Neues Hochschulgesetzes liegt als Entwurf vor: Zwangsberatung für Berliner Studierende soll endgültig wegfallen
Berlins Hochschulgesetz soll erneuert werden. Für Studierende soll die Zwangsberatung wegfallen - und in bestimmten Bereichen Quoten eingeführt werden.
Für Berliner Studierende, die mit ihren erbrachten Leistungen hinter der Regelstudienzeit zurückliegen, soll die „Zwangsberatung“ endgültig gestrichen werden. Ein Teilzeitstudium soll dafür deutlich besser zu absolvieren sein. Wissenschaftliche Mitarbeitende erhalten mit einem Tenure Track langfristigere Arbeitsperspektiven, und für Berufungskommissionen wird eine verbindliche Frauenquote vorgeschrieben.
Das sind einige zentrale Punkte, die in einer Novelle des Berliner Hochschulgesetzes vorgesehen sind, deren erster Entwurf derzeit zwischen der Senatskanzlei für Wissenschaft und den anderen Senatsressorts in Abstimmung ist.
Eine entsprechende grundlegende Überarbeitung hatte Rot-Rot-Grün schon im Koalitionsvertrag angekündigt. Seit Langem verhandeln die Koalitionäre darum, die Politik hat viele Vertreter:innen aus den Hochschulen gehört. Jetzt soll es mit der Umsetzung kurz vor Ende der Legislaturperiode etwas werden. „Wir wollen die Studierbarkeit stärken und ebenso die Arbeitsbedingungen – und wirklich noch einmal einen Schritt bei der Gleichstellung zulegen“, sagt Staatssekretär Steffen Krach (SPD) auf Anfrage im Gespräch mit dem Tagesspiegel.
Für Krach geht es um eine Weiterentwicklung des Gesetzes, aber nicht um eine Revolution. Es gebe zwar viele Gründe, die Reform anzugehen, nicht zuletzt weil viele Punkte in dem Gesetz inzwischen veraltet seien, sagt Krach. „Trotzdem ist es wichtig anzuerkennen, dass sich das Berliner Wissenschaftssystem in den vergangenen zehn, 15 Jahren sehr positiv entwickelt hat – und zwar auf der jetzigen gesetzlichen Grundlage. Deswegen gibt es aus unserer Sicht keinen Grund, diese komplett auf den Kopf zu stellen.“
Hier ein Überblick über die zentralen Themen.
Studium und Lehre
Studierende dürfen künftig nicht mehr exmatrikuliert werden, wenn sie eine verpflichtende Beratung bei Leistungsrückständen versäumen. Diese seit jeher umstrittene „Zwangsberatung“ war zuletzt unter dem damaligen Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner modifiziert worden. Seitdem ist sie per Gesetz zwar nicht mehr für die Hochschulen vorgeschrieben, war aber gleichwohl noch einmal dahingehend ausgeweitet worden, dass sie bereits in einer frühen Studienphase angesetzt werden kann.
Wie viele Fachbereiche die „Zwangsberatung“ tatsächlich noch durchführen, ist unklar. Jetzt soll sie auf jeden Fall durch ein fakultatives Angebot ersetzt werden – für die Studierenden, die bisher weniger als ein Drittel der erforderlichen Leistungen erbracht haben. Wer an einer Studienfachberatung teilnimmt, erhält einen zusätzlichen Prüfungsversuch. „Es hängt nicht mehr eine Drohung über den Studierenden und die Befürchtung der Exmatrikulation. Die Beratung ist dafür da, einen Weg für den erfolgreichen Abschluss des Studiums zu finden“, sagt Krach.
Beim Teilzeitstudium soll Berlin „absoluter Vorreiter“ werden, sagt Krach. War Teilzeitstudieren bisher bestimmten Gruppen wie Berufstätigen oder Studierenden mit Kind vorbehalten, soll es künftig voraussetzungslos möglich sein – und zwar in jedem Studiengang. Zudem soll das Belegen von Kursen an verschiedenen Berliner Hochschulen weiter erleichtert werden: „Das muss zwingend möglich sein in einer Stadt wie Berlin.“
Arbeitsbedingungen
„Gute Arbeit, gute Beschäftigungsbedingungen“: So nennt Krach ein Bündel an weiteren Maßnahmen. Personalentwicklungskonzepte werden vorgeschrieben. Studieninteressierte ohne Abitur sollen leichter an die Hochschule kommen, so wird eine dreijährige Berufstätigkeit als Voraussetzung gestrichen.
Als „Kernanliegen“ bezeichnet Krach die Verbesserung von Dauerbeschäftigungsverhältnissen, indem etwa sachgrundlose Befristungen ausgeschlossen werden. Für wissenschaftliche Mitarbeitende ist eine verlässlichere Perspektive auf eine Dauerstelle vorgesehen: Auch für sie soll eine Art Tenure-Track-Verfahren eingeführt werden.
Governance
Ein Punkt, den viele in den Unileitungen umtreiben dürfte, ist die „Erprobungsklausel“: Sie gibt Hochschulen die Autonomie, von bestimmten Normen des Gesetzes abzuweichen, um neue Leitungs- oder Finanzierungsformen zu ermöglichen. Immer wieder hatte es Gerüchte gegeben, die Erprobungsklausel könnte stark beschnitten oder sogar abgeschafft werden – wobei Krach mehrfach schon hatte durchblicken lassen, dass das mit ihm nicht zu machen sei.
„Ein reines Streichen hätte alle Hochschulen mit jahrelangen Grundordnungsdebatten gelähmt“, sagt Krach auch jetzt. Tatsächlich ist nun eine Fortführung unter dem Namen „Innovationsklausel“ geplant. „Für mich ist wichtig, diese Klausel so weiterzuentwickeln, dass die Hochschulen beweglich bleiben und immer wieder auf neue Bedarfe reagieren können“, sagt Krach. Es gebe aber durchaus weitreichende Änderungen: So müssten künftig die Akademischen Senate entsprechenden Neuregelungen zustimmen, Mitwirkungsrechte der Hochschulmitglieder könnten nicht beschnitten werden.
Chancengleichheit/Diversität
Berlin ist im bundesweiten Vergleich Spitze, wenn es etwa um den Anteil von Frauen an Professuren geht. Mehr als ein Drittel ist von Frauen besetzt. Das bedeutet dennoch, dass Frauen unterrepräsentiert bleiben. „Das bisher Erreichte ist zu wenig“, meint Krach daher: „Die Wissenschaft bewegt sich in diesem Punkt zu langsam. Deswegen führen wir Quoten ein.“ Um einen Bias zuungunsten von Frauen zu verhindern, ist in Berufungskommissionen künftig ein Frauenanteil von mindestens 40 Prozent vorgesehen.
Bei Wahlvorschlägen für Hochschulämter soll es eine Parität von Frauen und Männern geben, die Rechte von Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten gestärkt werden.
Zudem sehen die Pläne vor, die Hochschulen insgesamt zu mehr Diversität zu verpflichten. So sollen unter anderem alle Hochschulen in ihrem Präsidium ein Mitglied der Hochschulleitung als Beauftragte:n für Diversität benennen. „Das unterstreicht die Bedeutung des Themas“, sagt Krach. Er sei aber auch offen für andere Modelle wie etwa Beauftragte außerhalb der Hochschulleitung.
Mitbestimmung
Und was ist mit der Mitbestimmung? Das Thema Viertelparität kommt bei einigen Gruppen an den Hochschulen und in der politischen Diskussion bei SPD, Linken und Grünen immer wieder hoch. Im Gesetzentwurf ist sie nicht vorgesehen. „Die Viertelparität steht nicht im Koalitionsvertrag, und es gibt nach wie vor große rechtliche Bedenken“, sagt Krach. Er verweist aber darauf, dass in mehreren anderen Punkten die Mitbestimmung gestärkt werden solle – etwa die Rolle der Akademischen Senate.
„Wir haben einen gut abgestimmten und ausgewogenen Entwurf vorgelegt, der die Interessenlagen aller Akteure zusammenbringt“, sagt Krach. In manchen Punkten dürfte allerdings weiter diskutiert werden, die Erprobungsklausel könnte innerhalb der Koalition zu Konflikten führen.
Die Debatten über den Entwurf in den kommenden Wochen dürften also spannend werden. Er sei da offen, sagt Krach: „Wenn es im Anhörungsverfahren und in der parlamentarischen Abstimmung weitere gute Verbesserungsvorschläge gibt, ist es das Beste, was einem Gesetzesentwurf passieren kann.“