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Der Mediziner Martin J. Lohse.
© Bayern Innovativ GmbH

Von der Humboldt-Uni zum Delbrück-Centrum: Martin Lohses doppeltes Spiel in Berlin

Der Mediziner Martin Lohse, der seine Kandidatur an der Humboldt-Uni absagte, will jetzt Chef des Max-Delbrück-Centrums werden.

Ob er gleichzeitig mit den Gesprächen an der Humboldt-Universität auch am Berliner Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin verhandelt hat? Dazu wollte sich Martin Lohse gegenüber dem Tagesspiegel nicht explizit äußern. Nur so viel verriet der Kandidat für das Präsidentenamt an der HU, der in der Nacht zum Montag überraschend abgesprungen war: Solange er an der Universität verhandelt habe, sei er ganz bei der Sache gewesen – und davon ausgegangen, dort Präsident zu werden. Bis sich eben in weiteren Gesprächen herausgestellt habe, dass an der Humboldt-Uni eher ein Verwaltungs- und Finanzmanager denn ein Wissenschaftler an der Spitze des Präsidiums gefragt sei.

So begründet Lohse seine Absage, die am Montag, einen Tag vor der geplanten Anhörung im Konzil der HU, öffentlich wurde. Im Übrigen sei es aber kein Geheimnis „dass ich auf dem Markt bin“, hat Lohse erklärt.

Schon am Freitag singt Lohse beim MDC vor

Tatsächlich hat Lohse in Berlin offenbar ein doppeltes Spiel gespielt – und mit ihm womöglich eine der beteiligten Senatsverwaltungen. Denn am Dienstag erfuhr der Tagesspiegel aus dem Umfeld des Max-Delbrück-Centrums, das dort schon am Freitag dieser Woche die Findungskommission über Lohses Bewerbung beraten solle.

Das Interesse des MDC an ihm als Vorstandsvorsitzendem hatte der Mediziner zwar zwischenzeitlich an der HU transparent gemacht. Der Vorsitzende des HU-Kuratoriums, Rolf Emmermann, war aber ebenso wie Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach davon ausgegangen, dass sich Lohse ohne Wenn und Aber für die HU entschieden habe. Beide hielten seit Juli engsten Kontakt mit ihm. Lohses Zusage sei spätestens mit der einstimmigen Nominierung durch die Findungskommission und das Kuratorium der Universität am 29. Oktober besiegelt und auch von ihm bestätigt gewesen.

"Ein Glücksfall und eine tolle Besetzung für das MDC"

Wie nun kommt das Max-Delbrück-Centrum dazu, gleichzeitig mit der HU um Lohse zu werben und ihn schließlich gar abzuwerben? Attraktiv ist der Mediziner und Pharmakologe, der 2001 ein DFG-Forschungszentrum für experimentelle Biomedizin an seine Heimatuniversität Würzburg holte, allemal für das Molekularmedizinische Centrum in Berlin. Dass der Mann, um den sich die HU bemüht, von seinem Profil her eigentlich besser zum MDC passt, wird nicht nur das derzeit kommissarisch geleitete Haus in Berlin-Buch interessiert haben.

Medizinisches Personal schiebt einen Patienten in einen Kernspintomografen.
Der Berliner Patient. Seine Bewerbung am Max-Delbrück-Centrum soll Mediziner Martin Lohse von der Anschaffung bildgebender Technologien, wie etwa bei Kernspintomografen, abhängig gemacht haben.
© picture alliance / dpa

Auch das Bundesforschungsministerium, das für die Finanzierung der Helmholtz-Gemeinschaft und damit für das MDC zuständig ist, steht unter Druck, die Vakanz an der Spitze des Centrums zu füllen. Das Gleiche gilt für Wissenschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU), die für außeruniversitäre Forschungsinstitute zuständig ist. Aus ihrer Verwaltung ist denn auch zu hören, Lohse sei „ein Glücksfall und eine tolle Besetzung für das MDC“.

Lohse hat in Buch schon hart verhandelt

Dem Vernehmen nach hat Martin Lohse am MDC bereits hart um den Posten des Vorstandsvorsitzenden verhandelt. Er wolle in Buch weiter wissenschaftlich tätig sein und eine eigene Forschergruppe leiten. Das gilt als wenig problematisch. Allerdings soll er zusätzlich den Wunsch geäußert haben, dass ein Zentrum für bildgebende Verfahren (wie etwa für die Kernspintomografie) geschaffen wird. Das könnte sich wesentlich aufwendiger gestalten und erhebliche Investitionen nach sich ziehen. Auch darüber wird die Findungskommission des MDC am Freitag zu urteilen haben; Lohse soll der einzige Kandidat sein.

Das Institut sucht seit längerer Zeit einen neuen Vorstand und hat dabei bereits mehrere Absagen kassiert. Zunächst war der Wiener Genetiker Josef Penninger im Gespräch. Der sagte nach erfolgreichen Bleibeverhandlungen in Wien ebenso ab wie die danach als Favoritin gehandelte Biochemikerin Stefanie Dimmeler. Die Leibniz-Preisträgerin forscht an der Universität Frankfurt am Main. Mit Lohse geht es jetzt um den nächsten Leibniz-Preisträger, er erhielt den hoch dotierten Forschungspreis 1999.

Sind die Humboldt-Uni und der Wissenschaftsstandort beschädigt?

Doch ist Lohse nach der Absage an die HU überhaupt noch für Berlin tragbar, ist gar der Wissenschaftsstandort beschädigt? Wissenschaftsstaatssekretär Krach nennt das Vorgehen Lohses „zumindest gewöhnungsbedürftig“. Dieser habe sich nach einem mehrmonatigen Vorlauf und sehr vielen Gesprächen in der Findungskommission und im Kuratorium einer Abstimmung gestellt und sich nach deren einstimmigem Ausgang offiziell als Präsidentschaftskandidat benennen lassen. Da sei es von Lohses Seite „naiv“, von einem für beide Seiten offenen Prozess und von weiteren „Sondierungsgesprächen“ zu sprechen, sagt Krach.

"Top aufgestellt und attraktiv für gute Bewerbungen"

Nachhaltige Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit zwischen HU und MDC oder gar einen Schaden für den Wissenschaftsstandort Berlin befürchtet der Staatssekretär gleichwohl nicht. Zum einen sei der Wettbewerb um Kandidaten zwischen Institutionen ebenso üblich wie Bewerbungen, die den eigenen Marktwert steigern sollen. Auch wenn der Wettbewerb in diesem Fall ein wenig unsportlich ausgetragen wurde. Zum anderen sei der Wissenschaftsstandort Berlin „so vielseitig, so top aufgestellt und so attraktiv für gute Bewerbungen“, dass er durch die Causa Lohse keinen Schaden nähme, sagt Krach. Hochkarätige Stellenbesetzungen seien in Berlin auch weiterhin möglich, wofür etwa die Berufung des Mediziners Erwin Böttinger an die Spitze des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung (BIG) stehe, der aus New York kommt.

Umstrittener Ressortschnitt zwischen Wissenschaft und Wirtschaft

Für die Humboldt-Universität schließt Krach aber auch eine interne Lösung nicht aus; darüber müssten jetzt die Gremien befinden. Jedenfalls glaubt der Staatssekretär, dass die Uni im April 2016, zum geplanten Amtsantritt Lohses, einen neuen Präsidenten oder eine Präsidentin haben wird. Amtsinhaber Jan-Hendrik Olbertz noch einmal bekräftigt, dass er und die beiden Vizepräsidenten „bis auf Weiteres“ bereit seien, die Geschäfte zu führen.

Das Gerangel um Lohse könnte ungeachtet der vorsichtigen Äußerungen Krachs ein Präzedenzfall sein, der die Ressortaufteilung zwischen der Wissenschafts- und der Wirtschaftsverwaltung infrage stellt. In den Koalitionsverhandlungen von 2011 hatten sich SPD und CDU darauf geeinigt, dass die außeruniversitäre Forschung von Bildung, Jugend und Wissenschaft – in der Verantwortung von Sandra Scheeres (SPD) – zu Wirtschaft und Technologie wandert. Das Super-Ressort wird mittlerweile von Cornelia Yzer (CDU) verantwortet. In Berlin ansässige Außeruniversitäre und Unis hatten gegen die Aufteilung der Zuständigkeiten vehement protestiert.

Rolle Yzers und des BMBF bleibt unklar

In den Monaten danach blieben Uni- und Institutsleiter aber den Nachweis schuldig, dass der „ungeliebte Ressortschnitt“ zu dem befürchteten Kompetenz- und Konkurrenzgerangel führt. Zur Rolle Yzers bei den Verhandlungen zwischen Lohse und dem MDC äußerte sich die Wirtschaftsverwaltung nicht. Das Bundesforschungsministerium antwortete auf die Frage, ob dessen Staatssekretär Georg Schütte Lohse für das MDC gewonnen habe: „Zu den laufenden Gesprächen über die Nachbesetzung der wissenschaftlichen Leitung des MDC nimmt das BMBF keine Stellung.“

Ex-Senator Zöllner: Jetzt muss es an der HU aber klappen

Kommt es jetzt mit der Abwerbung Lohses zum offenen Streit zwischen den beiden Berliner Ressorts? Staatssekretär Krach verneint: Das Ziel der neuen Ressortaufteilung sei gewesen, die Kooperation von außeruniversitärer Forschung und Wirtschaft zu stärken.

Berlins ehemaliger Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) beobachtet die Causa Lohse indes mit Sorge: „An der Humboldt-Universität muss es jetzt mit einem überzeugenden Kandidaten wirklich klappen, sonst nehmen die Universität und der Wissenschaftsstandort Schaden.“

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