„Wer mitmacht, rettet Leben!“: Die wichtigsten Fakten zu den Corona-Impfungen
Deutschland beginnt mit den Corona-Impfungen – eine Mammutaufgabe. Dies machte auch Gesundheitsminister Spahn noch einmal klar. Was jetzt ansteht.
Rund zehn Monate nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa sollen an diesem Sonntag auch in Deutschland die ersten Impfungen gegen das Virus beginnen. Bereits am Samstag wurden die ersten Dosen der Mainzer Firma Biontech und ihres US-Partners Pfizer an die Bundesländer ausgeliefert. Dort werden sie an Impfzentren und mobile Teams verteilt.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bezeichnete die Impfungen gegen das Coronavirus als „entscheidenden Schlüssel“ zum Sieg über die Pandemie. Der Impfstoff sei auch entscheidend dafür, „dass wir unser Leben zurückbekommen“, sagte Spahn am Samstag in Berlin. „Diese Nachricht sollte uns Mut machen.“
Nach Ansicht Spahns ist Deutschland gut auf die größte Impfkampagne in der Geschichte des Landes vorbereitet. „Die Impfzentren sind startklar, die Impfteams stehen“, sagte der CDU-Politiker am Samstag in Berlin. Gleichzeitig machte er klar, dass das Coronavirus mit dem Start der Impfaktion noch nicht besiegt ist. „Wir werden einen langen Atem brauchen, um diese Pandemie hinter uns zu lassen.“
Spahn stimmte die Bürger darauf ein, dass angesichts der Größe der Kampagne vielleicht nicht alles sofort ganz glatt laufen wird. „Es wird an der einen oder anderen Stelle auch mal ruckeln, das ist ganz normal.“ Der Gesundheitsminister bat die jüngeren Generationen um Geduld, da zunächst ältere und besonders gefährdete Menschen geschützt werden sollten. Gleichzeitig bekräftigte er das Ziel, Mitte des Jahres „mit dem Impfen in die Fläche zu gehen und jedem der will, ein Impfangebot zu machen“.
Spahn rechnet in den kommenden Wochen und Monaten mit der Zulassung weiterer Corona-Impfstoffe. Sollte sich dies bewahrheiten, „können wir es schaffen, bereits Mitte des Jahres in die Fläche zu gehen“ und Menschen zu impfen, die nicht zu den drei festgelegten Risikogruppen gehören. „Herbst, Winter und Weihnachten sollen nicht mehr im Zeichen der Pandemie stehen“, sagte er mit Blick auf 2021.
Impfskeptiker will der Gesundheitsminister mit einer Informationskampagne überzeugen. Titel: „Deutschland krempelt die Ärmel hoch.“ Zugleich versicherte Spahn, „die Impfung bleibt ein Angebot“. Sie sei „kostenlos und freiwillig“. Spahn sagte weiter: „Wir haben ein klares Ziel vor Augen. Wir wollen so viele Menschen impfen, dass das Virus keine Chance mehr hat in Deutschland und in Europa“, sagte Spahn und appellierte an die Bundesbürger: „Wer mitmacht, rettet Leben!“
Ein Überblick zu den wichtigsten Fragen und Antworten rund um die Impfung:
Wie viele Bürger in Deutschland könnten sofort eine Impfung bekommen?
1,3 Millionen. So viele Dosen will Biontech Spahn zufolge noch dieses Jahr liefern. Das würde unmittelbar in etwa für genauso viele Menschen reichen, da die notwendige zweite Impfung erst spät im Januar anstünde. Bis Ende März kündigte Spahn jüngst 11 bis 12 Millionen Dosen an. Da das Präparat zweimal verabreicht werden muss, würde diese Menge in etwa für 5,5, bis 6 Millionen Menschen reichen.
Wie sieht es dann im kommenden Jahr aus?
Spahn geht davon aus, bis zum Sommer allen Bürgern in Deutschland ein „Impfangebot“ machen zu können – sofern weitere Präparate eine Zulassung erhalten. Neben dem Biontech-Impfstoff spielt auch das Mittel von Moderna eine Rolle, über dessen Zulassung die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) bis zum 6. Januar entscheiden will. Für beide Impfstoffe sind dem Gesundheitsministerium zufolge insgesamt 136,3 Millionen Dosen sicher, die nahezu alle 2021 geliefert werden könnten. Mit je zwei nötigen Dosen ließen sich so rechnerisch 68,2 Millionen Bürger impfen - bei 83 Millionen Einwohnern in Deutschland.
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Wollen sich überhaupt so viele impfen lassen?
Wohl nicht. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur haben derzeit etwa zwei Drittel der Deutschen das vor. Konkret gaben 32 Prozent der Befragten an, sich so schnell wie möglich impfen lassen zu wollen. Weitere 33 Prozent sind zwar ebenfalls dazu entschlossen, wollen aber erst mal mögliche Folgen der Impfung bei anderen abwarten. 19 Prozent haben sich gegen eine Impfung entschieden, 16 Prozent sind noch unentschlossen.
Wo werden die Impfungen durchgeführt?
Zuerst starten in vielen Bundesländern die mobilen Teams, die in Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime gehen. Auch die regionalen Impfzentren sind an vielen Orten startklar und werden vielerorts wohl spätestens Anfang Januar ihren Betrieb aufnehmen. Die bundesweit bis zu 442 Zentren – eingerichtet und betrieben von den Ländern - werden zunächst sicher noch nicht in voller Kraft arbeiten.
Kann man sich auch beim Hausarzt impfen lassen?
Womöglich erst in einigen Monaten. Nach dem geplanten Start in den regionalen Impfzentren geht die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) davon aus, „dass die Praxen vermutlich im Sommer impfen werden“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen. Die Hausärzte seien darauf eingestellt, „schnell eine große Gruppe an Patienten zu impfen“.
Wer ist zuerst dran?
Das regelt die Impfverordnung. Die Priorisierung ist nötig, weil zunächst nicht ausreichend Impfdosen für alle verfügbar sein werden. Anfangs sollen Ältere über 80 sowie Bewohner und Personal in Pflegeheimen zum Zug kommen, daneben Gesundheitspersonal mit sehr hohem Infektionsrisiko, etwa in Intensivstationen und Notaufnahmen.
Wie kommt man zu einer Impfung?
Das ist in der Regel nur mit Termin möglich. Für ganz Deutschland kann zum Prozedere allerdings noch keine abschließende Aussage getroffen werden. Die Bundesländer regeln die Abläufe selbst. Es gibt die bundesweit einheitliche Telefonnummer 116117, manche Länder haben aber ihre eigene Hotline. Länderspezifische Internetseiten und Apps bieten Informationen. Manche Landesregierungen schreiben ihre Bürger direkt an, in anderen ist noch offen, wie sie Menschen potenziell über Möglichkeiten zum Impfen benachrichtigen wollen.
Was steckt eigentlich in den Biontech-Impfdosen?
Das ist ein sogenannter mRNA-Impfstoff. Diese Art wurde nun erstmals für den Menschen zugelassen. Das Mittel enthält im Gegensatz zu herkömmlichen Impfstoffen keine abgeschwächten oder abgetöteten Viren, sondern lediglich eine Bauanleitung für einen Bestandteil des Covid-19-Erregers. Diese Anleitung wird in Form eines sogenannten mRNA-Moleküls in den Körper geimpft, wo dann die menschlichen Zellen selbst ein Protein (Eiweiß) des Virus herstellen. Das menschliche Immunsystem wird damit zur Bildung von Abwehrstoffen angeregt. Bei späterem Kontakt mit dem Coronavirus erkennt das Immunsystem das Protein wieder und kann den Erreger schnell gezielt bekämpfen.
Manche behaupten, der mRNA-Impfstoff verändere die Gene – stimmt das?
Das ist falsch. Das mRNA-Molekül wird von den Körperzellen komplett zerlegt. Die Impfung ist nicht in der Lage, in das menschliche Erbgut einzugreifen. „Eine Integration von RNA in DNA ist unter anderem aufgrund der unterschiedlichen chemischen Struktur nicht möglich“, heißt es vom Paul-Ehrlich-Institut. Das Bundesgesundheitsministerium hat auch keinen Hinweis darauf, dass mRNA womöglich in DNA umgeschrieben wird.
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Wie gut ist der Impfschutz?
In den bisherigen Tests schützte das Biontech-Präparat zu 95 Prozent vor einer Covid-19-Erkrankung. Ob diese Wirksamkeit auch bei einem massenhaften Einsatz bei einer höheren Zahl an älteren Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen zu erreichen ist, wird sich erst in einigen Monaten zeigen.
Kann man nach einer Impfung andere noch anstecken?
Das ist bisher noch unklar. Bis spätestens Februar erwartet Biontech dazu genauere Erkenntnisse.
Wie lange wirkt die Impfung?
Auch das lässt sich jetzt noch nicht beantworten. Derzeit laufen Studien dazu. Erste Hinweise gibt eine noch nicht abschließend begutachtete US-Untersuchung von Menschen, die sich auf natürlichem Weg mit Sars-CoV-2 infizierten: Demnach waren bei diesen die Abwehrmechanismen ihres Immunsystems Monate später noch nachweisbar. Bei einer Impfung falle die Immunantwort gemeinhin effizienter aus, sagt etwa Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität Dortmund.
Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten?
Müdigkeit, Kopfweh, Schmerzen an der Einstichstelle – das sind bei Impfungen übliche Nebenwirkungen, auf die man sich einstellen muss. Nach Erkenntnissen einer im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichten Studie zum Biontech-Präparat kann es außerdem zu Schüttelfrost, Durchfall oder Muskel- und Gliederschmerzen kommen, teilweise auch zu Fieber. Diese waren im Allgemeinen schwach bis mäßig und klangen nach kurzer Zeit wieder ab. Experten halten sie für nicht angenehm, aber sehen auch keinen Anlass für größere Bedenken.
Wie werden etwaige Nebenwirkungen überwacht?
Die Verträglichkeit des Impfstoffs wird auch nach der Zulassung weiter überprüft. Dafür setzt das zuständige Paul-Ehrlich-Institut auf Meldungen von Herstellern, Ärzten, aber auch von Patienten. Das geht etwa über die Plattform „nebenwirkungen.bund.de“ oder eine App. Über die App werden Geimpfte etwa in bestimmten Zeitabständen nach jeder Impfung nach gesundheitlichen Beschwerden befragt- oder auch, ob nach der Injektion noch eine Corona-Infektion auftrat.
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Müssen sich Allergiker Sorgen machen?
Nicht allzu sehr, sagt der Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen, Ludger Klimek. Allergische Reaktionen auf Impfstoffe seien nicht ungewöhnlich und kämen sehr selten vor. „Nur sehr wenige Personen werden wohl aufgrund des Allergie-Risikos von einer Impfung ausgeschlossen werden müssen“, sagt der Medizinprofessor. In der Biontech-Zulassungsstudie waren keine Patienten mit schweren Allergien dabei.
Wer haftet, sollte es doch zu Schäden kommen?
Dafür kommen dem Bundesgesundheitsministerium zufolge je nach Fall verschiedene gesetzliche Grundlagen in Betracht. Eine Haftung des Pharma-Unternehmens könne sich aus dem Arzneimittelrecht oder Produkthaftungsgesetz ergeben. „Außerdem gelten die allgemeinen Haftungsregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch“, sagte ein Ministeriumssprecher kurz vor Weihnachten.
Wirkt die Impfung bei neuen Virusvarianten?
Vermutlich ja. Experten zufolge richtet sich die Immunreaktion des Körpers gegen mehrere Merkmale des Virus, einzelne Mutationen dürften sich daher nicht dramatisch auswirken. Biontech-Chef Ugur Sahin ist zuversichtlich: „Wir haben den Impfstoff bereits gegen circa 20 andere Virusvarianten mit anderen Mutationen getestet. Die Immunantwort, die durch unseren Impfstoff hervorgerufen wurde, hat stets alle Virusformen inaktiviert.“ Mit weiteren Informationen etwa über die Mutation in Großbritannien wird es mehr Erkenntnisse geben.
Müssen die Menschen etwas für die Impfung bezahlen?
Nein. Sie soll für alle gratis sein. Die Kosten für die Impfstoffe übernimmt der Bund. Insgesamt rechnet Gesundheitsminister Spahn mit bis zu sechs Milliarden Euro für die gesamte Impfaktion.
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Wird es eine Impfpflicht geben?
Nein. Eine allgemeine Impfpflicht hat die Bundesregierung klar ausgeschlossen. Auch für Berufsgruppen in Medizin und Pflege steht sie bisher nicht zur Debatte. Der Gießener Jura-Professor Steffen Augsberg, Mitglied im Deutschen Ethikrat, wollte ein solches Vorgehen in einem Interview des SWR aber nicht ausschließen: Wenn sich mit anderen Maßnahmen das Infektionsgeschehen zum Beispiel auf Intensivstationen nicht in den Griff bekommen lasse, „dann kann man darüber nachdenken, ob es insoweit eine bereichsbezogene Impfpflicht geben kann“. Eine solche Option liege aber in weiter Ferne.
Könnte es eine Impfpflicht durch die Hintertür geben?
Manche befürchten, dass sie ohne eine Corona-Impfung nicht mehr vollständig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, weil etwa Geschäfte oder Restaurants den Zutritt ohne Nachweis einer Immunität verwehren. Mit Blick auf private Besitzer und Veranstalter sagte Andrea Kießling, Expertin für Infektionsschutzrecht an der Ruhr-Uni Bochum, dem SWR: „Wir können die nicht zwingen, dass sie auch mit Ungeimpften Geschäfte machen.“ Umstritten bleibt zunächst, ob und wie etwa Restaurantbetreiber eine Immunität kontrollieren könnten. Jurist Augsberg hält „die bloße Variante, dass ich vorzeige, dass ich zum Beispiel geimpft bin, ohne dass das in weiterer Form überprüft oder mir zugeordnet wird“, für unproblematisch. (dpa, lem)