Studienstart an der Berliner Islam-Theologie: "Die islamische Welt besser verstehen"
Nach langen Kontroversen startet das Institut für Islamische Theologie der Humboldt-Uni. Studierende und Lehrende zeigen sich gespannt - und gelassen.
Die historischen Holztische im Weierstraß-Hörsaal der Humboldt-Universität sind blau-schwarz tätowiert von den Formeln und Zeichnungen, die Studierende hier seit Jahrzehnten hinterlassen haben. Doch am Dienstagmorgen beginnt im zweiten Stock des HU-Hauptgebäudes etwas ganz Neues: Die ersten Studierenden der Islamischen Theologie werden begrüßt. Mit der Einführungsveranstaltung nimmt das neue Institut nach vielen Konflikten offiziell seine Arbeit auf.
„Sie sind nicht nur Erstsemester, Sie sind Erstimmatrikulierte und können alle sagen, Sie haben Geschichte geschrieben“, sagt Gründungsdirektor Michael Borgolte zur Begrüßung. Ihm gegenüber sitzen gut 20 der bislang 55 immatrikulierten Studierenden und die ersten Lehrenden. Sie erfahren gleich, dass „seit dem Frühjahr 2017 viel Arbeit und viel Leidenschaft“ investiert werden musste, damit es zur Gründung kommen konnte.
Der von der Landespolitik gewünschte Versuch, in Berlin das bundesweit sechste Uni-Institut für Islamische Theologie zu schaffen, stieß – wie Borgolte betont – „auf viel Widerstand“.
Das Unbehagen, dass viele in Berlin grundsätzlich mit einem Koran-Studium an einer öffentlichen Universität verbinden, machte sich an der Besetzung des Beirats fest. Wie in den christlichen Theologien brauchen der Lehrplan und die Professuren eine Unbedenklichkeitserklärung vonseiten der Glaubensgemeinschaften.
Der Berliner Beirat ist – ebenso wie die anderen seit 2011 gegründeten Gremien – ausschließlich mit Vertretern konservativer Islam-Verbände besetzt. Liberale oder progressive Gruppierungen wurden nicht berücksichtigt. Begründet wird dies damit, dass sie noch nicht genügend Gläubige in der Stadt verträten und die Konservativen nicht in einem Beirat mit ihnen zusammenarbeiten würden. In der Konstituierungsphase zog sich dann mit der türkischen Ditib der größte Verband zurück, und auch der Verband der Islamischen Kulturzentren verabschiedete sich aus den Verhandlungen.
Wer sich für ein Studium entschieden hat
Gestritten wurde etwa über die verbandsunabhängigen muslimischen Vertreter, die das konservative Übergewicht ausgleichen sollen. Doch bislang hat der Beirat seine Bewährungsproben bestanden. Mit der Berufung von bislang fünf der sechs geplanten Professuren „hat sich seit einigen Wochen abgezeichnet, dass wir Erfolg haben werden“, sagt Michael Borgolte am Dienstag.
Nun also kann der Studienbetrieb pünktlich zum Semesterstart beginnen – mit Arabischkursen, einer Einführungsvorlesung und einem Seminar zu Islamischer Theologie sowie einer Lehrveranstaltung zu Koran und Hadith, den Überlieferungen der Aussprüche und Handlungen des Propheten Mohammed.
Aber wer sind die Studierenden, die sich trotz der schwierigen Vorgeschichte für ein Studium der Islamischen Theologie entschieden haben? Sind sie skeptisch, was ihnen am neuen Institut geboten wird? „Skeptisch – nein, ich bin einfach nur gespannt“, sagt eine der Studentinnen. Sie hat bereits ein Pharmazie-Studium abgeschlossen, arbeitet in einer Apotheke und will nebenberuflich studieren, sagt die junge Frau. Sie ist eine der Kopftuchträgerinnen im Hörsaal, andere kommen unbedeckt, und in der Gruppe der Studierenden halten sich Männer und Frauen in etwa die Waage.
Von der Islamwissenschaft der FU zur HU-Theologie
Für sie sei es besonders interessant, sagt die Pharmazeutin noch, „wie breit das Fach an der HU aufgestellt ist“: Als bundesweit einzige Islam-Theologie wagt die Neugründung einen Brückenschlag von der sunnitischen zur schiitischen Tradition. Versprochen wird eine „Theologie der Vielfalt“. Dieses Angebot interessiert auch Ines, Erasmusstudentin aus Strasbourg: „Ich will die islamische Welt besser verstehen, um später für die EU oder für die Vereinten Nationen arbeiten zu können.“
Als Borgolte um Fragen bittet, meldet sich ein junger Mann in der ersten Reihe. Er sei Student der Islamwissenschaften an der Freien Universität – „einer von vielen Leuten, die auf die Islamische Theologie gewartet haben“. Wie die beiden Studiengänge zusammenpassen, ob HU-Kurse an der FU angerechnet werden, sei dort aber nicht zu erfahren. Zu dieser Frage gebe es bislang keine Kommunikation, gibt Borgolte bedauernd zu. „Wir sind offen dafür.“
Die Sorge an der FU, ein bekenntnisgebundenes Islam-Studium könnte dem dort seit Langem etablierten kulturwissenschaftlich ausgerichteten Fach die Studierenden „wegnehmen“, stand am Anfang der Diskussion um eine Berliner Islam-Theologie. Eine andere FU-Studentin versichert aber, sie werde ihren Bachelor in Islamwissenschaften in Dahlem beenden – und parallel Theologie-Kurse an der HU belegen. Die „neutrale Perspektive“ an der FU gefalle ihr nach wie vor sehr gut.
"Der Wissenschaft verpflichtet"
Einer der künftigen Professoren, die sich den Studierenden vorstellen, ist Serdar Kurnaz, der Islamisches Recht lehrt. Die Kontroversen um die Berliner Islam-Theologie hätten ihn keineswegs abgeschreckt von der Uni Hamburg an die HU zu wechseln, sagt Kurnaz im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Ich sehe das als Dynamik zum Aufbau.“
Sein Kollege Mohammad Gharaibeh, Experte für Islamische Ideengeschichte, betont, dass der Beirat kaum Einfluss auf die Arbeit des Institut haben werde: „Wir sind Professoren und der Wissenschaft verpflichtet.“