Umstrittenes Vorhaben "Mars One": Der Mars ist wohl doch zu weit
Die geplante Mission zur Besiedlung des Roten Planeten hat offenbar Probleme. Ob sie je startet, ist ungewiss. Es wäre kein Verlust. Andere nichtstaatliche Raumfahrtinitiativen hingegen könnten uns tatsächlich voranbringen. Ein Kommentar.
Nur noch zehn Jahre, dann wird der erste Mensch den Mars betreten. Wird seinen Stiefel symbolträchtig in den Sand drücken und die Wohncontainer aufsuchen, die zuvor abgesetzt wurden. Vier Astronauten werden dort einziehen und bis zum Ende ihrer Tage bleiben. Es ist der Beginn der Besiedlung des Roten Planeten durch homo sapiens, die so oft von Vor- und Querdenkern propagiert wird, erst jüngst wieder durch den Mondveteranen Buzz Aldrin.
2024 sollen die ersten zum Mars fliegen
Als die niederländische Organisation „Mars One“ vor gut einem Jahr ihre Pläne für eine solche Mission vorstellte, war die Aufregung groß. Die Eckdaten: Finanziert durch Sponsoren und TV-Übertragungsrechte werden 2024 die ersten vier Menschen aufbrechen, 2025 sollen sie auf dem Planeten landen. Im Zweijahresrhythmus werden fünf weitere Teams folgen, einen Rückflug gibt es aus Kostengründen nicht.
Viele nannten das Vorhaben „verrückt“, „unethisch“, verwiesen auf die Gefahren der interplanetaren Reise für Leib und Leben – ganz zu schweigen von der Landung und dem Ausharren in der stürmischen Kältewüste: zu viele ungelöste technische Probleme, mithin ein Selbstmordkommando. Und viele wollten trotzdem dabei sein, laut Mars One gab es mehr als 200 000 Bewerberinnen und Bewerber. Hundert wurden jetzt für die letzte Auswahlrunde nominiert, 24 von ihnen sollen ausgewählt werden. Nächstes Jahr soll das Training beginnen.
Vertrag mit Endemol kam nicht zustande
Ob die Mühe lohnt, ist fraglich. Mars One steckt offenbar in Schwierigkeiten. Eigentlich sollte 2018 eine unbemannte Mission starten, um Techniken für die Besiedlung zu testen. Vorgesehen sind eine Landeeinheit sowie ein Orbiter, der um den Mars kreist und die Kommunikation mit der Erde herstellen soll. Zwei Firmen haben entsprechende Konzepte erarbeitet. Um den Starttermin zu halten, müssten die Arbeiten zügig vorangetrieben werden, heißt es etwa von der US-Firma Lockheed Martin, die an den Vorstudien beteiligt war. Doch Mars One hat bisher weder Folgeaufträge ausgelöst noch einen Zeitplan dafür bekannt gegeben.
Big Brother auf dem Mars
Eine weitere Baustelle sind die TV-Übertragungen, mit denen die geschätzten Kosten von sechs Milliarden Dollar zumindest teilweise hereingeholt werden sollen. Dafür war eine Kooperation mit dem Unterhaltungskonzern Endemol angedacht. Er ist spezialisiert auf Reality-TV und produziert unter anderem „Big Brother“. Ein Tochterunternehmen sollte ein Konzept erarbeiten, um die finale Auswahl der Marsflieger als weltweites TV-Event auf die Bildschirme zu bringen. Nun wurde bekannt, dass die Zusammenarbeit mit Endemol beendet ist. Man habe sich über die Details des Vertrags nicht einigen können, sagte der Mars-One-Mitgründer Bas Lansdorp den „Space News“. Eine neue Produktionsfirma sei gefunden, ihr Name ist noch nicht bekannt.
Die Mission ist kein Ruhmesblatt
Man darf gespannt sein, wie die Reisevorbereitungen weitergehen, oder auch nicht. Es ist wahrscheinlich, dass die Flüge überhaupt nicht stattfinden. Gut so, denn das Vorhaben wäre kein Ruhmesblatt für die Menschheit, eher ein Zeugnis mangelnder Reife.
Darüber hinaus bringt Mars One andere nichtstaatliche Weltrauminitiativen in Misskredit. Die schaffen es nämlich, frischen Wind in die behäbigen Raumfahrtagenturen wie Nasa und Esa zu bringen. Zum Beispiel die britische „Lunar Mission One“. Binnen zehn Jahren soll eine robotische Sonde zum Südpol des Mondes fliegen und mindestens 20 Meter tief bohren, um Proben aus der Entstehungszeit des Erdtrabanten zu gewinnen. Wissenschaftlich ist das sehr interessant, eine ähnliche Mission wurde bereits vor Jahren angedacht, dann aber bei den Verhandlungen um Geld für die europäische Raumfahrt geopfert.
Lunar Mission One ist wissenschaftlich sehr spannend - was sagt die Esa?
Aus dem Stand sammelte Lunar Mission One per Crowdfunding mehr als 750 000 Euro ein. Die Mission scheint viele zu begeistern. Sicher ist, dass die Gesamtkosten von geschätzt 800 Millionen Euro nicht allein durch Spenden gedeckt werden können. Vielleicht überlegt es sich die Esa doch noch einmal, einzusteigen. Immerhin will ihr künftiger Chef, Johann-Dietrich Wörner, die Gesellschaft stärker an den Entscheidungen zur Zukunft der Raumfahrt beteiligen. Der Zuspruch bei solchen Initiativen ist zumindest ein wichtiger Indikator. Bisher plant die Esa lediglich, sich in überschaubarem Maß am russischen Mondprogramm zu beteiligen. Die Zukunft wird zeigen, wie tragfähig die Kooperation ist.
Ralf Nestler