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Am Wochenende erreichten die landesweiten Brände in Kalifornien auch die ausgetrockneten Wälder der Sierra Madre und Arcadias. Experten befürchten, dass die Brände noch bis Dezember wüten könnten.
©  John Mirabella/Reuters

Historische Feuer-Katastrophe in den USA: Der Klimawandel ist der Brandstifter – und das sind die Indizien

Die Waldbrände im Westen der USA erreichen katastrophale Ausmaße. Lange fehlte die Verbindung zum globalen Erwärmung. Doch das hat sich geändert.

„Seit Freitagmorgen zieht der Rauch aus Kalifornien über Deutschland“, meldete das Leibniz-Institut für Troposphärenmessung (Tropos). Die Folgen der gewaltigen Waldbrände an der US-Westküste sind in Europa messbar: als Staubschicht, die noch am Montag das Sonnenlicht schwächte und den Himmel über Deutschland milchig erscheinen ließ. „Normalerweise beträgt die optische Dicke bei solchen Brandereignissen in Übersee nur rund ein Zehntel oder weniger“, wird Albert Ansmann vom Tropos in der Mitteilung zitiert. Dies sei „ein außerordentlich starkes“ Ereignis.

Laut der kalifornischen Behörde für Waldwirtschaft und Brandschutz „Cal Fire“ wüten derzeit 25 Großbrände. Die mehr als 16.000 Feuerwehrleute im Einsatz konnten einige eindämmen, andere breiten sich weiter aus. In diesem Jahr sind laut der Behörde etwa 13.000 Quadratkilometer Wald in dem US-Bundesstaat verbrannt. Das macht rund ein Zehntel des Zuständigkeitsgebietes der Forstbehörde aus. 25 Menschen sind bei den Bränden schon ums Leben gekommen und 4200 Gebäude wurden zerstört.

Ein Ende ist noch nicht abzusehen. In dieser Woche könnte das Brandrisiko wetterbedingt wieder ansteigen. Erwartete böige Winde könnten bei der vorherrschenden geringen Luftfeuchtigkeit dazu führen, dass sich die Brände wieder und weiter ausbreiten. Der nationale Wetterdienst hat eine „Rote-Flagge“-Warnung ausgegeben: die Bedingungen für Feuer sind in einigen Regionen weiterhin ideal. Cal Fire rechnet damit, dass der Zustand wieder kritisch werden könnte. Die aktuelle Waldbrandsaison gilt bereits jetzt als die schlimmste seit Beginn der Aufzeichnungen.

Wetter und Klima

Böige Winde und trockene Luft sind Wetterbedingungen. Sie könnten sich innerhalb eines Tages auch zum Guten für die Feuerbekämpfung ändern, auch wenn der US-amerikanische Wetterdienst derzeit nicht mit kurzfristigen Veränderungen rechnet und nur vage feuchte Luft und Regen in einigen Tagen Aussicht stellt.

Wie verhält es sich mit dem Klima im Westen der USA? Hat sich das langjährige Spektrum der Wetterbedingungen so verändert, dass Waldbrände nach dem Jahr 2018 in diesem Jahr erneut katastrophale Ausmaße erreichen?

Für Kate Brown, die Gouverneurin des US-Bundesstaates Oregon, steht die Antwort fest: „Das ist ein Weckruf, dass wir alles tun müssen, was wir können, um den Klimawandel zu bekämpfen“, sagte sie dem Fernsehsender CBS. US-Präsident Trump hatte Zusammenhänge mit Klimawandel in der Vergangenheit dagegen zurückgewiesen.

Die Klimaforschung konnte lange keine belastbaren Verbindungen zwischen der Zunahme der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre, dem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur und Ereignissen wie Dürren in Kalifornien herstellen, die kurzlebiger und kleinräumiger sind als die langfristige globale Erwärmung. Doch das hat sich geändert.

Zunahme gefährdeter Flächen

In seinem Sonderbericht zum 1,5-Grad-Klimaziel fasste der Weltklimarat IPCC die Sachlage so zusammen: „Es gibt Belege dafür, dass die erhöhte Waldbrandfrequenz in Nordamerika zwischen den Jahren 1984 und 2015 auf den anthropogenen Klimawandel zurückgeführt werden kann.“ Verantwortlich ist zunehmende Trockenheit, die für leicht entflammbaren Brennstoff sorgt. Laut einer im Sonderbericht zitierten Studie von John Abatzoglou und Park Williams, im Jahr 2016 in den „Proceedings“ der US-amerikanischen nationalen Wissenschaftsakademie veröffentlicht, war die Fläche des von Waldbränden bedrohten Gebietes in den USA im Jahr 2015 zweimal größer als sie es ohne Klimawandel gewesen wäre.

„Unsere Studie war ein erster Versuch, diesen Zusammenhang zu belegen und die Methodik war einfach“, sagte Williams dem Tagesspiegel. Das Ergebnis beruht auf der Annahme, dass der Klimawandel die einzige veränderliche Größe ist. Wie viel Brennstoff vorhanden ist, wie oft Feuer entzündet werden und wie gut Brände bekämpft werden können wurde in beiden Szenarien mit den gleichen Werten eingerechnet. „Ich stehe weiterhin zu unserer Aussage, aber komplexere Modellierungen könnten das Ergebnis der Flächenverdopplung verändern“, sagt Park.

[Lesen Sie hier das ganze Interview mit Park Williams zu den Waldbränden in den USA]

Weltweit könnte die Häufigkeit von Bränden in den nächsten zwanzig Jahren auf fast 40 Prozent der Landfläche zunehmen, bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 1,2 Grad Celsius, berichtet der IPCC. Bei einer Erwärmung um 3,5 Grad könnten Ende des Jahrhunderts mehr als 60 Prozent der Landfläche stärker betroffen sein.

In Kalifornien ist in diesem Jahr nach Angaben des Dürreportals der Regierung mehr als die Hälfte der Landfläche von „moderater Dürre“ betroffen: mit verringerten Weide- und Ernteerträgen ist zu rechnen, in einigen Gebieten wird Trinkwasser knapp, Einschränkungen der Nutzung sind bislang aber noch freiwillig. Doch die Wetteraufzeichnungen seit 1895 belegen einen Trend: Dürren in Kalifornien gab es immer wieder, aber ihre Intensität und Häufigkeit nehmen zu. Der Palmer-Dürre-Index liegt häufiger und weiter im negativen Bereich der Skala für ansteigende Dürreintensität.

„Mit der Erwärmung treten in der Atmosphäre häufiger Blockadesituationen auf, bei denen ein Hochdruckgebiet lange Zeit über einem Gebiet verweilt“, sagt Kirsten Thonicke, Erdsystemforscherin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Diese für weite Teile der US-Westküste ohnehin typische Wetterlage könne dadurch häufiger auftreten und verstärkt werden. „Bei den hohen Temperaturen und ausbleibendem Regen trocknet die Landschaft aus“, so Thonicke.

Mehr Brennstoff, größere Feuer

In Kalifornien spielten natürliche Faktoren und vom Menschen verursachte globale Erwärmungseffekte zusammen: als Folge der Megadürre in den Jahren 2014 bis 2016 gibt es eine hohe Zahl toter Bäume und damit viel Brennstoff. Vorherrschende Winde fachen die Brände an und die geografischen Bedingungen von hohen Bergen und tiefen Tälern wirken wie Schlote.

„Es muss immer auch einen Auslöser geben“, sagt Tanja Sanders, Leiterin des Arbeitsbereichs Waldökologie und Biodiversität am Thünen-Institut in Braunschweig. Blitzschlag ist der natürliche Feuerstarter, Ursache von Waldbränden sind aber häufiger menschliche Aktivitäten, die von bewusster Brandlegung bis zu Unachtsamkeiten reichen, etwa der weggeworfenen Kippe oder den Funken sprühenden Grillkohlen. Laut Park Williams entstehen mehr als die Hälfte der Brände im Westen der USA auf diese Weise.

„Wenn die Streuschicht am Waldboden durchgetrocknet ist, kann es schon ausreichen, ein Auto mit heißem Motor abzustellen“, sagt Sanders. Vor allem die harzhaltige Streu von Nadelbäumen fängt sehr leicht Feuer und brennt stark. Waldbrände beginnen meist als Bodenfeuer. Sie können noch vergleichsweise leicht gelöscht werden, sich aber durch Unterholz und trockene Vegetation auch schnell ausbreiten. Als Lauffeuer kann der Brand dann auch auf Stämme überspringen. Dann können sich Vollfeuer entwickeln, die die Bodenvegetation, Stämme und Kronen erfassen und die sich rasant ausbreiten, auch breite Straßen und Wege überspringen können. Für die Feuerwehr bedeutet das zumeist, dass sie den Brand ohne Unterstützung aus der Luft nicht mehr eindämmen kann.

„Das kommt heute viel häufiger vor“, sagt Williams. Eine mögliche Ursache dafür ist, dass der Mensch Feuer in den vergangenen Jahren zu gut bekämpft hat und sich große Mengen Pflanzenmaterial angesammelt haben, die in der Trockenheit getrocknet sind – die Ausgangslage für sehr intensive und große Brände. Kleinere, natürlich entstandene Brände zuzulassen könnte das verhindern. In Kalifornien werden sie aber unterbunden, da Menschen und ihr Besitz gefährdet sind: Viele Siedlungsbereiche grenzen direkt an Waldgebiete. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass Großbrände die neue Norm sind und wahrscheinlich noch zunehmen werden“, sagt Park Williams.

„Tatsache ist, dass Feuer in vielen Ökosystemen dazugehört“, sagt Sanders. Einige Baumarten können nur nach einem Feuer keimen. Und Brände können verhindern, dass Waldbestände überaltern. Nach einem Brand sind viele Nährstoffe für nachwachsende Pflanzen verfügbar und es etabliert sich ein neuer Wald aus Pionierbaumarten. In Mitteleuropa sind das etwa Birken, die auch größere Brandflächen schnell wieder besiedeln können und für sich gute Wachstumsbedingungen vorfinden. „Wald und Feuer schließen sich nicht aus, sie gehören zusammen“, sagt Sanders. Dass Menschen im Wald Feuer legen, bewusst oder versehentlich, würde sie dennoch gerne verhindern. „Für uns ist wichtig, dass Waldbesuchern bewusst wird, wie schnell Brände entstehen können.

Statistik der Extreme

Die Frage, ob es heute mehr brennt als vor hundert Jahren, ist nach ihrer Einschätzung nicht eindeutig zu beantworten. Aus der Klimaforschung kommen jedoch Hinweise eben darauf, auch für die weitere Entwicklung. „Es ist leider ganz klar, dass solche Ereignisse mit ungebremstem Klimawandel wahrscheinlich zunehmen werden“, sagt Thonicke. Die Wirkungskette von der globalen Erwärmung zum Risiko regionaler Dürren zu zerstörerischen Waldbränden ist statistisch gut belegt. „Da ist die Forschung wirklich weitergekommen“, sagt Thonicke.

Der Einfluss des Klimawandels auf Wetterextreme wie Hitzewellen, Kälteeinbrüche, extreme Niederschläge, Dürre und Sturm kann bemessen werden. Auf der Website „World Weather Attribution“, die federführend von einer Gruppe am Environmental Change Institute der britischen University of Oxford betrieben wird, werden Ergebnisse solcher Analysen vorgestellt, etwa zur vergangenen Hitzewelle in Sibirien, die ebenfalls von riesigen Waldbränden begleitet wurde, oder den großen Buschbränden in Australien im letzten Nordhalbkugel-Winter.

Statistische Analysen erlauben Aussagen darüber, wie stark die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses durch den Temperaturanstieg zugenommen hat. Im Falle der Buschbrände zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit von für Brände extrem günstigen Wetterbedingungen, vor allem großer Hitze, in der Region gegenüber 1900 um 30 Prozent zugenommen hat. Die sibirische Hitzewelle wäre ohne den anthropogenen Klimawandel „fast unmöglich“ gewesen.

Bei fortschreitender Erwärmung ist auch der Trend klar: Dürren und auch Waldbrände werden regional voraussichtlich noch häufiger auftreten. Doch was passiert, wenn es gelingt, die Erwärmung auf 1,5 oder zwei Grad Celsius zu begrenzen? „Wir sehen schon mit etwa einem Grad globaler Erwärmung eine veränderte Variabilität und eine Zunahme von Klimaextremen“, sagt Thonicke. Es sei eine Forschungsfrage, die schon diskutiert werde, ob sich die Verhältnisse auch auf ihren Zustand vor der anthropogenen Erwärmung zurückführen lassen können. Die Antwort steht noch aus.

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