Kontrollen in Alten- und Pflegeheimen: Das können die neuen Corona-Schnelltests
Die neue Teststrategie des Gesundheitsministeriums setzt auch auf rasche Antigentests. Experten warnen aber vor falschen Ergebnissen durch Anwendungsfehler.
Am Donnerstag soll die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigte neue nationale Teststrategie in Kraft treten. Im Zentrum stehen dabei Massentests in Alten- und Pflegeheimen sowie ähnlichen Einrichtungen. Neue Antigen-Schnelltests sollen nach einem Entwurf für die Strategie das Durchtesten von Gesundheitspersonal auf Sars-CoV-2 erleichtern und beschleunigen.
So soll beispielsweise ein Pflegeheim über ein bestimmtes Kontingent an Tests verfügen, das aus Mitteln der Krankenkassen bezahlt werden soll. Allerdings diskutieren auch weitere Bereiche, etwa die Veranstaltungsbranche oder Schulen, wie sie die Schnelltests nutzen können.
Bei Antigen-Schnelltests werden in Abstrichproben charakteristische Viren-Proteine erkannt. Die Methode gilt zwar als weniger zuverlässig als viele der bislang üblichen PCR-Tests auf Viren-Erbgut, ist dafür aber oft schneller und günstiger: Ein Ergebnis ist nach 15 Minuten da, es wird mit 15 bis 17 Euro für Laborkosten plus 15 Euro Arztkosten gerechnet. Erste Antigen-Tests für die Anwendung durch medizinisches Fachpersonal sind in Deutschland bereits auf dem Markt.
Die Virologin Sandra Ciesek vom Institut für medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt und der Epidemiologe Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, sehen die Schnelltests als eine Chance, Labore zu entlasten und das Infektionsgeschehen zu verlangsamen.
Allerdings sollten die Tests vor allem im Bereich von Risikogruppen und Pflege-Einrichtungen genutzt werden. Etwaigen Selbsttests und Tests vor Kinobesuchen oder Reisen erteilen sie eine Absage.
Sind Antigen-Tests ein „Gamechanger“?
Die Ausweitung der Teststrategie auf Schnelltests sei auf jeden Fall sinnvoll, meint die Virologin Sandra Ciesek. Aber der herkömmliche PCR-Test bleibe weiter der „Goldstandard“, gerade für die Diagnose von symptomatischen Patienten. „Die Antigen-Tests sind eher dazu da, Fremdschutz zu betreiben, sie sollten nur dann eingesetzt werden, wenn ein PCR-Test zeitnah nicht möglich ist“, sagt Ciesek.
In Frage kämen beispielsweise Personen ohne Symptome vor einem Besuch in einem Altenheim. So könne das Risiko minimiert werden, dass das Virus in ein Altenheim getragen wird. Bei einem positiven Schnelltest müsse aber immer ein PCR-Test zur Bestätigung erfolgen. Die Sensitivität der Schnelltests ist niedriger als bei der PCR.
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Insofern lässt sich mit den neuen Antigen-Tests vor allem bei hoher Viruslast, also kurz vor Beginn der Symptome und kurz danach, eine Diagnose stellen. Für Personen die schon länger erkrankt sind, ist jedoch kein eindeutiges Ergebnis zu erwarten.
Die Antigen-Schnelltests (AGT) können einen ganz entscheidenden Unterschied im Management des Infektionsschutzes machen, meint Epidemiologe Gérard Krause. Wenn sie richtig eingesetzt würden, könnten damit potenzielle Überträger identifiziert werden. Hier könne sogar von Vorteil sein, dass der Test erst bei einer höheren Viruslast anschlägt – denn diese Personen sind dann auch wirklich ansteckend.
Schnelltests könnten Laborkapazitäten frei machen
„Die Schnelltests sind vielleicht wirklich ein Gamechanger“, sagt Krause. Dann nämlich, wenn mit ihnen die weniger prioritären Tests gemacht werden, bei denen es nicht darauf ankommt einen erkrankten Menschen zu diagnostizieren, sondern die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. „Wenn das auf der Strecke der PCR Entlastung bringt, und die Befunde davon schneller verfügbar sind, dann haben wir in doppelter Weise gewonnen.“
Denn dann müssen die erkrankten Personen nicht mehr lange auf das Ergebnis warten, weil nicht auch noch Sportler, Reiserückkehrer und andere per PCR getestet werden müssen. Bislang sei es nicht gelungen, bei PCR-Tests bestimmte Prioritäten in den Labors zu erreichen. Die Antigen-Tests könnten nun dazu beitragen, die Labore zu entlasten, betonte Krause.
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Sie beanspruchten nicht die für die PCR-Tests wichtigen Laborkapazitäten. „Wenn gute, zuverlässige Schnelltests zur Verfügung stehen, kann das ein ganz neues Werkzeug zur Pandemiebekämpfung werden, wenn es mit Bedacht und priorisiert eingesetzt wird“, sagt Krause.
Das ist zwar theoretisch denkbar, aber solange es begrenzte Kapazitäten gebe, müssten Prioritäten gesetzt werden, meint Sandra Ciesek. Erst einmal müsse sichergestellt sein, dass Schulen offen bleiben können, Pflegeheime sicher sind und Patienten mit Symptomen gut versorgt werden.
Die Schnelltests sollten demnach zunächst gezielt für den Schutz von Risikogruppen eingesetzt werden – und nicht etwa, um Veranstaltungen zu ermöglichen. „Wir müssen mit dem Werkzeug, was wir zur Verfügung haben, prioritär vorgehen“, sagt Gérard Krause. Möglichst viele Tests für alle Bürger hält auch Sandra Ciesek nicht für sinnvoll: „Bei knappen Tests müssen Prioritäten gesetzt werden“.
Ein Problem liegt bei den falsch negativen Tests. Diese kommen laut Krause vor allem durch Fehler bei der Probenentnahme zustande. „Das muss bei der Strategie bedacht werden.“ Die Probenentnahme trage bei einem infizierten Menschen mit dazu bei, ob der Test positiv ausfällt oder nicht. Man müsste an den kritischen Stellen dafür sorgen, dass geschultes Personal die Proben entnimmt. Selbsttests durch Laien halten die Experten nicht für sinnvoll, dafür sei medizinisches Personal nötig.
Welche Schwierigkeiten sind bei den Schnelltests zu erwarten?
„Für Selbsttests sind die Antigen-Tests nicht perfekt genug“, sagt Ciesek. „Das würde zu so viel falschen Ergebnissen führen, dass Unsicherheit und Chaos die Folge sind.“ Zudem könnten Probanden durch mangelhafte Pobenentnahme auch bewusst ein negatives Ergebnis herbeiführen, wenn das in ihrem Interesse liegt. „Das muss verhindert werden“, sagt Krause.
Ein weiteres Problem ist die Meldepflicht von positiven Befunden. Wenn Laien testen würden, wer wäre dann die gesetzliche meldepflichtige Untersuchungsstelle? „Das muss im Prozess mit geregelt werden“, so Krause. Dass der Entwurf für die neue Teststrategie keine Heimtests vorsieht, bezeichnet er als vernünftig. Auch bei Schnelltests müsste weiterhin medizinisches Personal die Abstriche vornehmen. Falsch negative Tests könnten etwa im Bereich der Altenpflege zur Katastrophe führen, gibt Krause zu bedenken.
Mit ein bis zwei Prozent falsch positiven Tests muss nach ersten Erfahrungen gerechnet werden. Daher sei ein herkömmlicher PCR-Test zur Bestätigung wichtig. Nötig sind nach Cieseks Vorstellungen auch Schulungen durch ärztliches Personal für Pflegeeinrichtungen, etwa durch Hausärzte, die sich dann um eine Bestätigungs-PCR kümmern. ´
Auch müsse klar kommuniziert werden, dass mit einigen falsch positiven Ergebnissen zu rechnen ist. Gerard Krause sieht vor dem Hintergrund auch höhere Kosten: nicht nur der Test selbst, sondern der ganze Prozess drumherum müsse betrachtet werden: „Das kostet auch Zeit, Geld und geschultes Personal, das muss bei den neuen Tests mitgedacht werden.“
Letztlich ist aber ein falsch positiver Test nicht so problematisch: Denn damit falle womöglich nur ein Besuch im Altenheim ohne Grund aus, aber niemand komme dadurch zu Schaden. „Umgekehrt aber besteht bei falsch negativen Tests ein großes Risiko der Infektion.“
Daher sei auch nach einem negativen Schnelltest in der Altenpflege immer auch weiter auf das Tragen von richtig angelegten FFP2-Masken zu achten. Ein negativer Schnelltest dürfe kein Freibrief sein, auf die AHA-Maßnahmen zu verzichten. „Wir dürfen nicht nachlässig werden“, sagt Ciesek. „Das sieht man ja an Herrn Trump und seinem Garten-Event. Die haben sich ja testen lassen mit einem Antigen-Schnelltest und haben sich dann nicht mehr an AHA-Regeln gehalten.“
So zuverlässig sind die schnellen Antigen-Tests
Die zweite Generation der Tests, die jetzt auf dem Markt ist, sei deutlich besser geworden, sagt Ciesek. Der neue Schnelltest der Pharmafirma Roche etwa, der nach etwa 15 Minuten ein Ergebnis präsentiert, habe bei Untersuchungen in Ländern mit hoher Inzidenz wie Brasilien und Indien eine Sensitivität von 96,25 (Erkennung Erkrankter) und Spezifität von 99,68 Prozent (Erkennung Gesunder) gezeigt. „Aber perfekt sind die Antigentests nicht“, betont Ciesek.
Daher könne ein PCR-Test durch sie nicht ersetzt werden, gerade in Kliniken nicht. Dennoch würden durch beschränkte Ressourcen auch die Schnelltests immer wichtiger, da durch sie PCR-Tests für erkrankte Personen frei würden.
Wenn es sonst keine weiteren Tests gäbe, hält das Gérard Krause für möglich. Doch er gibt zu bedenken, dass in der Vergangenheit nicht nur Kontaktpersonen getestet wurden, sondern auch Besucher von Veranstaltungen, Reiserückkehrer und Sportler. „Leider wird auch die Definition des Robert-Koch-Instituts für den Begriff Kontaktperson aufgeweicht“, sagt Krause. „Um die Sicherheit vermeintlich zu erhöhen, wird die Zahl der Kontaktpersonen beliebig groß, dadurch wächst die Zahl von unnötigen Tests.“
„Es ist besser als gar nicht zu testen“, sagt Ciesek. Das werde in jedem Fall eine Erleichterung bringen, gerade in Risikogruppen. Ob es aber wirklich reicht, müsse die Praxis zeigen. Bei 50 Tests pro Bewohner einer Pflegeeinrichtung, komme es auch auf die Häufigkeit der Besuche an.
Sind Schnelltests auch eine Option für die Schulen?
Schulen haben nach Ansicht von Gérard Krause keine Priorität. Neun Millionen Antigen-Tests seien bei sinnvollem Einsatz schnell verbraucht. Krause gibt in dem Zusammenhang auch zu bedenken, dass die Sterblichkeit bei Covid-19 in erster Linie vom Alter abhängig sei.
Die junge Generation sei auch nicht stärker als die Anderen an Verbreitung der Pandemie beteiligt. Auch wenn zuweilen junge Menschen schwer erkranken können, müssten die Mittel dort eingesetzt werden, wo zu erwarten ist, dass hauptsächlich Menschen nach Infektionen schwer erkranken.
„Das sind Altenheime und betagte Personen in mobiler Pflege. Das muss erst einmal sichergestellt sein. Dann kann man über Schulen diskutieren, dann erst kommen Sport- und Kulturveranstaltungen“, so Krause. Sandra Ciesek sieht bei der Quarantäne von Schülern eine Möglichkeit durch die neuen Tests. 14 Tage sei gerade für Schüler eine sehr lange Zeit. Denkbar wäre auch eine kürzere Quarantäne von fünf bis sieben Tagen und dann ein Antigen-Test. „Dadurch könnte eine Woche gewonnen werden“.
Sie sind vergleichbar sensitiv wie herkömmliche PCR-Tests. Sie könnten in der Notaufnahme von Krankenhäusern sehr weiterhelfen, wenn schnell geklärt werden muss, ob Patient positiv sind, so Ciesek. Das Problem sei aber, dass sie gegenwärtig nicht verfügbar sind, da die Hersteller den Bedarf nicht decken könnten.
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