50 Jahre nach der Mondlandung: Der nächste Schritt für die Menschheit
Schon bald sollen wieder Menschen zum Mond fliegen. Dieses Mal allerdings könnten sie länger bleiben – und sie kommen nicht allein.
Langsam, wie in Zeitlupe, tastet sich Neil Armstrong die Leiter hinab, von der letzten Sprosse schließlich hüpft er einfach auf den Boden. Angekommen. Als erster Mensch betritt er am 21. Juli 1969 morgens um 2:56 Uhr nach koordinierter Weltzeit den Mond. Die Strapazen, denen sich die drei Astronauten während des Flugs und zahlloser Trainingsstunden ausgesetzt haben, die Anstrengungen Zehntausender Beteiligter am Apollo-Programm und nicht zuletzt die Kosten in Milliardenhöhe – all das ist in diesem Moment vergessen. Armstrong macht sich auf, den fremden Himmelskörper zu erkunden: "Es ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit."
Elf weitere Astronauten folgten ihm, 1972 verließ der vorerst letzte den Mond. Nun, fünf Jahrzehnte später, ist der steinige Erdbegleiter wieder ein gefragtes Ziel der Raumfahrt. 2024 will die Nasa wieder Menschen dorthin bringen, und auch Staaten wie China und Russland wollen bis 2030 bemannte Flüge starten.
Doch etwas ist dieses Mal anders: Statt kurzer Stippvisiten sollen Menschen bald für längere Zeit auf dem Mond leben. Und dabei sollen sie zunehmend von Robotern unterstützt werden, die für Arbeiten in der lebensfeindlichen Umgebung prädestiniert sind.
Der Mond birgt noch immer viele Geheimnisse
Von der neuen Mondbegeisterung profitiert auch die Wissenschaft. Viele Fragen sind noch immer unbeantwortet, wie Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin erklärt. "Uns interessiert besonders: Wie ist der Mond entstanden? Hat er einen Kern? Wie hat er sich abgekühlt? Wie lange gab es Vulkanismus und welche Auswirkungen hatte der massive Beschuss mit Asteroiden während des 'Late Heavy Bombardement' vor rund vier Milliarden Jahren?"
Antworten darauf seien nicht nur für die Mondforschung wichtig. Sie würden auch helfen, die frühe Entwicklung anderer felsiger Himmelskörper wie Erde oder Mars besser zu verstehen, auf denen viele der alten Spuren längst zerstört seien, sagt der Wissenschaftler. Um die Fragen zu beantworten, sind Messungen auf dem Mond nötig. Außerdem müssen Proben zur Erde geschickt werden, denn nur Speziallabore können die nötigen Präzisionsmessungen – etwa von Isotopen – vornehmen.
Für besonders vielversprechend hält Jaumann das Südpol-Aitken-Becken, das einst durch einen gewaltigen Asteroideneinschlag entstand, und wo bis heute Gesteine aus größeren Tiefen an der Oberfläche zu finden sind. "Noch besser wäre es, wenn wir mehrere verschiedene Regionen des Mondes erforschen können, um ein genaueres Bild zu erhalten", ergänzt Martin Jutzi von der Universität Bern. "Wer im umgekehrten Fall nur eine Handvoll Orte auf der Erde besuchen könnte, würde auch nicht behaupten können, den Planeten wirklich zu kennen."
Tatsächlich sind die sechs Apollo-Missionen ausschließlich auf der erdzugewandten Seite gelandet. Die Polregionen und die Rückseite allerdings fehlen den Mondforschern bis heute. "Von dort haben wir nur Meteoritenmaterial, besser wären frische Proben, die wir untersuchen können", sagt Jutzi.
Lieferdienste zum Mond
Bei der Erkundung könnten künftig Roboter helfen – vorausgesetzt es gelingt, die Technik an die extremen Bedingungen anzupassen und sie vor allem "intelligenter" zu machen. Länder wie Russland, China und Indien haben kürzlich unbemannte Missionen gestartet beziehungsweise bereiten solche vor. Hinzu kommen Nasa-Sonden, die den Mond weiter erkunden sollen, um die pünktliche Landung einer Crew in fünf Jahren sowie den Aufbau einer längerfristig besetzten Station in rund zehn Jahren zu ermöglichen.
["Wir werden vor 2040 keinen Deutschen auf dem Mond haben": Lesen Sie hier ein Interview mit Hansjörg Dittus vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.]
Dabei setzen die Amerikaner zunehmend auf die Privatwirtschaft. Ende Mai hat die Nasa drei heimische Unternehmen beauftragt, Technologien zu entwickeln, um wissenschaftliche Geräte auf den Mond zu bringen. Kostenpunkt: mehr als 250 Millionen Dollar.
"Das zeigt, dass hier ein Markt entsteht", sagt Karsten Becker von der Berliner Firma PTScientists, die ebenfalls mit Zubringerdiensten zum Mond Geld verdienen will. Anfangs war es ein Team von raumfahrtverrückten Tüftlern, die den Google-Lunar-X-Prize gewinnen wollten. Das Ziel lautete, einen Roboter auf dem Mond zu landen, der sich dort bewegt und Fotos von historischen Apollo-Landeplätzen macht.
Inzwischen ist der Wettbewerb beendet, ohne dass es ein Team geschafft hätte. Die Berliner machten trotzdem weiter, inzwischen sind es rund 70 Personen, die unter der Leitung von Robert Böhme an einer Landefähre und Rovern arbeiten – und versuchen, Aufträge zu bekommen. Ein naheliegender Auftraggeber wäre die europäische Raumfahrtagentur Esa. Diese hat aber weder das Budget der Nasa, noch geht sie bei der Monderkundung besonders entschlossen vor.
Eine Firma aus Berlin will zwei Rover ins All schicken
"Der Anfang ist nun mal schwer", sagt Becker. Er steht in einem großen Kasten, der mit geschreddertem Vulkangestein aus der Eifel gefüllt ist: eine Mondlandschaft zum Üben. Vor ihm kämpft sich ein fast hüfthoher Rover durch das graue Gestein. Wie neugierige Augen taxieren Kameras die Umgebung. Noch steuert Becker das Gefährt per Tablet, nur wenige Meter entfernt. Wenn alles planmäßig läuft, werden bald zwei solcher Rover auf dem Mond fahren. 2021 soll die Landefähre der PTScientists namens Alina mithilfe einer SpaceX-Rakete zum Erdtrabanten fliegen.
Nach dem Aufsetzen, viereinhalb Kilometer von der Apollo-17-Landestelle entfernt, werden die zwei Rover entladen. Dann sollen sie selbstständig die Umgebung erkunden und schließlich den historischen Ort aufsuchen, wo im Dezember 1972 zum vorerst letzten Mal Menschen auf dem Mond waren.
Dort wollen die PTScientists Mond-Archäologie betreiben: Mittels verschiedener Kameras würden sie versuchen herauszufinden, was Weltraumstrahlung in den fünf Jahrzehnten mit den Apollo-Hinterlassenschaften gemacht hat. Diese Materialanalysen sollen nützlich für künftige Langzeitmissionen im All sein.
"Vor allem aber wollen wir zeigen, dass wir sicher und präzise auf dem Mond landen können", sagt Becker. Er hofft, dadurch potenzielle Kunden aus der Industrie und der Wissenschaft oder von Raumfahrtagenturen zu überzeugen, von seiner Firma Experimente auf den Mond bringen und installieren zu lassen. Für die erste Mission, die rund 120 Millionen Euro kostet, habe man bereits einige Interessenten gefunden. Ein Preis von 750.000 Euro pro Kilogramm ist zu bezahlen, ab der zweiten von derzeit drei geplanten Missionen sind 950.000 Euro fällig.
Zugesagt haben etwa das Laser Zentrum Hannover und das Institut für Raumfahrtsysteme der TU Braunschweig. Sie wollen einen Laser an Bord eines Rovers zum Mond bringen, der dort den eisen-, aluminium- und titanführenden Boden aufschmelzen und wieder erstarren lassen würde. Dieser Sinterprozess, so die Hoffnung der Forscher, könnte später einmal helfen, mit dem dort vorhandenen Material Schutzhüllen für künftige Mondstationen zu bauen, um die Strahlenbelastung der Astronauten zu verringern und den teuren Transport von Baumaterial von der Erde zu beschränken.
Gewächshäuser müssten Nahrung liefern
Langfristig allerdings geht es nicht allein um den Mond. Vielmehr soll der Erdtrabant auch als Testgelände für Missionen zum Mars dienen. Das hat Nasa-Chef Jim Bridenstine in den vergangenen Wochen mehrfach deutlich gemacht. Auch Elon Musk, der mit seiner Firma SpaceX und den wiederverwendbaren Raketenteilen die Raumfahrtbranche spürbar verändert hat, hält an seinem Ziel fest, eines Tages eine Siedlung auf dem Roten Planeten zu errichten.
Damit Menschen auf dem Mars überleben können, müssen allerdings viele Technologien deutlich verbessert oder komplett neu entwickelt werden. So muss zum Beispiel eine Station gebaut werden, die Schutz vor extremen Temperaturschwankungen von rund 300 Grad und kosmischer Strahlung bietet, da weder der Mond noch der Mars ein schützendes Magnetfeld haben.
Diese Station muss mit Nahrung versorgt werden. Wenn möglich, müsste diese aus Gewächshäusern vor Ort kommen, das nötige Wasser aus dem Mondboden gewonnen werden. Auch der Treibstoff für weite Flüge könnte aus den Wasserstoff- und Sauerstoffvorkommen auf dem Mond hergestellt werden, hoffen die Fachleute. Starteten die Crews vom Mond aus, wäre zudem der Verbrauch geringer, weil die Anziehungskraft des Mondes nur ein Sechstel derjenigen auf der Erde beträgt.
Und Roboter werden künftig eine größere Rolle spielen, sagt Becker. Es werde ähnlich ablaufen wie in der Industrie auf der Erde: "Stupide Arbeiten wie der Bau eines Landeplatzes, das Putzen der Solarpaneele oder das Aufbereiten von Rohstoffen aus dem Mondboden, das werden Maschinen übernehmen." Vollständig ersetzbar seien Menschen jedoch nicht. "Sie können gerade in komplexen Situationen ihr gesamtes Wissen abrufen und schnell Probleme lösen, sie sind kreativer."
Zu Armstrongs und Aldrins Zeiten war der menschliche Vorsprung aber noch deutlich größer. Heute würde etwa eine Landung mit Sicherheit vollautomatisch ablaufen. Armstrong dagegen musste die "Eagle" per Hand und bei schlechter Sicht landen.
Ergänzung:
Kurz nach Veröffentlichung dieses Artikels wurde bekannt, dass das Berliner Start-up PTScientists am 5. Juli 2019 beim zuständigen Amtsgericht Berlin-Charlottenburg einen Insolvenzantrag gestellt hat. Hintergrund seien Verzögerungen beim Einwerben von weiteren Investoren- und Fördergeldern. Es gebe jedoch keine grundlegenden Änderungen in der täglichen Arbeit, es werde weiterhin geforscht und entwickelt und man strebe die drei Mondmissionen weiterhin an, sagte Andreas Scheper, Sprecher des Unternehmens, dem Tagesspiegel. Konkret nach einer Startverschiebung gefragt, sagte er: "Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob der Termin 2021 gehalten werden kann. Es ist möglich, dass es zu einer weiteren Verzögerung kommt."