Drei-Eltern-Baby: Ein schlechtes Vorbild
Die Zellkraftwerke funktionieren nicht? Bei Embryonen kann man sie austauschen! Doch ganz so einfach ist es nicht. Und wer mit solchen Experimenten in Länder mit Gesetzeslücken ausweicht, ist ein schlechtes Vorbild. Ein Kommentar.
Wenn es nicht gerade um Königskinder geht, macht die Geburt eines Babys selten Schlagzeilen. Ein jordanischer Junge, der angeblich im April in Mexiko zur Welt kam, ist die Ausnahme. Er ist das erste bekannte „Drei-Eltern-Baby“. Mehr als 20.000 seiner Gene stammen von Mutter und Vater. Sie werden seine Persönlichkeit formen. Hinzu kommen 37 Gene einer weiteren Frau.
Die 36-jährige Mutter hat das Leigh-Syndrom, ein Erbleiden. Manche ihrer Zellkraftwerke (Mitochondrien) funktionieren nicht und sie läuft Gefahr, fehlerhafte Mitochondrien an ihre Kinder weiterzugeben. Nachdem das Paar vier Fehlgeburten ertragen und zwei Kinder verloren hatte, wollte es nichts mehr der Gen-Lotterie überlassen. Beide wandten sich an einen New Yorker Arzt. Die Mitochondrien mit ihren 37 Genen könne man austauschen, erklärte er ihnen. Dazu müsse er die Chromosomen der Mutter in die entkernte Eizellhülle einer Spenderin einsetzen und dieses Konstrukt künstlich befruchten. Die Prozedur klappte. Der Junge ist fünf Monate alt und augenscheinlich gesund, behauptet John Zhang.
Medizin überschreitet Grenzen. Herztransplantationen, künstliche Befruchtung, Blutwäsche – das alles galt einst als widernatürlich und ist nun Alltag. Wer Mitochondrien austauscht, erzeugt noch kein Designer-Baby. Eine Variante der Technik hat Großbritannien 2015 legalisiert. Erste Kinderwunschzentren sollen dort bald eine entsprechende Lizenz bekommen. In den USA geht es nur deshalb nicht weiter, weil der Kongress verhindert, dass sich die Aufsichtsbehörde FDA mit dem Thema beschäftigen kann.
Zwei Mal ist Zhang auf Länder mit Gesetzeslücken ausgewichen
Der Fortschritt lässt sich eben nicht aufhalten, könnte man argumentieren. Gut so, wenn es Patienten nützt! Aber so einfach ist es nicht. Zhangs Vorgehen ist problematisch. Man habe nicht einmal ausreichend Tierversuche gemacht, um die Sicherheit der Technik zu belegen, beklagen einige Forscher. Zhang stelle den Wunsch der Eltern nach einem eigenen Kind über das Kindeswohl. Statt in einer Studie seine Versuche detailliert darzulegen, sodass seine Kollegen die Erfolgsrate, die ethischen Regelungen, die Gesundheit des Kindes einschätzen können, gibt es spärliche Informationen aus einer Vortragsankündigung und dem „New Scientist“.
Unbehagen erzeugt zudem, dass Zhang mit seinen Experimenten 2003 und 2015 nach Mexiko und China ausgewichen ist, um Gesetzeslücken auszunutzen. Das schafft ein schlechtes Vorbild: Zum einen werden dort und anderswo vermutlich weitere Kinderwunschzentren folgen – und ohne Regelwerk kann keiner sagen, ob sie die Technik beherrschen und welchen ethischen Standards sie sich verpflichtet fühlen. Ob Paare, die sich verzweifelt ein Baby wünschen, dort gut beraten werden, ist fraglich. Kommerzielle Stammzellkliniken, die Patienten das Blaue vom Himmel versprechen und nichts davon halten können, haben ein ganzes Forschungsfeld beschädigt.
Zum anderen diskutiert die Welt nicht nur über ein „Drei-Eltern-Baby“, das als Junge nicht einmal die fremde Mitochondrien-DNS an die nächste Generation vererben kann. Vielmehr gibt es mit der Genchirurgie (Crispr) die Möglichkeit, auch das Erbgut in den Zellkernen einer befruchteten Eizelle zu manipulieren. Noch ist es Konsens, dass ein solcher Embryo keiner Mutter eingesetzt werden darf. Doch wer kann sagen, was in den Grauzonen mancher Länder in aller Stille geschieht? Dann würde der Mensch seine Evolution in die eigenen Hände nehmen.