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Mondäne Technik. Noch hat der Rover der chinesischen Mission Chang’e 4 keinen Namen und ist auch noch nicht wie geplant auf der erdabgewandten Seite des Trabanten gelandet. Die Illustration zeigt ihn, wo er hin soll: im Südpol-Aitken-Becken.
© mlh/Xinhua/dpa

Trabant-Rennen: Und wieder lockt der Mond

2019 könnte "Internationales Jahr des Mondes" heißen. Auch eine Berliner Mission soll dort landen. Sie und andere bereiten den Weg für die Rückkehr des Menschen

Jahrzehntelang ließ die Menschheit den Mond weitgehend in Ruhe. Doch nun ist er wieder ein gefragtes Reiseziel – wenn auch vorerst nur für robotische Missionen. Am Donnerstag setzte ein chinesischer Lander auf der Rückseite des Mondes auf. Noch im Januar soll eine indische Mission starten, im Februar dann die erste israelische und in der zweiten Jahreshälfte schließlich die Berliner Mondsonde „Alina“. Dass diese Aktivitäten gerade in das 50. Jubiläumsjahr der ersten bemannten Mondlandung am 21. Juli 1969 fallen, ist Zufall. Gleichwohl markieren sie den Weg etlicher Raumfahrtnationen: die Rückkehr auf den Mond.

Auf nach Süden

Wann wieder ein Mensch seinen Fuß auf den Trabanten setzen wird und welche Nation oder welches Staatenbündnis das neue „Moon Race“ gewinnt, lässt sich noch nicht sagen. Die unbemannten Missionen und die damit verbundenen Technologieentwicklungen werden aber eine wichtige Rolle dafür spielen. „Im Falle von China ist das offensichtlich“, sagt Harald Hiesinger, Planetengeologe und Mondforscher von der Universität Münster. „Die haben ein solides Mondprogramm, das sie abarbeiten, einschließlich weicher Landung von Sonden, Roboterfahrzeugen, und Kommunikation von der erdabgewandten Seite mit Hilfe eines Relais-Satelliten.“ Um 2030 will China auch Menschen zum Mond bringen. Es gehe nicht allein um Technologie, auch Wissenschaft spiele eine wichtige Rolle: „Wenn man sich die Fachpublikationen anschaut, leistet China inzwischen einen großen Beitrag zur Mondforschung“, sagt Hiesinger, der unter anderem zum Team der Nasa-Sonde „Lunar Reconnaissance Orbiter“ gehört.

An der aktuellen chinesische Mission namens Chang'e-4, gestartet am 7. Dezember, ist Hiesinger nicht beteiligt. Am gestrigen Sonntag meldete das Staatsfernsehen aus Peking, das nach der chinesischen Mondgöttin benannte Raumschiff sei in einen entsprechenden Orbit gebracht worden. Demnach ist nun konkret für den 3. Januar die erste weiche Landung auf der erdabgewandten Seite geplant, im Südpol-Aitken-Becken. Diese 2500 Kilometer durchmessende Struktur entstand bei einem Asteroiden-Einschlag vor rund vier Milliarden Jahren. Weil es auf dem Mond keine Plattentektonik gibt, die die Felsen der äußeren Hülle wieder und wieder recycelt, dürften in diesem Becken bis heute Gesteine aus den tieferen Schichten der Mondkruste zu finden sein, vermutlich sogar aus dem Mantel des Erdtrabanten. Das macht die Region so viel spannender als etwa die Apollo-Landestellen, die sich in geologisch jüngeren Strukturen befinden.

Ein Becken voller alter Steine

„Das Südpol-Aitken-Becken verspricht am ehesten, die großen Fragen der Mondforschung zu beantworten“, sagt Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin. Als da wären: Wie ist der Mond entstanden, hat er einen Kern, wie hat er sich abgekühlt, wie lange gab es Vulkanismus und welche Auswirkungen hatte der massive Beschuss mit Asteroiden während des „Late Heavy Bombardement“ vor rund vier Milliarden Jahren? Dabei gehe es nicht nur um den Mond. „Seine Geschichte zu entschlüsseln hilft auch die frühe Entwicklung anderer felsiger Himmelskörper wie Erde oder Mars besser zu verstehen, wo viele der alten Spuren längst zerstört sind“, ergänzt der Planetenforscher.

Was kann die jüngste Mission Chinas zur Beantwortung der Fragen beitragen? Mit dem Lander ist ein Rover unterwegs, der die nähere Umgebung erkunden soll. Geplant sind chemische Analysen von Gestein und Mondboden, die Temperatur wird erfasst wie auch die Strahlung auf der Oberfläche. Dafür wird übrigens ein Messgerät benutzt, das an der Universität Kiel entwickelt wurde. Wenn alles gut läuft, wird es weitere Daten von einer bisher wenig erforschten Region geben. „Einen großen Durchbruch bei den zentralen Mondfragen erwarte ich aber nicht“, sagt Jaumann. „Dafür sind sehr genaue Messungen etwa der Isotope im Gestein und im Mondboden nötig – und dafür muss man Proben in spezialisierte Labore auf der Erde bringen.“

Diesen Transport werden aber auch die anderen Mondmissionen der näheren Zukunft nicht leisten. Trotzdem versprechen sie weitere Erkenntnisse für Mondforscher und Raumfahrtingenieure. Am 30. Januar will Indien mit der Mission „Chandrayaan-2“ eine Landeeinheit samt Rover zum Mond schicken. Das Landeziel liegt nicht in Äquatornähe, sondern in höheren südlichen Breiten. Dort sollen mittels eines Spektrometers das Gestein chemisch analysiert und Mondbeben gemessen werden. Diese Erschütterungen können eine Magnitude von 5 erreichen und werden vor allem durch die Gezeitenbewegungen ausgelöst. Mithilfe der seismischen Wellen hoffen Forscher, mehr über den Aufbau des Untergrunds zu erfahren.

Israel: Magnetometer und PR

Voraussichtlich Mitte Februar wird die erste israelische Mondmission an Bord einer Falcon-9-Rakete von Cape Canaveral (Florida) aus starten. Das Besondere: Es wird die erste Mondmission sein, die weitgehend ohne eine Raumfahrtbehörde auf den Weg gebracht wurde. Die Organisation SpaceIL ist einer der wenigen verbliebenen Teilnehmer im Google Lunar X Prize, der mit Preisgeldern in Millionenhöhe die private Raumfahrt stimulieren wollte. Die letzte Deadline für den Nachweis der erfolgreichen Landung ist zwar am 31. März 2018 ungenutzt verstrichen, doch eine Handvoll Teams ist noch dabei. SpaceIL könnte das Rennen gewinnen. Abgesehen von einem Magnetometer des Weizmann-Instituts wird der Lander „Genesis“ aber kaum Wissenschaft betreiben. Technologieentwicklung und ein „Apollo-Effekt“ für die israelische Hightech-Industrie stehen für die Organisatoren deutlich im Vordergrund.

Eine ähnliche Historie hat auch die Mission der Berliner Firma „PTScientists“, entstanden aus einer kleinen Gruppe Ingenieure, die sich einst „Part Time Scientists“ nannte. Längst betreibt sie keine Teilzeitforschung mehr, sondern arbeitet an einem privat finanzierten Mondflug. Der könnte in der zweiten Jahreshälfte ebenfalls an Bord einer Falcon-9-Rakete starten. Ihr Raumschiff „Alina“ und der Rover „Audi Lunar Quattro“ sollen nahe der Landestelle von Apollo-17 aufsetzen und die historischen Fußspuren sowie das zurückgelassene Mondfahrzeug aufsuchen. Das Team hofft damit auf Erkenntnisse zur Verwitterung auf dem Mond, die auch für künftige Missionen wichtig sind. Eine wichtige Frage ist etwa, ob sich auf dem Fahrzeug Staub abgesetzt hat oder nicht.

Der Fokus liegt auch hier aber auf der Technologieentwicklung. „Ich verfolge solche privaten Initiativen sehr aufmerksam“, sagt Hiesinger. „Sollte es ihnen gelingen, zuverlässige Fluggelegenheiten zu annehmbaren Kosten anzubieten, sind diese auch für uns Wissenschaftler interessant.“

100-Kilometer-Rover

Den ersehnten, aber sehr aufwändigen Probentransport vom Mond zur Erde können wohl nur die großen Raumfahrtagenturen organisieren und finanzieren. Dies könnte in acht bis zehn Jahren mit „Heracles“ gelingen. So heißt das Konzept einer Robotermission, die – geleitet von der Europäischen Raumfahrtagentur Esa mit Beteiligung Russlands und Japans – rund 15 Kilogramm Proben vom Südpol-Aitken-Becken zur Erde holen soll. Allerdings würde es keinen direkten Hin- und Rückflug wie damals bei Apollo geben. Stattdessen dürfte der geplante „Lunar Orbital Platform-Gateway“, eine Art Nachfolger der Internationalen Raumstation zwischen Mond und Erde, als Umschlagplatz dienen. Von dort würden die Mondproben dann mit einem Raumschiff zur Erde gebracht. Heracles soll aber nicht nur Gestein am Landeplatz einsammeln. Vorgesehen ist auch ein Rover, der 100 Kilometer über den Mond rollt und die Gegebenheiten für eine Landung von Astronauten untersucht.

Wenn Roboter immer besser werden, stellt sich natürlich die Frage nach dem Sinn viel teurerer und gefährlicherer bemannter Missionen. Für Jaumann und Hiesinger ist die Antwort klar: Menschen können schnell Entscheidungen treffen und flexibel auf ihre Umwelt reagieren. Sie können daher besser fremde Himmelskörper erkunden und geeignete Proben nehmen als Roboter. Und das dürfte noch eine Weile so bleiben. „Sie könnten auch – idealerweise in Kooperation mit Robotern – komplexe Geräte wie zum Beispiel empfindliche Radioteleskope auf der erdabgewandten Mondseite aufbauen und warten“, nennt Jaumann ein weiteres Argument, das er und Vertreter von 15 Raumfahrtagenturen in einem Weißbuch für die wissenschaftlichen Schwerpunkte der bemannten Raumfahrt jenseits des erdnahen Raums formuliert haben. „Nicht zuletzt hat das auch eine kulturelle Dimension“, sagt Hiesinger. „Für viele Menschen auf der Erde ist es bedeutsam zu wissen, dass einer von ihresgleichen auf einem fernen Himmelskörper umherläuft.“

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