Raumfahrt-Mission MarsOne: Einmal Mars und nie zurück: Denis Newiak aus Potsdam will dabei sein
Der Potsdamer Denis Newiak hat sich für eine private Mission zu dem roten Planeten beworben und ist nun in die engere Auswahl gekommen. 2025 könnte er die Erde für immer verlassen. Ein Gespräch.
Denis Newiak steht zweifellos voll im Leben. Der 25-Jährige studiert Filmwissenschaften, macht nebenbei die Uni-Zeitschrift, engagiert sich im Hochschulparlament und verdient sein Geld als Tanzlehrer und Straßenbahnfahrer. Und doch hat sich der Potsdamer dazu bereit erklärt, seinem irdischen Leben ein Ende zu setzen: Er hat sich für eine Reise zum Mars beworben – ohne Rückfahrschein. Nun ist er eine Runde weitergekommen.
Über 200 000 Menschen haben sich den Organisatoren zufolge für das Projekt „MarsOne“ beworben. Dahinter steckt eine private Stiftung aus den Niederlanden, die bis zum Jahr 2025 eine dauerhaft bewohnte Siedlung auf dem roten Planeten errichten will. In einer ersten Auswahlrunde, für die sich die Bewerber mit einem Video vorstellen sollten, ist Denis Newiak weitergekommen – wie 1057 andere Menschen aus aller Welt. Noch 2014 sollen unter diesen wiederum 40 Kandidaten ausgewählt werden, die dann für die Mars-Mission vorbereitet werden.
Denis Newiak wäre beim Start von MarsOne 37 Jahre alt
Erst für 2025 ist der erste One-Way-Flug zu dem unwirtlichen Planeten geplant – Denis Newiak wäre dann 37 Jahre alt. Sollte er tatsächlich für die Mission ausgewählt werden, gäbe es kein Zurück mehr. Denn der Bau einer Startrampe für den bemannten Rückflug wäre zu aufwändig und zu teuer, deshalb sollen die neuen Marsbewohner für immer dort bleiben. Doch Denis Newiak schockt dieser Gedanke nicht. „Es ist ja noch eine sehr lange Zeit hin. Und ob ich tatsächlich dabei sein werde, ist ja noch völlig offen. Verabschieden muss ich mich noch von niemandem.“
Allerdings würde sich das Leben des 25-Jährigen nicht erst 2025, sondern schon im kommenden Jahr radikal verändern, sollte er genommen werden. Denn schon 2015 sollen die künftigen Astronauten mit einem Vollzeittraining beginnen. Dabei wird es zum einen um körperliche Fitness, aber auch um fachliches Wissen gehen, das für das Leben auf dem Mars überlebenswichtig ist. Medizinisches, psychologisches, geologisches, physikalisches und biologisches Wissen soll den Auswanderern vermittelt werden. Das ist auch nötig, meint der Potsdamer Kandidat. „Die Gruppe wäre ja vollkommen auf sich allein gestellt. Sie müsste völlig autark überleben.“
Ab 2018 will „MarsOne“ mit dem Aufbau des „Dorfes“ auf dem fremden Planeten beginnen. Es soll aus mehreren sogenannten „Living Units“ bestehen, einer Art Hightech-Zelte. Darin sollen die neuen Marsbewohner schlafen, kochen, essen und sich waschen, aber auch zum Beispiel Pflanzen kultivieren. Energie sollen dünne Solar-Panels liefern, die auf der Mars-Oberfläche angebracht werden. Wasser ist im Boden enthalten, durch Elektrolyse kann daraus auch Sauerstoff gewonnen werden. Die medizinische Versorgung müssen die Bewohner selbst leisten, eine Art Klinik ist nicht geplant. Eigens für Trainingszwecke soll ein Simulationszentrum entstehen, in dem die anstrengende Reise – sie dauert sieben Monate – und auch das Leben auf dem Mars geübt werden soll. Nicht nur körperlich und fachlich müssen die Kandidaten fit sein, auch psychische Tests werden durchgeführt. Denis Newiak glaubt, für das Leben auf dem Mars ein geeigneter Typ zu sein. „Ich kann gut in Teams zusammenarbeiten und bin belastbar. Auch in stressigen Situationen“, sagt er.
Bei MarsOne müssen die Teilnehmer auf engstem Raum zusammenleben
Stressresistenz wäre sicherlich angebracht, schließlich sollen die Menschen auf engstem Raum zusammenleben – bis zum Tod. Das Zusammenleben unter Extrembedingungen ist es auch, was den Studenten an dem Projekt mit am meisten fasziniert, wie er selbst sagt. „Ich glaube, dass die Mission wichtige Erkenntnisse für unsere Gesellschaft darüber liefern kann, wie das Zusammenleben auf engstem Raum und unter widrigen Umständen funktionieren kann.“ Zum Beispiel könne die Menschheit lernen, wie mit geringen Ressourcen Energie erzeugt oder Wasser gewonnen werden kann.
Eine Chance für den Menschen
Newiak, der sich selbst als politischen Menschen bezeichnet, denkt auch an globale Probleme wie Armut auf der Erde oder die Umweltzerstörung. Für ihn ist die Mission eine Art zweite Chance für die Menschen. „Aus den Fehlern der Vergangenheit können wir in der Zukunft auf der Erde wie auf dem Mars lernen“, meint er. An eine Kolonisation des Planeten in naher Zukunft glaubt er zwar eher nicht. Aber er ist der Meinung, dass das Projekt den Menschen weiterhelfen könnte – auch durch die technischen Neuerungen, die ein solches Projekt mit sich bringt. „Die Reise zum Mond brachte damals ja auch einen unheimlichen Innovationsschub mit sich“, sagt er.
Das Projekt MarsOne stößt auf Kritik
Natürlich gebe es auch Kritiker, sogar von einem Selbstmordkommando sprächen manche. Doch Denis Newiak ist vom Sinn des Projekts überzeugt. Und verweist auf die Vergangenheit: „Als die Eisenbahn erfunden wurde, dachten viele, dass es den Menschen wegen der Geschwindigkeit die Köpfe abreißen wird.“ Er weiß, dass noch zahlreiche Hürden zu überwinden sind, bevor die Mars-Siedlung tatsächlich steht. Deshalb ist der 25-Jährige auch nicht restlos davon überzeugt, dass es klappt. „Aber es ist berechtigt, dass man darüber nachdenkt“, findet er.
Eine Hürde ist natürlich das Geld. Sechs Milliarden US–Dollar hat „Mars One“ an Kosten angesetzt, und Zweifler halten sogar das noch für zu wenig. Die Mittel sollen vor allem durch die mediale Vermarktung der Mission eingenommen werden, denn die Reise, ihre Vorbereitung und das Leben auf dem Mars sind als riesiges TV-Ereignis geplant, sozusagen Big Brother XXL. Doch Denis Newiak betont, dass es ihm nicht darum geht, im Mittelpunkt zu stehen, oder ein Abenteuer zu erleben. Ihm liege vor allem an der Forschung, sagt der 25-Jährige.
Auf „Mars One“ sei er eher zufällig gestoßen, erinnert sich der Student. Dass er tatsächlich dabei sein könnte, hat er erst vor einigen Tagen erfahren. Gerade saß er in der Fahrerkabine einer Potsdamer Trambahn – einmal in der Woche verdient er sich seit einigen Monaten so etwas Geld dazu – und machte eine Pause. „Im Laufe des Jahres“ sollte das Bewerbungsverfahren abgeschlossen sein, und 2013 neigte sich schon dem Ende zu. Es war ein 30. Dezember, an dem Denis Newiak die sensationelle Nachricht per Email bekam: Er ist eine Runde weiter. Ob er tatsächlich fliegen wird, erfährt er in den kommenden Monaten.
Angst, in elf Jahren vielleicht gar nicht mehr die Erde verlassen zu wollen, etwaweil er eine Familie gegründet hat, hat Denis Newiak nach eigener Aussage nicht. „Momentan ist da nichts geplant“, sagt der Student. „Ich bin ungebunden.“
Katharina Wiechers