Digitale Bildung in der Schule: Lernen mit Avataren
Ob Sprachen oder Sport: Digitale Bildung funktioniert nicht nur im Informatikunterricht. Das zeigen jetzt ausgezeichnete Schulen - darunter ein Gymnasium in Würselen.
Man nehme den Sprachunterricht in der Schule. Manche Schülerinnen und Schülern sind schüchtern, ihnen ist es peinlich, sich vor den Klassenkameraden in der Fremdsprache zu äußern. Wie kann man diese Schüler trotzdem dazu bringen, eine Sprache aktiv zu üben? Am Gymnasium Würselen setzen die Lehrkräfte dafür eine Art von digitalem Spiel ein. Jedem Schüler ist dort ein Avatar zugeordnet, ein virtuelles Ich.
Ihrem Avatar müssen die Schüler nun Leben einhauchen und zu einer Stimme verhelfen, sei es auf Englisch oder Französisch. „So bekommt man selbst bei dreißig Schülern in der Klasse jeden in der Stunde zum Sprechen – das schafft man sonst kaum“, sagt Volker Richterich, der an der Schule für digitale Bildung zuständig ist.
Die Sprach-Avatare sind ein Beispiel, wie digitale Medien den Unterricht verbessern können. In Würselen – „ein ländlich-städtisches Gymnasium mit eigenem Kanzlerkandidaten“, wie Richterich scherzhaft mit Anspielung auf Martin Schulz sagt – haben sie für jedes Fach Konzepte entwickelt, welche digitalen Formate sich einsetzen lassen. Nicht nur Mathematik und Naturwissenschaften sind dabei, sondern eben auch Sprachen, Geschichte und sogar Sport.
An Laptopklassen scheiterte die Schule zunächst
Für sein Engagement ist das Gymnasium jetzt von der Initiative „MINT Zukunft“, der Gesellschaft für Informatik und dem Internetverband Eco als „Digitale Schule“ ausgezeichnet worden. Den zum ersten Mal verliehenen Preis erhielten elf weitere Schulen, sie kommen vor allem aus westdeutschen Flächenländern. Bewertet wurden die Schulen in fünf Bereichen: Pädagogik und Lernkulturen, die Qualifizierung der Lehrkräfte, die Vernetzung mit der Wirtschaft, die Verstetigung digitaler Bildungskonzepte sowie Technik und Ausstattung.
In Würselen hatte man schon 2008 mit der Digitalisierung begonnen. Damals richtete die Kommune der Schule ein flächendeckendes W-Lan ein und besorgte ganze Klassensätze an Laptops. Doch die flugs eingeführten Laptop-Klassen waren zunächst „ein Fehlschlag“, wie sich Richterich erinnert. Sie wurden zu schnell eingerichtet, die Lehrkräfte wussten gar nicht genau, wie sie die Technik pädagogisch sinnvoll einsetzen können: „Wir hatten Computer, aber keine Idee, was wir damit machen sollten“, sagt Richterich.
In vielen Schulen in Deutschland dürfte das heute noch ähnlich sein. Würselen ging im zweiten Anlauf dann langsamer vor: Zwei Jahre lang erstellten interessierte Lehrkräfte Konzepte für alle Fächer. Dann startete man neu – mit einer einzigen iPad-Klasse, um daraus Erfahrungen für die gesamte Schule ziehen zu können. Im Naturwissenschaftsunterricht etwa zeigen die Lehrkräfte Videos von Experimenten – löschen aber vorher die kommentierende Tonspur. Diese müssen Schüler dann selber aufnehmen und natürlich inhaltlich erarbeiten. In Sport „können wir jetzt selbst die Bankdrücker einbeziehen“, sagt Richterich. Sie nehmen die Bewegungsabläufe der Mitschüler auf Video auf und analysieren sie auf einer App.
Der Digitalpakt Schule ist noch nicht im Bundesetat verankert
Die prämierten Schulen erhalten von der „Initiative MINT Zukunft“ vor allem Unterstützung beim Coaching von Lehrkräften. Die Initiative hofft, dass die Schulen vorbildhaft für andere wirken. Für den Vorsitzenden Thomas Sattelberger ist Deutschland bei der digitalen Bildung „noch ein Entwicklungsland“. So würden sich in Deutschland Lehrkräfte seltener als anderswo trauen, digitale Medien einzusetzen.
Sattelberger kritisierte, dass die von Bildungsministerin Johanna Wanka in Aussicht gestellten fünf Milliarden Euro für einen Digitalpakt Schule bisher noch gar nicht im Bundesetat verankert sind: „Wir reden hier über ungelegte Eier.“ Zwar hatten die Länder in der vergangenen Woche Eckpunkten für eine entsprechende Bund-Länder-Vereinbarung zugestimmt. Das Bundesbildungsministerium fehlte bei dem Termin aber, weil Wanka und ihre Staatssekretärin verhindert waren. Und ob und wann das Finanzministerium Mittel für den Pakt freigibt, ist noch ungeklärt.