Astrazeneca-Stopp für Menschen unter 60: Ein schwerer Dämpfer, der Leben kosten wird
Deutschland tritt auf die Bremse. Der Astrazeneca-Impfstoff wird nicht mehr an Jüngere verimpft. Weil es nicht mehr anders geht. Ein Kommentar.
Erst entschieden Kliniken, dann ganze Kommunen und Bundesländer wie München, Berlin und Brandenburg, zum Schluss auch die Ständige Impfkommission und die Gesundheitsminister von Bund und Ländern: Der Impfstoff von Astrazeneca wird - ab sofort und vorerst und mit ein paar Ausnahmen - Personen unter 60 Jahren nicht mehr gespritzt.
Es war eine fast alternativlose Entscheidung. Zwar sind es, relativ zur Zahl der Geimpften, noch immer sehr, sehr wenige Fälle von Sinusvenenthrombosen. Das tatsächliche Risiko ist sehr gering, aber eben offenbar doch nicht gleichgroß wie ohne Impfung.
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Auch den Mechanismus, der für die Probleme verantwortlich sein dürfte, haben Forscher, vor allem eine Gruppe aus Greifswald, nun identifiziert. Und schon in den vergangenen Tagen hatten sich die Stimmen nicht im Verdacht des Impfskeptizismus stehender Fachleute gemehrt, einen solchen Schritt zu gehen.
Etwa Leif-Erik-Sander, Leiter der Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Charité, hatte ihn gefordert – allerdings nur für jüngerer Frauen. Dass die Entscheidung jetzt gleichsam „gegendert“ wurde und Personen unter 60 Jahren jeglichen Geschlechts betrifft, ist tatsächlich hinsichtlich der verfügbaren Daten nicht gut nachvollziehbar.
Astrazeneca-Skepsis in der Bevölkerung wuchs
Denn Frauen unter 55 Jahren sind bei weitem am häufigsten betroffen. Sie nicht mit diesem Impfstoff zu immunisieren wäre auch deshalb besonders plausibel, weil jüngere Frauen bislang auch eine Gruppe darstellen, die ein geringes Risiko für schwere oder tödliche Covid-Verläufe haben. Für sie ist das Risiko eines Schadens in Abwägung zum Risiko bei einer Erkrankung durch das Virus daher verhältnismäßig höher.
Doch der wichtigste Grund, die Impfungen für eine derart breite Personengruppe zu stoppen ist, dass immer mehr Leute, denen eine AZ-Impfung angeboten worden wäre, nun mit den Füßen abgestimmt hätten und gar nicht zum Termin erschienen wären - egal wie rational oder irrational ein solches Verhalten auch sein mag. Das hat sich schon über Wochen abgezeichnet.
Es kann gut sein, dass nun hierzulande die Zeit dieses Impfstoffes vorbei ist, vielleicht auch anderswo – nicht nur, weil viele aus der verbleibenden Ü-60-Gruppe bereits geimpft sind, meist mit einem anderen Produkt. Für die Impfkampagnen ist es schon jetzt ein herber Rückschlag.
[Mehr zum Thema: Warum der Vergleich bei den Nebenwirkungen von Astrazeneca und der Pille hinkt (T+)]
Und de facto wird es Leben kosten, deutlich mehr, als Todesfälle durch Hirnvenenthrombosen zu erwarten gewesen wären. Es wird bedeuten, dass sehr viele Menschen, die dieses Impfserum sonst bekommen hätten und jetzt weiter warten müssen, erkranken, manche von ihnen schwer erkranken, langfristig erkranken – und dass manche, die sonst gelebt hätten, sterben werden.
Es gibt auch eine gute Nachricht
Die Erkenntnisse dazu, was in den Blutgefäßen passiert, wenn sich nach der Impfung eine solche Thrombose bildet, lässt aber auch ein Szenario möglich erscheinen, in dem man dieser seltenen Nebenwirkung effektiv vorbeugen oder sie schon bei ersten Anzeichen gut behandeln kann. Solche Möglichkeiten zeichnen sich jedenfalls bereits ab. Dieses Szenario, in dem dieser Impfstoff für viele wieder verfügbar, sicher und mehr als nur einigermaßen akzeptabel wäre, ist, rein medizinisch, also sogar wahrscheinlich. Psychologisch hinsichtlich der Akzeptanz aber eher weniger.
Mehr zum Astrazeneca-Impfstopp:
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Wichtig ist jetzt jedenfalls auch, ähnliche Impfstoffe im Auge zu behalten. Sputnik V etwa, der auf dem gleichen Prinzip beruht wie AstraZeneca. Und alle anderen natürlich auch. Das muss man aber, zumindest hierzulande, kaum extra betonen.
Denn nur durch derart genaues Hinsehen – durch Fachleute und die Bevölkerungen von Staaten, in denen man sich frei äußern kann - sind die Probleme mit dem schwedisch-britischen Impfstoff überhaupt aufgefallen. Das sollte eigentlich Vertrauen schaffen, statt es zu zerstören. Und es ist zusammen mit der bislang alle Erwartungen, die man noch vor einem Jahr hatte, übertreffenden Sicherheits- und Effektivitätsbilanz der bisher verfügbaren Vakzine, die gute Nachricht an diesem Tag.
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