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Drei Schüler beugen sich über einen Tablet-Computer.
© Martin Schutt/ZB/dpa

Digitalpakt für Schulen: „Eigentlich müsste man bei den Lernarrangements anfangen“

Der Digitalpakt kommt, aber wie kann digitaler Unterricht bundesweit funktionieren? Schulforscherin Birgit Eickelmann sieht viele Voraussetzungen nicht erfüllt.

Frau Eickelmann, am Freitag hat der Digitalpakt die letzte Hürde genommen: Der Bundesrat beschloss die dafür nötige Grundgesetzänderung. Wie bewerten Sie den Digitalpakt? Ist das der große Wurf, der die Schulen tatsächlich entscheidend voranbringen wird?

Es ist ein gutes Signal, dass der Digitalpakt endlich kommt. Aus zwei Gründen ist er sehr erfreulich: Die finanzielle Unterstützung wird dringend gebraucht und auch für die schulische Arbeit ist er wichtig. Es zeigt den Schulen, dass sie in die richtige Richtung arbeiten, wenn sie die Digitalisierung ernst nehmen.

Der Digitalpakt konzentriert sich vor allem auf die technische Ausstattung der Schulen, insbesondere die Vernetzung und die W-Lan-Ausleuchtung. Reicht das aus?
Zunächst mal: Es ist wichtig, dass die Finanzierung von Endgeräten nicht wie ursprünglich geplant komplett außen vor bleibt. Diese Geräte werden in der Schule genauso gebraucht wie eine funktionierende IT-Infrastruktur. Was man dringend über den Digitalpakt hinaus in Angriff nehmen muss, ist nun der technische Support. Da verlässt man sich jetzt auf die Schulträger – aber die Schulen können das schon jetzt nicht mehr leisten. Die Technik muss funktionieren und nicht nur bereitgestellt werden. Daran entscheidet sich, ob die Digitalisierung an den Schulen erfolgreich sein wird.

Nun machen ein W-Lan-Netz oder ein Tablet allein noch keinen guten Unterricht. Wie sieht guter digitaler Unterricht aus?
Eigentlich müsste man nicht bei der Technologie anfangen, sondern bei den Lernarrangements. Wir müssten uns die Zeit nehmen, grundlegend zu überlegen: Wie ändern sich Lernprozesse mit digitalen Medien? Da geht es um stärkeres individuelles Lernen genauso wie um kooperatives Lernen. Das geht nicht von allein, dafür braucht es neue Konzepte.

Das klingt nicht so, als ob die Schulen darauf vorbereitet sind.
Das ist sehr unterschiedlich. Viele Schulen sind in der Tat noch in der Tradition sozialisiert, dass sie Medien- und Technikkonzepte erstellen, die begründen sollen, warum sie bestimmte Geräte brauchen. Das verstärkt den Blick auf das Technische. Es müsste aber andersherum geschehen: Erst kommen die pädagogischen Konzepte und die bestimmen dann, welche unterschiedlichen Medien dafür genutzt werden.

Wo klappt das schon?
Es gibt Modellschulen, die das vorbildlich machen, etwa in Schleswig-Holstein oder Bayern. Von diesen sollten die anderen Schulen zügig lernen. Nicht jede Schule muss mit dem Digitalpakt das Rad neu erfinden. Hamburg etwa hat einen Chief Digital Officer für die Schulen, der solche Erfahrungen sammelt und Schulen bei der technischen Implementierung unterstützt.

Wo sind die Grenzen digitaler Medien im Unterricht?
Es kommt gar nicht so sehr darauf an, ständig auf die Restriktionen digitaler Medien zu schauen. Wichtig ist, Lehrkräfte fit zu machen in der Entscheidung, wann sie digitale Medien nutzen – und wann ein analoges Lernsetting besser ist. Dahin müssen wir in der Lehrerbildung und mit Fortbildungen kommen.

Birgit Eickelmann, Professorin für Schulpädagogik in Paderborn.
Birgit Eickelmann ist Professorin für Schulpädagogik an der Universität Paderborn. Sie leitet in Deutschland die ICILS-Studie, die die IT-Kompetenzen von Achtklässlern misst.
© privat

Sie fordern eine Reform des Lehramtsstudiums in Hinblick auf die Digitalisierung. Was ist da zu tun?
Von Anfang an muss in der theoretischen und in der praktischen Ausbildungsphase das Lehren mit digitalen Medien vertraut gemacht werden. Für angehende Lehrkräfte muss klar werden: Wie lehre ich im Fach Mathematik, in Englisch oder Sport am besten mit digitalen Medien? Das ist auch die Kernidee der überarbeiteten KMK-Standards für die Lehrerbildung.

Sie leiten die internationale ICILS-Studie, die die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Achtklässlern 2018 erneut im internationalen Vergleich getestet hat. Bei der vergangenen Ausgabe der Studie landete Deutschland im Mittelfeld. In diesem Jahr wird es neue Ergebnisse geben. Ist absehbar, ob sich die Schüler in Deutschland verbessert haben?
Das ist die spannende Frage. Wir haben die Daten noch nicht vollständig aufbereitet und daher noch nicht ausgewertet. Die Ergebnisse kommen im November. Spannend ist auch, dass die Studie sich erstmals mit „Computational Thinking“ von Achtklässlern befasst. Da geht es um den Umgang mit Algorithmen, Schüler wurden in computerbasierten Testumgebungen gebeten, einen selbstfahrenden Schulbus zu steuern. Dafür muss man nicht programmieren können. Überhaupt greift die oft geäußerte Forderung, alle Schüler müssten Programmieren lernen, zu kurz. Viel wichtiger ist es, Algorithmen und deren Wirkung und gesellschaftliche Relevanz zu verstehen. Beispiele gibt es viele: das Schalten von Werbung etwa oder Ampelphasen. Kinder müssen wissen, wie Algorithmen die Gesellschaft beeinflussen – das ist das Entscheidende.

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