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Gentests, die Erbkrankheiten von Kindern anhand von Blutproben der Mutter erkennen können, sollten nicht ohne begleitende Beratungen und Untersuchungen, etwa per Ultraschall, stattfinden, sagen Pränataldiagnostiker.
© picture alliance / dpa Themendie

Pränataldiagnostik: Drum prüfe, wer entbindet?

Anhand von DNS-Spuren des Embryos im Blut einer Schwangeren zeigt ein Test, ob das Kind Trisomie 21 hat. Doch Ärzte raten von einem flächendeckenden Einsatz ab.

Stell Dir vor, Du bist schwanger, und Du musst Dir nur wenige Milliliter Blut abnehmen lassen, um zu erfahren, ob Dein Kind gesund ist. Genial? Nein, denn der Bluttest zur „nicht-invasiven pränatalen Diagnostik“ (NIPD), der seit sechs Jahren verfügbar ist, erfüllt diese vollmundige Versprechung nicht.

So revolutionär wie umstritten

Trotzdem kann er als revolutionär gelten: Erstmals ist es möglich, Erbgut eines Ungeborenen im Blut seiner Mutter aufzuspüren und auf Veränderungen der Chromosomen zu testen, die als Trisomie 13, 18, vor allem aber als Trisomie 21 (auch Down-Syndrom genannt) bekannt sind. Die Untersuchung erreicht eine hohe Aussagesicherheit von 99,8 Prozent, der Bluttest kann ab der neunten Schwangerschaftswoche gemacht werden. Verfahren wie die Untersuchung von Fruchtwasser (Amniozentese) und Gewebe aus dem Mutterkuchen (Chorionzottenbiopsie) oder die Punktion der Nabelschnur sind dagegen erst einige Wochen später möglich, beinhalten einen Eingriff in die Gebärmutter und gehen laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit einem Risiko von einem halben bis zu zwei Prozent einher, dass es zu einer Fehlgeburt kommt.
In einer Stellungnahme, die es im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) ausarbeitete, hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in diesem Jahr festgestellt (ohne dabei genaue Zahlen zu nennen): Wenn Schwangere den Bluttest machen, die ein erhöhtes Risiko tragen, ein Kind mit einer Trisomie 21 zu bekommen, können damit die bisher gängigen eingreifenden Untersuchungen reduziert werden – folglich sinkt auch die Gefahr für Fehlgeburten. Das spricht dafür, den Bluttest, der derzeit 200 bis 400 Euro kostet, in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen. Eine Entscheidung wird im Sommer erwartet.
Dass sie nicht ganz einfach sein wird, zeigte vor kurzem eine parteiübergreifende Initiative von Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die eine Parlamentsdebatte über die NIPD fordern. Sie befürchten, gerade die technische Einfachheit und medizinische Unbedenklichkeit des Tests könne dazu führen, dass Schwangere und ihre Partner bei ihrem Kind eine Trisomie 21 – mit der heute viele Menschen glücklich leben – routinemäßig ausschließen möchten.

Pränatalmediziner warnen vor unkritischer Anwendung

Auch der Berufsverband der niedergelassenen Pränatalmediziner warnt nun in einem Positionspapier davor, den Bluttest unkritisch anzuwenden. Die Mediziner kritisieren außerdem die „simplifizierende Werbung der Industrie“ und fordern klare Rahmenbedingungen für den Einsatz. Zunächst sei es wichtig, die Schwangeren gut zu beraten – etwa darüber, dass sie nicht um eine weitere, diesmal invasive Untersuchung herumkommen, sollte der Bluttest ein auffälliges Ergebnis zeigen. Oder dass sich anhand der DNS-Schnipsel des Kindes im Blut der Mutter nicht erkennen lässt, ob das Kind Fehlbildungen hat, etwa einen Herzfehler, der später behandelt werden kann und muss. Dafür wird ohnehin der Ultraschall gebraucht. „Der Bluttest sollte deshalb nur im Zusammenhang mit einer Ultraschalluntersuchung vorgenommen werden“, sagte Alexander Scharf, Präsident des Berufsverbandes. Der Bluttest solle nicht automatisch allen Schwangeren angeboten werden, sondern nur, wenn besondere Risiken vorliegen, die sich etwa beim Ultraschall zeigen. Die Wuppertaler Pränatalmedizinerin Nilgün Dutar wies bei der Vorstellung des Positionspapiers darauf hin, dass schon heute nach der gesetzlich vorgeschriebenen fachlichen Beratung der Schwangeren das Risiko für eine Trisomie 21 und andere Trisomien aus einer Kombination von Ultraschallbefund und bestimmten Markern aus dem mütterlichen Blut berechnet werden kann. Die ausführliche Beratung der Schwangeren müsse unbedingt auch vor einer NIPD Pflicht sein.

Die Schweiz als Vorbild

Als Vorbild könnte die Schweiz dienen. Dort wird die NIPD von der allgemeinen Krankenversicherung bezahlt, falls zuvor durchgeführte andere Untersuchungen einen Hinweis auf ein Risiko ergeben und die Schwangere gut über die Grenzen des Bluttests aufgeklärt wurde. Das Argument, damit werde den Frauen der Weg zum Test und gegebenenfalls zum Abbruch der Schwangerschaft erleichtert, lässt die Ärztin und Soziologin Tanja Krones vom Klinischen Ethikkomitee am Universitätshospital Zürich nicht gelten: „Steht ein risikoärmeres Verfahren zur Verfügung, welches den Entscheidungsspielraum von schwangeren Frauen erhöht, dann ist es aus Gerechtigkeitsgründen nicht vertretbar, dieses nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenkasse zu vergüten.“

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