Rekordtemperaturen bis zu 30 Grad: Warum es in Sibirien inzwischen wärmer ist als in Berlin
Diesel-Lecks, Waldbrände, Motten und Hitze: Sibirien erlebt einen außergewöhnlichen Extrem-Sommer. Klimaforscher sind alarmiert.
Sibirien - schon der Name macht eine Gänsehaut. Doch nicht Eisig-Frostige beschäftigt die Menschen der Region, sondern eine lang anhaltende Hitzewelle. Klimawissenschaftler sind beunruhigt: Die Situation sei alarmierend. Wie der „Guardian“ berichtet, führen Experten die ungewöhnlich hohen Temperaturen von zum Teil über 30 Grad auf Waldbrände, riesige Öl-Lecks und eine Mottenplage zurück, der viele Bäume zum Opfer fielen.
Mit Blick auf das globale Klima, trage die aktuelle sibirische Hitze erheblich dazu bei, das Jahr 2020 zum vermutlich heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen zu machen – und das trotz der wegen der Corona-Pandemie stark verringerter CO-2-Emissionen.
Die Temperaturen in der Polarregion steigen alljährlich im Sommer an, weil die großen Wasserströme der Ozeane Wärme zu den Polen transportieren und Eis und Schnee schmilzen. Dieses Jahr aber sind die Umstände besonders. Russische Ortschaften in der Region haben zuletzt wie Nizhnyaya Pesha am 9. Juni außerordentliche Temperaturen von mehr als 30 Grad verzeichnen – Khatanga, wo die Temperaturen sonst um den Gefrierounkt herum pendeln, waren es 25 Grad am 22. Mai (hier lag der bisherige Temperaturrekord bei 12 Grad).
Im lagen die Temperaturen in Teilen Sibiriens bis zu zehn Grad über dem Durchschnitt, wie der EU-Copernicus-Klimawandeldienst C3S mitteilte. Martin Stendel vom dänischen Institut für Meteorologie sagte, die ungewöhnlichen Mai-Temperaturen in Nordwest-Sibirien träten ohne der von Menschen verursachten Erwärmung des Planeten allenfalls einmal alle 100.00 Jahre auf.
Der finnische Meteorologe Mika Rantanen warnte im Kurznachrichtendienst Twitter vor neuen Hitzrekorden in den nächsten Tagen:
Russlands Präsident Putin hält die Situation für „sehr ernst“
C3S-Expertin Freja Vamborg sagte, zwar erwärme sich die Erde als Ganze, aber mit deutlichen regionalen Unterschieden, und West-Sibirien sei eine Art Hotspot - Temperaturschwankungen seien hier nichts Ungewöhnliches, aber alarmierend sei wie lange die heißer-als-normalerweies-Phase schon andauere in diesem Jahr.
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Bereits im Dezember strich Russlands Präsident Wladimir Putin die Bedeutung des Vorgangs heraus: Einige der russischen Städte lägen nördlich des Polarkreises im Permafrost - wenn es hier zu Tauen beginne, werde das erhebliche Folgen haben. Die Situation sei „sehr ernst“.
Schmelzender Dauerfrostboden war zumindest zum Teil auch verantwortlich für ein Riesen-Diesel-Leck Anfang dieses Monats, das Putin veranlasste, den Notstand auszurufen: Der russische Bergbaukonzern Norilsk Nickel erklärte damals, dass der Dieseltank durch abtauenden Permafrost in seiner Statik beschädigt worden sei, als stützende Pfeiler unerwartet absackten.
Hunderte Hektar sibirischen Waldes fielen in diesem Jahr bereits Bränden zum Opfer, was die Atmosphäre erhitzte. Ein bizarres Phänomen aber kommt noch hinzu: Eine Mottenart, deren Larven die Nadeln der Koniferen fressen und sich angesichts der steigenden Temperaturen rasant vermehren. Ohne Nadeln fallen die Bäume noch leichter Bränden zum Opfer. Er habe noch nie so große und so schnell sich ausbreitende Motten wie diese gesehen, sagte der Mottenforscher Vladimir Soldatov der AFP.