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Schnell ein Coronatest? In Berlin nicht so einfach.
© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Nach Kontakt mit Corona-Infiziertem: Wenn der Weg zum Test in Berlin zur Odyssee wird

Wer sich in Berlin testen lassen will, muss Geduld mitbringen. Denn das System hat Lücken. Ein Erfahrungsbericht.

Je höher die Gefühle fliegen, desto tiefer kann die Stimmung sinken. Die Eröffnung des akademischen Jahres an der traditionsreichen Universität Breslau am 1. Oktober öffnet die Herzen: Rektor und Dekane ziehen in farbenfrohen Talaren mit Insignien ihrer Macht in den Saal, gefolgt von Studenten und Vertretern der Stadt Breslau mit Fahnen.

Nur die Gesichtsmasken, die alle tragen, und die weiten Abstände zwischen den Sitzen im Publikum, die den Saal halb leer erscheinen lassen, mindern das feierliche Ambiente in diesem Jahr. Ebenso die Spender mit Desinfektionsmittel auf den Fluren. Sie werden ausgiebig genutzt.

Der Universitätschor singt „Gaudeamus igitur“ – per Video zugeschaltet aus einem Barockraum, wo Sängerinnen und Sänger sich in sicherem Abstand bewegen.

Die Verleihung des „Hedwig von Schlesien“-Preises gibt der Inauguration eine zusätzliche festliche Note. Damit ehren die Stadt und die Universität jedes Jahr eine polnische und eine deutsche Persönlichkeit, die sich um die Verständigung verdient gemacht hat. 2020 geht die Auszeichnung an den langjährigen Bürgermeister Rafal Dutkiewicz, unter dem Breslau sich zu einer europäischen Metropole entwickelte, und an mich, den Korrespondenten des Tagesspiegel.

Hedwig stammte aus dem bayerischen Adelsgeschlecht Andechs, wurde 1286 mit dem schlesischen Piasten Heinrich I. verheiratet und gilt als Schutzpatronin der guten Nachbarschaft. Die katholische Kirche ehrt sie als Heilige. Das Kloster Trebnitz 25 Kilometer weiter nördlich, das sie stiftete und wo sie starb, ist ein Wallfahrtsort.

52 Stunden nach der Feier der Schock

52 Stunden nach der Feier folgt ein kleiner Schock. Am Samstag Abend meldet das Fernsehen, Oberbürgermeister Jacek Sutryk sei positiv auf Corona getestet worden. Der Mann, der mir die Statue der Heiligen Hedwig samt Urkunde überreicht hat. Und der mir mit Handschlag gratuliert hat.

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Das Sekretariat des Rektors gibt auf Rückfrage zu den Verhaltensregeln, die nun gelten, Entwarnung - untermalt mit Fotos Das Ansteckungsrisiko sei minimal. Alle Anwesenden trugen Maske. Nur der jeweilige Redner habe sie für seine Ansprache abgelegt. Pult und Mikrofon wurden zwischen den Rednern desinfiziert.

Sonntag Rückfahrt nach Berlin im Auto, ohne Kontakt zu Dritten. Dafür mit zwei Fragen: Welche Termine habe ich in den nächsten Tagen, was muss ich alles absagen? Und: Wo kann ich mich gleich Montag früh testen lassen?

Charité, Hauptbahnhof, Bereitschaftsdienst?

Die Internetseite des Senats verweist auf mehrere Stellen, freilich zumeist mit Einschränkungen: nur für Rückkehrer aus Risikogebieten; Polen gehört nicht dazu. Nur für Einwohner von Mitte oder von Neukölln. Am vielversprechendsten sieht die Corona-Sprechstunde der Charité aus. Hier ist Terminabsprache die Bedingung – der nächste Termin wird aber erst für Donnerstag vergeben.

Also versuche ich es um 7 Uhr früh am Hauptbahnhof. Keine Warteschlangen, doch ich werde nach Klärung, woher ich komme, abgewiesen. Polen sei kein Risikogebiet. Was kann ich tun? Mich an den Hausarzt wenden, rät man mir. Oder den Ärztlichen Bereitschaftsdienst. Die wüssten, welche Praxen in meinem Bezirk Coronatests machen.

Infizierter und Besorgter: Vorne links Breslaus Oberbürgermeister Jacek Sutryk, rechts daneben Tagesspiegel-Korrespondent Christoph von Marschall, gefolgt von Maria Dorylawa vom Schlesischen Salon, Rektor Przemyslaw Wiszewski und dem polnischen Preisträger Rafal Dutkiewicz. Zwei Tage nach ihrer Begegnung bei der Preisverleihung wurde bekannt, dass Sutryk positiv auf Corona getestet wurde.
Infizierter und Besorgter: Vorne links Breslaus Oberbürgermeister Jacek Sutryk, rechts daneben Tagesspiegel-Korrespondent Christoph von Marschall, gefolgt von Maria Dorylawa vom Schlesischen Salon, Rektor Przemyslaw Wiszewski und dem polnischen Preisträger Rafal Dutkiewicz. Zwei Tage nach ihrer Begegnung bei der Preisverleihung wurde bekannt, dass Sutryk positiv auf Corona getestet wurde.
© Universität Breslau / privat

Gute 20 Minuten hänge ich beim Bereitschaftsdienst in der Warteschleife. Dann klärt mich eine freundliche Männerstimme auf, eigentlich sei ich hier falsch. Aber wenn ich schon mal dran sei: Die Hausärzte seien die erste Anlaufstelle; viele machten aber keine Coronatests, teils aus Sorge, den Praxisbetrieb bei Ansteckung des Personals schließen zu müssen, teils weil die Leistung so schlecht bezahlt werde. Dann bleiben nur die „Covid-19-Praxen“ im Bezirk, die wollten aber eine Bestätigung, dass der Hausarzt den Test nicht mache.

[Wer kann sich wo testen lassen - und wer nicht? Lesen Sie hier die wichtigsten Fragen und Antworten.]

Inzwischen ist es 8 Uhr – und meine Hausärztin hat auf meine Email, was ich tun solle, geantwortet: mittags zu ihr zum Test kommen, wenn der größte Andrang ihrer regulären Patienten abflaut. Bis Dienstag Nachmittag soll ich das Ergebnis erhalten. Soforttests stünden den Praxen in Berlin nicht zur Verfügung.

Nach meiner kleinen Odyssee auf der Suche nach Gewissheit bleiben Fragen: Ist der Hausarzt die richtige erste Anlaufstelle? Die meisten Praxen sind nur fünf Tage die Woche geöffnet. Reicht das, wenn eine neue Welle kommt? Und ist die Regel, dass jeder nur in seinem Bezirk testen darf, effektiv? Womöglich braucht das Land eine zentrale Anlaufstelle, die sofort testet, ohne tagelanges Warten auf einen Termin.

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