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Die letzten Meter der langen Reise zum Mars wird die kleinwagengroße Sonde abgeseilt werden – von einem in der dünnen Marsatmosphäre schwebenden Kran. Anschließend kann der Roboter mit seinem umfangreichen Untersuchungsprogramm beginnen
© NASA/dpa

Landung auf dem Mars steht bevor: Die letzte gefährliche Reiseetappe des Nasa-Roboters „Perseverance“

Eine kleinwagengroße Sonde soll auf dem Mars Spuren urzeitlichen Lebens suchen. Doch die Anforderungen bei der Landung sind hoch.

„Sieben Minuten des Grauens“ wird das Landemanöver von Marsmissionen gelegentlich genannt. In dieser Zeit müssen Sonden, die mit knapp 20.000 Kilometern pro Stunde in die Atmosphäre des Planeten schießen, auf Null abbremsen – und zwar sanft. Sieben Minuten, in denen viel passieren kann und jahrelange, millionenteure Vorbereitungen plötzlich zunichte gemacht werden könnten. Sieben Minuten, in denen kein Mensch eingreifen kann, wenn es droht schiefzugehen.

Fachleute bei der US-Raumfahrtbehörde Nasa, aber auch in Partnerinstituten im Ausland, etwa in Berlin, müssen an diesem Donnerstag diese sieben Minuten durchleiden.

Der Rover „Perseverance“ (Durchhaltevermögen), gestartet im Sommer 2020, ist unterwegs zum Marskrater Jezero. Das Gefährt im Kleinwagenformat soll dort Boden und Gestein untersuchen, nach Anzeichen urzeitlichen Lebens fahnden, Proben sammeln, die künftig zur Erde geholt werden könnten, und nicht zuletzt astronautische Missionen zum Roten Planeten vorbereiten.

Touchdown im Jezero-Krater

Zudem gibt es eine Drohne, die in der extrem dünnen Marsatmosphäre fliegen und damit den ersten kontrollierten Flug auf einem anderen Planeten demonstrieren soll. Perseverance markiere den Beginn einer neuen Phase der Erforschung des Mars, sagte Thomas Zurbuchen, Wissenschaftsdirektor der Nasa, am Dienstag. Der ausgewählte Krater sei der anspruchsvollste Landeplatz, der bislang ausgewählt worden sei. „Es gibt keine Garantie, dass die Landung gelingt."

Bisher ist im Schnitt jeder zweite Landeversuch gescheitert, wobei es die Nasa in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gut hinbekommen hat. Ihr bisheriges Meisterstück war es, 2012 den Rover „Curiosity“ (Neugier) heil im Gale-Krater abzusetzen. Perseverance ähnelt ihm sehr und ist mit 1025 Kilogramm nur wenig schwerer. Daher wurde das gleiche Landesystem gewählt, um die sieben Minuten des Grauens erfolgreich zu bewältigen.

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Nachdem die Raumsonde um 21:38 Uhr mitteleuropäischer Zeit die Marsatmosphäre erreicht haben wird, bremst allein die dünne Luft. Der Hitzeschutzschild wird bis zu 1300 Grad Celsius heiß werden. 21:42 Uhr wird sich der Überschall-Fallschirm entfalten und der Hitzeschutzschild abgeworfen. Damit haben Radargerät und Kameras freie Sicht nach unten. Ihre Aufnahmen sollen mit den einprogrammierten Landkarten des Mars abgeglichen werden. Ein neu entwickeltes Autopilotsystem analysiert in Echtzeit die jetzt möglichen Landestellen und gleicht diese mit der aktuellen Position des Raumfahrzeugs ab, um dann den finalen Landeort auf der Marsoberfläche zu bestimmen.

Etwa zwei Kilometer überm Boden wird der Fallschirm abgeworfen und Landetriebwerke zünden. In 20 Metern Höhe wir der „Sky Crane“ aktiviert: Der Rover klappt seine sechs Räder aus und wird an Nylonseilen vom schwebenden „Himmelskran“ herabgelassen. Meldet er Bodenkontakt, werden die Seile gekappt und der Kran fliegt mit dem restlichen Schub noch etwas weg, damit er Perseverance nicht aufs Chassis kracht.

Wenn alles gut läuft, steht der Rover um 21:45 Uhr im Jezero-Krater. Da die Funkwellen bis zur Erde derzeit elf Minuten benötigen, wird das erlösende Signal nicht vor 21:55 Uhr erwartet. Angesichts hunderter beteiligter Forscherinnen und Forscher und Kosten von zweieinhalb Milliarden Dollar wäre eine Bruchlandung ein Fiasko.

Blinde Passagiere unerwünscht

Gelingt das Manöver, wird Perseverance schon bald erste Bilder und auch Tonaufnahmen der Landung schicken. Dann beginnt der Geologie-Roboter mit seiner Erkundung des Kraters. 3,5 Milliarden Jahre alt ist die Delle in der Planetenoberfläche. Früher stand vermutlich mal Wasser darin, ein See etwa von der Größe des Bodensees. Zudem gab es wohl zwei Zuflüsse mit typischen Sedimentfächern, so genannten Deltas. Darin, im angeschwemmten Material, könnten auch Überreste einfacher Lebewesen enthalten sein, vermuten die Forscher. Denn vor Jahrmilliarden war das Klima auf dem Mars lebensfreundlicher, ähnlich wie auf der jungen Erde. Gut möglich, dass es Leben auf unserem Nachbarplaneten gab.

Wie aber lassen sich diese „Biosignaturen“ heute finden? Dazu suchen sich Fachleute Beispiele auf der Erde, berichtet Nicole Schmitz vom Berliner Institut für Planetenforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das an der Mission beteiligt ist. Nasa-Kollegen hätten beispielsweise in Australien Bakterienmatten, sogenannte Stromatolithen, untersucht, sowohl urzeitliche, die längst versteinert sind, als auch heute aktive. „So lernt man, worauf zu achten ist und was die Messgeräte detektieren sollten.“

So wird auch Perseverance mit seiner Ausstattung vorgehen. Seine Kameras werden die Landschaft charakterisieren, Nahaufnahmen von feingeschichteten Sedimenten machen und mit verschiedenen Spektrometern die chemisch-mineralogische Zusammensetzung des Marsbodens analysieren. „Am Ende kann es nur eine Indizienkette sein, die Hinweise auf urzeitliches Leben liefert“, sagt die Wissenschaftlerin. Sie ist skeptisch, dass das vor Ort gelingt. Wahrscheinlicher sei es, dass Proben zur Erde geholt werden müssen, wo es in Laboren bessere Analysegeräte gebe. „Vermutlich können erst diese klar Auskunft darüber geben, ob es sich um Reste belebter Materie handelt oder gewöhnliches Marssediment.“

Darauf ist der Rover vorbereitet. Er soll bis 20 Zentimeter tief bohren und Proben lagern, die eine künftige Mission zur Erde bringen kann. Derzeit diskutieren Nasa und Esa darüber, wie der Transfer gelingt und wer wie viel bezahlt. 2031 könnte es soweit sein, kündigte Zurbuchen an. Perseverance hat dafür 38 Behälter an Bord. „Es sind die wohl saubersten Objekte, die es gibt“, sagt Adam Steltzner, Perseverance-Chefingenieur am Jet Propulsion Laboratory der Nasa. Keinesfalls sollen sich Beweise für Leben auf dem Mars als Reste irdischer Bakterien erweisen, die noch im Behälter klebten.

Es gilt zu vermeiden, Biomasse von der Erde versehentlich auf den Mars zu bringen. „Es wird sehr genau auf Vorsorge geachtet“, sagt Schmitz. Das beginne mit der Auswahl der Landestelle. Wo es vielleicht bis heute fließendes Wasser gibt, darf der Rover gar nicht landen, um Kontaminationen zu vermeiden. Auch bei der Montage wurde peinlich auf Sauberkeit geachtet, erzählt die Forscherin. Jedes erdenkliche Bauteil wurde mehrfach sterilisiert, alle Mitarbeiter mussten mehrere Schleusen passieren, spezielle Schutzkleidung tragen, die nur die Augen freilässt. Hundertprozentigen Schutz, das sagt auch Schmitz, könne es aber nicht geben.

Besuch beim Nachbarn

Die Gefahr nimmt zu, je mehr Missionen die Marsoberfläche erreichen. Er ist ein beliebtes Ziel. Vor wenigen Tagen erst sind zwei weitere Sonden an dem Planeten angekommen. Am 9. Februar ist die Sonde „Al-Amal“ (Hoffnung) der Vereinigten Arabischen Emirate in eine Umlaufbahn eingeschwenkt. Damit ist ihnen die erste interplanetare Mission geglückt. Al-Amal soll das Wetter des Mars genau beobachten, das Zusammenspiel der verschiedenen Atmosphärenschichten und Wind, Wolken und Staub.

Kurz darauf, am 10. Februar, ist die chinesische Mission „Tianwen-1“ (Himmelsfrage) in einen Marsorbit eingeschwenkt. Nachdem eine frühere Marssonde bei einem Mitflug auf einer russischen Rakete den Erdorbit nicht verlassen konnte, hat China ein eigenes Marsprojekt gestartet und nun erfolgreich eine Sonde dorthin gebracht. Der spannende Teil kommt allerdings noch. Geplant ist, im Mai einen Rover in der Ebene „Utopia Planitia“ abzusetzen. Für rund 90 Marstage soll der Rover den Marsboden untersuchen und die Verteilung von Wassereis bestimmen. Die chinesischen Fachleute nutzen ihre Erfahrungen, die sie mit Roboterfahrzeugen auf dem Mond gesammelt haben.

Eigentlich sollte im März auch der „ExoMars“-Rover der europäischen Raumfahrtagentur Esa den Mars erreichen. Er trägt unter anderem einen Bohrer, der Proben aus bis zu zwei Meter Tiefe bergen und analysieren soll. Dort unten, so die Hoffnung der Forscher, könnten Hinweise auf urzeitliches Leben geschützt vor Strahlung bis heute überdauert haben – sofern der Rote Planet tatsächlich belebt war. Doch die ExoMars-Mission hat schon jetzt eine bewegte Geschichte mit etlichen Rückschlägen hinter sich. Beispielsweise machte das Landesystem Probleme, bei Tests war der Fallschirm gerissen. Aus diesen Gründen und weil die Corona-Pandemie die Vorbereitungen zusätzlich unter Druck brachte, entschieden die Esa und ihr Partner Roskosmos im März 2020, den für Sommer geplanten Start zu verschieben. Er soll nun zwischen August und Oktober im Jahr 2022 erfolgen.

Der Zwei-Jahres-Rhythmus hängt mit den Umlaufbahnen von Erde und Mars um die zusammen. Nur alle zwei Jahre befinden sich die beiden Planeten in einer günstigen Konstellation, um mit verhältnismäßig wenig Treibstoff den jeweils anderen zu erreichen. Flüge zu anderen Zeiten wären aufwändiger.

Dieser Rhythmus gilt auch für astronautische Missionen. Unter zwei Jahren für Hin- und Rückreise sind sie nicht zu haben. Wann es soweit sein wird, ist weiter offen. Die Nasa bleibt vage mit einem Verweis auf die „Mitte der 2030er-Jahre“. Auch Elon Musk baut an einer Rakete, die das schaffen soll, „Starship“ genannt. Zuletzt gelang mit der Oberstufe ein Testflug bis in zehn Kilometer Höhe, doch die Landung scheiterte. Es wird wohl noch ein wenig dauern.

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