zum Hauptinhalt
Die Kunst des Führens. HU-Ex-Präsident Hans Meyer hält seine Präsidialverfassung noch immer für gut.
© picture alliance / dpa

Kandidatensuche: Die Humboldt-Uni hat es eilig

Präsidentenwahl: Nach dem jüngsten Flop will die HU ihr neues Präsidium schnell auf die Beine stellen.

Nachdem der einzige Kandidat für das Präsidentenamt an der Humboldt-Universität, der Würzburger Mediziner Martin Lohse, im November überraschend abgesprungen ist, sucht die HU unter Hochdruck eine Alternative. Die Chancen, noch im Dezember jemanden präsentieren zu können, stehen gut, ist aus der Uni zu hören. Namen kursieren, auch von Frauen. In jedem Fall muss sicher sein, dass die Person, die das Kuratorium der HU vorschlägt, auch wirklich von einer Mehrheit im Konzil für wählbar gehalten wird. „Es darf jetzt absolut nichts mehr schiefgehen“, sagt ein Angehöriger der Uni. Auch ein Kompromiss auf einem zu kleinen Nenner, also eine Einigung auf eine zu unbedeutende Person, werde als Schlappe bewertet werden.

Frühestens Mitte Januar könnte gewählt werden

Ursprünglich wollte die HU schon im Mai dieses Jahres wählen. Weil Amtsinhaber Jan-Hendrik Olbertz erst spät entschied, nicht noch einmal anzutreten, war der Termin aber nicht haltbar. Auch ein weiterer Termin im Juli platzte. Nach der Absage Lohses könnte die Wahl nun frühestens Mitte Januar stattfinden, ebenso wie die der beiden Vizepräsidenten für Forschung und für Lehre. Erst danach dürfte ein Vizepräsident für Haushalt gewählt werden – der neue Präsident soll Einfluss auf die Personalie nehmen.

Lohse brach seine Zusage - und gab der HU die Schuld

Lohse hat die HU in eine peinliche Lage gebracht, als er seine Kandidatur mündlich wie schriftlich zusagte, dann aber zurückzog – und die Schuld daran auch noch der HU gab: Laut Rolf Emmermann, dem Kuratoriumsvorsitzenden der HU, hat Lohse mitgeteilt, er sei „zu denselben Schlüssen gekommen, mit denen Amtsinhaber Jan-Hendrik Olbertz im Konzil nicht durchgedrungen ist“. Olbertz hatte nach langem Lavieren von einer erneuten Kandidatur abgesehen, weil die Uni seine Bedingung dafür – die Einführung eines Kanzlers – nicht erfüllen wollte. Die HU hat seit 15 Jahren keinen Kanzler mehr. Der Haushalt liegt in den Händen eines Vizepräsidenten, die Personalverantwortung ist zwischen den Vizepräsidenten aufgeteilt. Ohne einen Kanzler, bei dem die Fäden für Personal und Finanzen zusammenlaufen, ist die HU laut Olbertz aber nicht professionell zu leiten.

Das MDC ist darauf gefasst, dass Lohse "uns die Humboldt macht"

So sieht Lohse es also auch. – Wirklich? Oder dürfte bei seinem Schwenk nicht vielmehr seine parallel laufende Bewerbung für die Leitung des Max-Delbrück-Centrums (MDC) in Berlin-Buch eine Rolle gespielt haben? Dann wäre Olbertz’ Argument nur eine Steilvorlage für Lohse gewesen, um sich für seine Unzuverlässigkeit gegenüber der HU zu rechtfertigen. Am MDC rechnet man damit, dass Lohse am Donnerstag zum Leiter ernannt wird, scherzt allerdings, man sei darauf gefasst, „dass er uns die Humboldt macht“, also zurückzieht.

Die HU steht durch Olbertz’ und Lohses Verhalten jedenfalls als „unregierbar“ und reformunwillig da. „Ein schwerer Imageschaden ist entstanden“, sagt die Sozialwissenschaftlerin Larissa Klinzing, Mittelbausprecherin der HU.

Immer wieder hat die HU reformiert - geräuschlos

Dass die HU mit der Abschaffung ihres Kanzlers vor 15 Jahren veränderungsresistent geworden wäre, lässt sich tatsächlich nicht erkennen. Bei der Einführung der riesigen Bachelor-Reform vor über zehn Jahren gehörte die HU bundesweit zu den schnellsten, bei der Akkreditierung war sie ebenfalls vorn. Die vom Präsidenten gewünschte Fakultätsreform ist – mit Änderungen – unterwegs. Die aktuelle Reform des Lehramtsstudiums hat die HU aus dem Boden gestampft. Und während es an der FU über die vom Berliner Senat verlangte Rahmenstudienordnung schwere Konflikte gab, verhandelte man an der HU zwar auch kontrovers, aber nach außen geräuschlos. „Wenn die Gremien was zu sagen haben, blockieren sie nicht, sondern finden Lösungen“, sagt Klinzing, die auch der Kommission für Lehre und Studium vorsitzt. Die HU habe in vier Jahren über 180 Studiengänge neu justiert. Nun gehe sie das Problem der zu vielen kleinen Masterstudiengänge an.

Die Verwaltung gilt als reformbedürftig

Die HU ist also handlungsfähig. Gleichwohl gilt ihre Verwaltung als reformbedürftig. Bei Anhörungen durch die Verfassungskommission der HU im vergangenen Jahr erklärten Vertreter der Fakultäten dem Abschlussbericht zufolge, die Abläufe seien unübersichtlich. Es fehle eine Gesamtverantwortung für Haushalt und Personal und ein ständiges Controlling. Die Abteilungsleiter beklagten einen Mangel an Kommunikation und Organisation. Die Vizepräsidenten plädierten dafür, die Gesamtverantwortung für den Haushalt zu stärken. Entsprechend ist die Zuständigkeit für den Overhead aus Drittmitteln inzwischen von dem Forschungs- auf das Haushaltsressort verlagert worden.

Der Kanzler - für Olbertz ein Schicksalsthema

Olbertz hat die Einführung eines Kanzlers zum Schicksalsthema der HU erklärt. Ob die Probleme wirklich besser von einem Kanzler gelöst werden können, war in der Verfassungskommission aber umstritten. Schließlich funktioniert manches schon nicht, weil der Posten des Vizepräsidenten für Haushalt nach dem Ausscheiden des langjährigen Amtsinhabers Frank Eveslage im Jahr 2010 immer nur kurzfristig oder kommissarisch besetzt war.

Teamarbeit ist besser, meint Ex-Vize Eveslage

Unter den in der Verfassungskommission Angehörten plädierte Knut Nevermann, damals Staatssekretär für Wissenschaft, für den Kanzler, ebenso Dieter Kaufmann, der Kanzler der Uni Ulm. Stephan Becker, früher Kanzler der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) und Peter Frensch, Vizepräsident für Forschung der HU, hielten es für nötig, dass eine Person den Überblick sowohl über die Finanzen als auch über das Personal hat – sei es nun ein Kanzler oder der Vizepräsident für Haushalt. Der frühere Vizepräsident für Haushalt Eveslage, der von 1994 bis 1999 als Vizekanzler der HU auch Erfahrung mit dem Kanzlermodell gesammelt hat, sprach sich gegen einen Kanzler aus. Ein Kanzler könne von den vielen Aufgaben leicht überlastet sein; es sei besser, im Team zu arbeiten.

Wenn der Kanzler Olbertz so wichtig ist - warum konnte er keine Mehrheit dafür organisieren?

In der Verfassungskommission ging die Abstimmung über den Kanzler im Herbst vor einem Jahr unentschieden aus: drei zu drei bei einer Enthaltung. Kurz darauf lehnte das Konzil die Einführung des Kanzlers ab. „Wenn Olbertz der Kanzler so wichtig war, warum hat er es dann ein Jahr lang nicht geschafft, eine Mehrheit dafür zu organisieren?“, fragt ein Insider.

Ex-Präsident Hans Meyer hält die Kanzlerfrage für "irrelevant"

Der frühere HU-Präsident Hans Meyer (1996–2000), der Vater der Präsidialverfassung der HU, hält die verbreitete Wahrnehmung, die übergreifende Verantwortung sei dort verloren gegangen, für einen „Irrtum“: „Die Verfassung kennt eine übergreifende Verantwortung für die Verwaltung und die Finanzen. Sie liegt beim Präsidenten und dem Präsidium und für die Finanzen zusätzlich beim Beauftragten für den Haushalt und beim Kuratorium“, teilt der emeritierte Staatsrechtler auf Anfrage mit. Und weiter: „Wie irrelevant die Frage des Kanzlers ist, können Sie auch daraus ersehen, dass niemand einen hindert, den für den Haushalt zuständigen Vizepräsidenten auch Kanzler zu nennen.“

Entscheidend ist demnach, was das Präsidium der HU aus ihrer Verfassung macht. Olbertz wird sich damit bald nicht mehr herumschlagen müssen. Selbst wenn er doch noch kandidieren wollte, gilt es an der HU als ausgeschlossen, dass das Kuratorium ihn aufstellen würde.

Zur Startseite