In Einzelfällen Schwindel und Herzrasen: Allergische Reaktion auf den Corona-Impfstoff – das könnte der Auslöser sein
Forscher beschäftigen sich mit sogenannten „anaphylaktischen“ Reaktionen bei Geimpften. Grund zur Sorge bestehe nicht.
Man müsse wirklich sehr sicher sein, dass an dieser Geschichte etwas dran ist, bevor man darüber so redet, als ob es bereits beschlossene Sache wäre. So äußerte sich Alkis Togias vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) in den USA im Fachblatt „Science“. Es geht um allergische Reaktionen von sechs der bis zum 19. Dezember rund 272.000 mit dem Biontech-Vakzin geimpften Amerikaner. Zwei weitere dieser „anaphylaktischen“ Reaktionen seien bei Geimpften in Großbritannien aufgetreten.
Weil es sich beim Biontech-Impfstoff um eine neuartige, auf RNA beruhende Impftechnik handele, müsse das „sorgfältig geprüft werden“, wird Elizabeth Philips von der Vanderbilt University von dem Magazin zitiert.
Im Verdacht steht allerdings nicht die RNA selbst – menschliche Zellen sind natürlicherweise voll von dieser Art von Molekülen. Es ist vielmehr ein Trägerstoff, Polyethylenglycol (PEG). Er ist Bestandteil winziger Nanopartikel, mit denen die RNA in die Zellen der Geimpften gelangt. Es ist eine Allerweltschemikalie, die in Zahnpasta und Shampoo steckt.
Auch der RNA-Impfstoff von Moderna, der in den USA in den nächsten Tagen verimpft werden soll, enthält PEG. Der Stoff dient auch als Trägersubstanz in Medikamenten, bislang jedoch noch nicht in Impfstoffen. Allergische Reaktionen dagegen wurden vereinzelt registriert.
Allergische Reaktionen beim Impfen: Eine unter einer Million
So wie bei einem aktuellen Fall, der an den Weihnachtstagen in den USA Schlagzeilen machte: So führte der Impfstoff von Moderna einem Zeitungsbericht zufolge bei einem Arzt aus Boston zu einer ernsten allergischen Reaktion. Der Onkologe vom Boston Medical Center, der gegen Schalentiere allergisch ist, berichtete in der "New York Times", er habe sich unmittelbar nach der Impfung am Donnerstag schwindelig gefühlt und Herzrasen bekommen.
Ein Sprecher des Boston Medical Center sagte, der Arzt sei behandelt worden und mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen. "Es geht ihm gut." Es ist der erste öffentlich gewordene Fall einer allergischen Reaktion auf den Moderna-Impfstoff, der seit einer Woche in den USA zugelassen ist.
Anaphylaktische Reaktionen können, etwa in Form von kurzzeitigen Hautausschlägen, glimpflich ablaufen, selten aber auch lebensgefährlich werden, mit Kreislaufkollaps, Atemnot und Herzrasen. Sie treten bei Impfungen etwa einmal unter einer Million Geimpfter auf – einer der Gründe, warum Geimpfte nach dem Stich noch eine Zeitlang beim Arzt bleiben sollen. Im Fall einer solchen Reaktion, kann dann schnell und wirksam Hilfe geleistet werden.
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Ob PEG wirklich der Auslöser der acht anaphylaktischen Reaktionen ist, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Imfpung auftraten, ist jedoch völlig offen.
Dennoch hat das NIAID die Fälle wohl in mehreren Meetings diskutiert, auch mit Vertretern von Pfizer, dem Kooperationspartner von Biontech. Auch sei eine Studie geplant, Menschen, deren Immunsystem (anders als die meisten Menschen) Antikörper gegen PEG haben oder zuvor auf PEG-haltige Medikamente reagiert haben, gezielt auf ihre Reaktion auf das Virus zu untersuchen.
Wichtig anzumerken ist: Selbst wenn – und das ist noch völlig offen – ein Zusammenhang zwischen PEG und den allergischen Reaktionen bestehen sollte, dann heißt das nicht, dass jeder Allergiker, der auf Gräser, Pollen, Hausstaub oder sonstiges reagiert, den Impfstoff nicht bekommen könnte oder sollte. Wenn überhaupt, dürften nur sehr wenige Menschen ein Immunsystem haben, dass auf PEG besonders heftig reagiert.
Kein Grund, sich nicht impfen zu lassen
Dennoch gibt es gute Gründe, die allergischen Reaktionen bei den Geimpften im Auge zu behalten.
In den Studien von Biontech und Moderna mit über 30.000 Probanden waren solche ausgeschlossen, die bei anderen Impfungen bereits allergische Reaktionen gezeigt hatten. Allergiker, die etwa auf bestimmte Lebensmittel reagieren waren zwar beteiligt, aber womöglich nicht repräsentativ genug beteiligt.
Außerdem haben einer Studie zufolge etwa 72 Prozent aller Menschen Antikörper gegen PEG – das Immunsystem reagiert auf den per Zahnpasta in den Körper gelangenden Stoff. Es sind aber nur sieben Prozent, die so viele Antikörper haben, dass eine allergische Reaktion gegen PEG möglich wäre. Andere Studien zeigen hingegen, dass selbst Menschen mit hohen Antikörperkonzentrationen gegen PEG nicht immer allergische Reaktion gegen den Stoff entwickeln.
Wie so oft ist mehr Forschung nötig, bis man mehr weiß. Ein Grund, sich nicht impfen zu lassen, ist die Sache jedoch nicht.