Bemannte Raumfahrt: Die Amerikaner fliegen wieder selbst ins All
US-Astronauten sind seit 2011 auf Mitfahrgelegenheiten ins All angewiesen. Dieses Wochenende könnte sich das ändern.
Es muss eine Schmach für US-Präsident Donald Trump und etliche seiner Landsleute sein: Amerika soll wieder groß gemacht werden, aber noch immer fliegen US-Astronauten ausgerechnet mit russischen Raketen ins All. Seit dem letzten Einsatz eines Spaceshuttles im Juli 2011 sind die „Sojus“-Raketen und -Kapseln das einzige Transportmittel, um Menschen zur Internationalen Raumstation (ISS) zu bringen. Damit soll nun Schluss sein. In diesem Jahr, in dem auch das 50. Jubiläum der Mondlandung gefeiert wird, werden amerikanische Astronauten endlich wieder mit amerikanischen Raketen ins All fliegen, hatte Trump Anfang Februar in seiner Rede zur Lage der Nation erklärt.
Auf den Spuren von Apollo und Spaceshuttle
Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist für diesen Sonnabend geplant. Um 8:48 Uhr (MEZ) soll das neue Raumschiff „Crew Dragon“ der Firma SpaceX an Bord einer Falcon-9 Rakete zu einem unbemannten Testflug abheben. Sie startet vom Kennedy Space Center (Florida), wo schon die meisten Apollo-Raketen und die Spaceshuttles in den Himmel stiegen. Am Sonntag soll Crew Dragon an der Raumstation andocken und schließlich am 8. März zurückkehren und an Fallschirmen auf den Atlantik herabschweben. Verlaufen dieser Flug und weitere Tests erfolgreich, sollen im Juli erstmals Menschen mit dem neuen Raumschiff reisen. Hierfür sind Bob Behnken und Doug Hurley vorgesehen, die an je zwei Shuttlemissionen beteiligt waren. Der erste reguläre Flug zur ISS ist für Oktober terminiert, wobei der Zeitplan sehr sportlich ist.
Neben SpaceX arbeitet auch Boeing an einem Raumschiff, das Astronauten zur ISS bringen kann. Deren „CST-100 Starliner“ wird auf eine Atlas-V-Rakete montiert. Der Testflug ist für April vorgesehen, die erste bemannte Mission wird frühestens im August starten.
Dass demnächst wieder Astronauten von amerikanischem Boden aus abheben ist jedoch nicht Trumps Verdienst. Die Geschichte beginnt vor bald zwei Jahrzehnten mit der Einsicht, dass die Spaceshuttles nicht mit so geringen Kosten betrieben werden können, wie erhofft. 2006 startete die Nasa ein Programm, bei dem Unternehmen mit erheblicher finanzieller Unterstützung Raketen und Raumschiffe entwickeln, um Versorgungsgüter und später auch Astronauten in den erdnahen Raum zu bringen, wo die ISS kreist. Die Nasa wiederum würde diese Leistungen nur einkaufen und stattdessen ihre Kraft künftig darauf verwenden, Missionen zu ferneren Zielen wie Mond und Mars vorzubereiten.
Verzögerungen, Kostensteigerungen, Unsicherheiten
Die Entwicklungen für den erdnahen Güterverkehr begannen zuerst, 2012 erreichte der erste Transporter („Dragon“) die Station. Im Jahr 2010 wurde dann das erste Geld an potenzielle Anbieter von Astronautentaxis überwiesen. 2015, so hoffte man, würden sie den Flugbetrieb aufnehmen. Bis dahin würden die Amerikaner bei den Russen in den „Sojus“-Kapseln mitfliegen. Es folgten die üblichen Verzögerungen und Kostensteigerungen. Am Ende blieben mit SpaceX und Boeing zwei Firmen übrig, die insgesamt 3,1 Milliarden Dollar beziehungsweise 4,8 Milliarden Dollar im Rahmen des „Commercial Crew Program“ der Nasa erhalten haben, und nun endlich startklar sind.
Verteuert haben sich unterdessen auch die Tickets für die Sojuskapseln. Waren es zunächst um die 50 Millionen Dollar, sind inzwischen gut 80 Millionen Dollar für jeden Sitzplatz fällig. Aktuell überlegt die Nasa, zwei weitere Tickets zu kaufen für Herbst 2019 und Frühjahr 2020, falls es beim amerikanischen Weltraum-Taxidienst weitere Verzögerungen gibt.
Unbemannt aber bepuppt
Davon will in diesen Tagen aber niemand etwas hören. „Es ist großartig wieder hier am Kennedy Space Center zu sein, dieses Gefühl zu bekommen wie es ist, wenn von hier aus Astronauten starten. Wir sind bereit für den Testflug“, sagte William Gerstenmaier, bei der Nasa zuständig für Bemannte Raumfahrt, am vergangenen Wochenende vor der Presse, nachdem beim „ Flight Readiness Review“ das grundsätzliche Okay für den Flug gegeben wurde. „Ich garantiere, es wird nicht alles perfekt laufen, und ich erwarte, dass wir viel lernen werden“, ergänzte er. Das sei „cool“ und genau das, was seine Leute wollen. „Wenn dann eine Crew mitfliegt, wird es sicher sein.“
Denn die sieben Sitze im Crew Dragon bleiben dieses Mal leer, lediglich eine Puppe darf mit. Ihre Sensoren sollen die die Umweltbedingungen in der Kabine während des Flugs messen, damit man weiß, was auf die reale Crew zukommt. Das Interieur ist sehr kühl gehalten, mit steril-weißen Flächen und Kohlefaser-Elementen. Dazu gibt es große Touch-Bildschirme, die alle möglichen Parameter von der Klimaanlage über die Reisedaten bis zu Kenngrößen des Schiffs anzeigen.
Das Raumschiff hat acht Triebwerke, die das Lebensrettungssystem bilden. Im Notfall zünden sie und tragen die Mannschaft samt Kapsel weg von der Rakete. „Das funktioniert sowohl am Boden bis hin zu der Phase, wenn die zweite Stufe brennt“, sagt Hans Königsmann, Chefingenieur von SpaceX. „Für die Sicherheit ist das ein großer Gewinn.“ Auf dem Boden ist dieses Schleudersitzverfahren bereits getestet worden, im Juni folgt die Prüfung im Flug.
Riskantes Andocken
Gefährlich kann allerdings auch die automatische Kopplung an die Raumstation werden, wenn das Schiff zu schnell ist oder die Schleuse nicht trifft, was im schlimmsten Fall auch die Mannschaft in der Station gefährdet. Dies gilt ebenso für den unbemannten Flug am kommenden Wochenende, da Crew Dragon bereits koppeln und Versorgungsgüter liefern soll. „Wir haben alle Risiken angeschaut und sie minimiert, so gut es ging“, sagt Kirk Shireman, Manager des ISS-Programms bei der Nasa. Entscheidend sei, ob es ein akzeptables Risiko sei. „Es wird aber niemals bei Null liegen“, stellt Shireman klar.
Im Grunde sei es im Straßenverkehr genauso, sagt der ehemalige Astronaut Ulrich Walter, heute Inhaber des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der TU München. „Es gibt rund 3000 Tote jedes Jahr auf deutschen Straßen, trotzdem setze ich mich in ein Auto.“ So akzeptiere man auch das Risiko eines Raumflugs, vor allem wenn man die Leute kennt, die ihn vorbereiten. Crew Dragon wie auch den Starliner hält Walter für gute Raumfahrzeuge. „Beim Erstflug würde ich wohl nicht einsteigen, aber beim zweiten oder dritten Mal schon.“ Im Gegensatz zu den zwar geräumigen, aber empfindlichen Spaceshuttles sei das System der Raumkapseln sehr robust und habe sich bewährt. „Dragon hat als Frachttransporter zudem bereits viele Flüge zur ISS absolviert und erscheint mir daher zuverlässiger als der Starliner.“
Es war eine "gute Idee", private Firmen einzubeziehen
Dass eine Alternative zu den Sojus-Kapseln nötig ist, war schon immer klar: Sollte es bei dem russischen Zubringer ein Problem geben, wäre die ISS unerreichbar. Genau das geschah im Oktober 2018 nach dem Fehlstart einer Sojus-Rakete. Der Fehler war rasch gefunden, zwei Monate später konnte die nächste Crew zur Station reisen. Bei einem gravierenden Problem hätte die Zwangspause deutlich länger sein können. Crew Dragon und Starliner sind daher nicht nur im nationalen Interesse der USA.
War es aber – angesichts der Verzögerungen und hohen Kosten – ein Fehler, die Entwicklung der Fluggelegenheiten zur ISS an Firmen auszulagern? Raumfahrtexperte Walter verneint. Es sei eine gute Idee. Selbst jetzt, wo deutlich wird, dass zumindest Elon Musk, Chef von SpaceX, sich nicht mit dem erdnahen Raum zufrieden gibt und mit seinen Mond- und Marsambitionen der Nasa Konkurrenz macht. „Er ist Unternehmer, er kann machen, was er will.“ Zudem seien auch die Chinesen dort aktiv und planten bemannte Flüge – ein bisschen Konkurrenz sei immer gut. „Beim Mars kann ich mir aber nicht vorstellen, dass die Nasa und Musk getrennt voneinander dorthin fliegen“, sagt Walter. „Eines Tages werden die Programme der Schwerlastraketen Space Launch System von Nasa und der Big Falcon Rocket von SpaceX konvergieren und man wird gemeinsam dorthin fliegen.“