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Hoffnungsvoller Start. Vor fünf Jahren nahm Jan-Hendrik Olbertz die Amtskette von seinem Vorgänger Christoph Markschies entgegen.
© picture alliance / dpa

Humboldt-Universität vor der Wahl: Olbertz lässt sich bitten

Jan-Hendrik Olbertz hatte eigentlich ausgeschlossen, wieder als Präsident der Humboldt-Uni zu kandidieren. Mehrere Professoren haben ihn umgestimmt

Jan-Hendrik Olbertz soll doch noch für eine zweite Amtszeit als Präsident der Humboldt-Universität kandidieren. Dies wünscht sich jedenfalls eine Gruppe von Professorinnen und Professoren der HU, an ihrer Spitze der Historiker Jörg Baberowski und die Kulturwissenschaftlerin Iris Därmann. „Wir haben Kollegen angesprochen, die an der Universität etwas darstellen“, sagt Baberowski. 20 bis 30 Professoren stünden hinter der Initiative. In einem Schreiben hat Baberowski das Konzil der HU gebeten, Olbertz’ Wiederwahl in Betracht zu ziehen, sofern er vorgeschlagen wird. „Natürlich haben wir ihn vorher gefragt, ob er es macht“, sagt Baberowski. „Er hat Ja gesagt.“ Gegenüber dem Tagesspiegel wollte Olbertz sich dazu nicht äußern.

Olbertz' Strategie hatte Folgen

Dass der Erziehungswissenschaftler eigentlich gerne Präsident bleiben möchte, überrascht nicht. Allerdings hatte er seine Kandidatur schon vor Monaten von der Bedingung abhängig gemacht, dass die Uni doch noch einen Profi ins Präsidium holt, der als Kanzler den Überblick über die Finanzen hat. Das Konzil der Uni war aber der Meinung, die existierenden Probleme in der Verwaltung seien auch mit dem etablierten Team von Vizepräsidenten lösbar.

Olbertz’ Strategie hatte Folgen. Die Formulierung in der Ausschreibung, die das Kuratorium der HU am 15. Januar veröffentlichte, war wolkig: „Der derzeitige Amtsinhaber hat in Aussicht gestellt, erneut für das Amt zu kandidieren“ – anstatt wie üblich: „Der Amtsinhaber bewirbt sich.“ Erst Mitte März erklärte Olbertz, er werde kein zweites Mal antreten. Da war klar geworden, dass er in der Kanzlerfrage keine Mehrheit im Konzil organisieren konnte.

Eine Mehrheit für ihn ist keineswegs sicher

An der HU nehmen viele Olbertz sein langes Lavieren übel. Für sie sah es so aus, als habe er absichtlich viel Zeit bis zu seiner Entscheidung verstreichen lassen, um die Uni bei der Präsidentensuche unter Zeitdruck zu setzen und doch noch gefügig zu machen. Auch habe der Ausschreibungstext potenzielle Mitbewerber abgeschreckt. Der Wahltermin im Mai war nicht mehr zu halten. Nun soll am 17. November gewählt werden.

Für Olbertz wäre eine Mehrheit unter den 61 Mitgliedern des Konzils aber keineswegs sicher. Die Studierenden würden ihn nicht wählen, ist zu hören, in der Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter sei man ebenfalls eher abgeneigt, unter den nicht wissenschaftlichen Mitarbeitern sei die Stimmung geteilt. Diese drei Gruppen machen zusammen 30 Stimmen aus. Die Gruppe der Professoren hat 31 Stimmen: „Manche sagen, Olbertz ist gut, sie würden ihn wiederwählen. Andere sagen, er ist einmal zu viel zurückgetreten“, sagt ein Professor, der dem Konzil angehört. Tatsächlich war der Präsident im Dezember 2013 aus Ärger über den studentischen Widerstand gegen die Fakultätsreform zurückgetreten – hatte sich aber eine halbe Stunde später wieder umentschieden.

Sein Erfolg in der Exzellenzinitiative wird durchaus gewürdigt

Insgesamt geht der Trend an der HU weg von Olbertz, sagt eine Professorin. Sein großer Anteil am Erfolg in der Exzellenzinitiative werde aber gewürdigt, ebenso sein „Charme“. Doch immer wieder ist auch zu hören, die Argumente seiner Gesprächspartner prallten an Olbertz meistens ab: „Er glaubt, er diskutiert. Aber es redet nur einer“, sagt ein Professor. Ein anderer sagt, die HU sei natürlich für neue Ideen offen. Aber ein Präsident müsse auch die Gremien und die typische Art einer Uni akzeptieren: „Da war Olbertz nicht immer feinfühlig.“ Dies wird an der HU darauf zurückgeführt, dass Olbertz, früher Professor in Halle-Wittenberg, bei seinem Amtsantritt im Jahr 2010 schon acht Jahre Politiker war, nämlich Kultusminister in Sachsen-Anhalt.

An der HU befürchten manche, Olbertz rede zu schlecht über sie

An der HU haben manche aber inzwischen den Eindruck, Olbertz könne sich mit seiner Niederlage nicht abfinden und spreche darum seit Langem schlecht über die HU. Das schade ihrem Ruf und erschwere die Suche nach einem Nachfolger. Viele trauen Olbertz sogar zu, dass er im August die „FAZ“ zu einem großen Artikel inspiriert hat, in dem der HU eine „traumatische Angst vor Veränderung und eine noch größere vor Führung“ attestiert wurde. An der HU verbreitete sich Empörung, Vizepräsident Michael Kämper-van den Boogaart schickte intern eine Richtigstellung in sechs Punkten herum.

Der Vorwurf der Reformunwilligkeit hat viele getroffen. Die Gremien seien sehr wohl handlungsfähig, sagt ein Professor. So hätten sie, um Olbertz entgegenzukommen, die große Fakultätsreform beschlossen – wenn auch mit zahlreichen Änderungen –, sie hätten die Studienordnungen für das neue Lehrerstudium in nur einem Jahr durchgepaukt und anders als die FU ohne Aufsehen eine Rahmenordnung fürs Studium beschlossen.

Jörg Baberowski sieht in den Gremien auch "Reformverweigerer"

Baberowski hat von den Gremien allerdings nicht den besten Eindruck. Dort gebe es durchaus „Reformverweigerer“. Im Konzil habe seine Pro-Olbertz-Initiative denn auch negative Reaktionen hervorgerufen, berichtet er. „Die Gremien sind aber nicht allein die Uni, andere sind auch die Uni, vielleicht der wichtigere Teil – nämlich der, der keine Zeit hat, in den Gremien zu sitzen“, sagt er. Diese Professoren dürften sich sehr wohl auch etwas wünschen. Olbertz sei ein „verbindlicher und freundlicher Präsident“. Er habe recht mit seinem Wunsch, wieder den Kanzler einzuführen: „Die FU fährt mit dem Kanzler viel besser.“

Baberowski und seine Mitstreiter haben Ende September eine HU-interne Debatte zur Zukunft der Universität veranstaltet, bei der Olbertz auftrat. In der Uni wurde dies als Versuch betrachtet, den Präsidenten wieder zu positionieren. Die Veranstaltung sei aber schlecht besucht gewesen – vielleicht wegen der Semesterferien, vielleicht weil das Interesse fehlte.

Olbertz kann nur kandidieren, wenn die Findungskommission ihn lässt

Ob Olbertz überhaupt als Kandidat zugelassen würde, liegt in den Händen der Findungskommission der HU. Ihr gehören vier Mitglieder des Konzils und vier Mitglieder des Kuratoriums an. Geleitet wird sie von Rolf Emmermann, dem Vorsitzenden des Kuratoriums. Vor wenigen Tagen hat sich das Gremium getroffen, um aus den Kandidaten diejenigen auszusuchen, die in die engere Wahl kommen und zur Anhörung ins Kuratorium eingeladen werden, ist zu hören. Ende Oktober soll dann im Kuratorium entschieden werden, wer zur Wahl antreten darf.

"Das Kuratorium hat versucht, ihn zur Kandidatur zu bewegen"

Müsste der Amtsinhaber nicht in jedem Fall eine zweite Chance bekommen, selbst wenn er schon einmal abgesagt hat? Rolf Emmermann sagt dazu: „Das Kuratorium hat intensiv versucht, Herrn Olbertz zur Kandidatur zu bewegen. Er hat sich aber anders entschieden. Wir gehen nicht davon aus, dass er wieder antritt.“ Baberowskis Initiative sei in der jetzigen Phase „wenig hilfreich“.

Die Findungskommission sucht sowohl in den eigenen Reihen als auch an anderen Unis. Eine externe Interessentin sprang vor ein paar Wochen ab, weil die Findungskommission in ihren engen Wirtschaftskontakten ein Hindernis sah.

Emmermann und die anderen Mitglieder der Findungskommission haben die schwierige Aufgabe, eine Persönlichkeit zu finden, die im Konzil eine Mehrheit auf sich vereinigt. Im Mai ließ das Wahlgremium die Kandidatin für das zu diesem Zeitpunkt seit einem Jahr vakante Amt der Vizepräsidentin für Haushalt durchfallen – eine für beide Seiten peinliche Situation, die sich nicht noch einmal wiederholen soll. An der Uni liebäugeln viele mit internen Kandidaten, sogar mit Kandidatinnen. Dass eine Frau eine Uni leitet, hat es in der über 200-jährigen Berliner Uni-Geschichte erst einmal gegeben: An der HU war Marlies Dürkop von 1992 bis 1996 Präsidentin.

Emmermann sagt, der Wahltermin am 17. November solle gehalten werden: „Ich bin konkret im Gespräch mit einer Person.“ Olbertz dürfte damit wohl nicht gemeint sein. Zu hören ist aber, er sei bereit, als Interimspräsident ein Jahr weiterzumachen, damit die Uni keinen „Panikkandidaten“ küren muss.

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