Freiheit des Studierens sei ebenfalls bedroht. Richte man alle Studiengänge auf die Möglichkeit des Teilzeitstudiums aus, müsste das Angebot insgesamt vereinheitlicht werden, was in kleinen Fächern kapazitär unmöglich sei, „da viele Module oder Modul-Bestandteile sehr viel häufiger angeboten werden müssten“.
Auch wenn sie geplante „Präzisierungen zur Gleichstellung und zur Diversität“ ausdrücklich begrüßen, raten die Dekan:innen von dem rot-rot-grünen Anliegen ab, Frauenquoten in den Auswahlgremien durchzusetzen: Hier würden „allzu strenge“ Quoten „zu einer karriereschädigenden Überbelastung von Wissenschaftlerinnen führen können“. Und das konterkariere die Ziele der Reform.
Ein Tenure Track für wissenschaftliche Mitarbeitende, die sich in ihrer Qualifikationsphase bewähren? Auch hier bremsen die Leitungspersonen: Die Möglichkeit begründeter Befristungen müsse „aus Gründen der Wissenschaftsdynamik und des Verfassungsrechts erhalten bleiben“, heißt es.
Abschließend fordern die Dekan:innen einen vollständigen Neubeginn des Verfahrens für eine Gesetzesnovelle – „unter kontinuierlicher Beteiligung der Universitäten“. Anhörungen in der Entwurfsphase und die jetzt von allen Seiten eingehenden Stellungnahmen reichen offensichtlich nicht aus.