Regulierung von Genome Editing: Bioökonomierat: Gentechnik-Gesetze der EU müssen geändert werden
Die alten Gentechnik-Gesetze der EU müssen an die neuen Methoden angepasst werden. Das fordert ein Gremium, das die Bunderegierung in Bioökonomiefragen berät.
Seit dem 25. Juli 2018 gelten auch solche Pflanzen, Tiere, Pilze oder Mikroben als "gentechnisch verändert", die mit neuen erbgutverändernden Methoden wie der Genschere CRISPR/Cas9 (kurz Crispr) verändert wurden. So hat der Europäische Gerichtshof die europäische Gentechnik-Richtlinie 2001/18/EG in seinem Urteil interpretiert. Der Bioökonomierat der Bundesregierung appelliert nun "an die deutsche, aber auch die europäische Politik", das Gesetz zu ändern. "Man macht einen großen Fehler, wenn man ein Pauschalurteil über die neuen Technologien fällt", sagte Christine Lang, Ko-Vorsitzende des Bioökonomierats und Gründerin der Berliner Biotech-Firma Organobalance, dem Tagesspiegel.
Deutschland droht, eine "biologische Revolution" zu verpassen
Der Rat, 2009 gegründet und mit derzeit 17 Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft bestehend, drängt auf eine Modernisierung des Gentechnikrechts, andernfalls bleibe Deutschland bei dieser 'biologischen Revolution' außen vor und werde auch die notwendige internationale Regulierung nicht mitgestalten. Genome-Editing-Technologien entwickelten sich rasant, hingegen sei es besonders "zeitaufwendig", neue, mit Crispr und ähnlichen Technologien hergestellte Produkte über das EU-Gentechnikrecht zu regulieren.
"Weltweit werden bereits heute neue Medikamente, klima-angepasste und widerstandsfähige Nutzpflanzen, gesundheitsfördernde Lebensmittel und umweltfreundliche Produktionsverfahren mit Hilfe von CRISPR und Co. entwickelt", sagte Lang. Zwar gebe es durchaus Anwendungen der neuen Techniken, die mit alten Gentechnikverfahren vergleichbar sind und entsprechend gründlich und aufwändig getestet werden müssen. Viele Produkte, etwa Pflanzen mit auch in der Natur vorkommenden Genveränderungen, seien aber von klassisch produzierten nicht zu unterscheiden. "Wir brauchen unterschiedliche Sicherheits- und Risikostufen, an die jeweilige Veränderung angemessen angepasste Regulierungs- und Zulassungsverfahren", sagte Lang dem Tagesspiegel.
Anderswo wird "völlig anders" gehandelt
Eine schnelle Reaktion der Politik sei nötig, "weil international bereits völlig anders gehandelt wird", sagte Lang. Das bedeute auch, dass man in Europa rasch Probleme damit bekommen werde, etwa importierte Pflanzen korrekt zu kennzeichnen, da sich manche genomeditierten Sorten von natürlichen nicht oder nur schwer unterscheiden lassen. "Wir können uns nach diesem Urteil nicht zurücklehnen und einfach alles nach alten Getnechnikgesetzen regulieren, weil dann viele Entwicklungen, die sehr positiv sein können aus bioökonomischer Sicht, von Forschern und Firmen nicht weiterverfolgt werden."
Man habe bereits in der Vergangenheit wichtige Teile der Pflanzenforschung in Deutschland und Europa verloren, weil es keine Firmen mehr gebe, die Absolventen bei sich hätten einstellen können. "Die mit modernen molekularbiologischen Techniken arbeitende Pflanzenforschung ist ins Ausland abgewandert", sagte Lang. "Wenn man das weiterdenkt, dann kann die jetzige Situation dazu führen, dass die Pflanzenzucht, vor allem die Züchtungsforschung in Europa, gefährdet ist."
Abgestufte Risikoklassen
Lang betonte, dass es nicht um eine kompletten Freigabe oder Deregulierung der neuen Technologien gehe. Der Rat habe durchaus auf "Risiken einer zu rasanten oder unkontrollierten Ausbreitung" hingewiesen. Aber in seiner jetzigen Form können das EU-Gentechnikrecht den Chancen und Herausforderungen der Technologien nicht gerecht werden. "Wir benötigen eine an den Fortschritt angepasste Novellierung", sagte Lang. Eine Novelle der Gentechnik-Regulierung in Europa müsse zwischen Mutationen und Gentransfers unterscheiden und sich am jeweiligen Risiko eines Produkts orientieren, also ein abgestuftes Genehmigungs- und Zulassungsverfahren für unterschiedliche Risikoklassen.
Die Chancen, dass der Vorstoß des Rats Gehör findet, seien gut, meinte Lang. "Zumindest das deutsche Gentechnikrecht hat im Anhang eine Öffnungsklausel, in der steht, dass es anzupassen sei an technologische Veränderungen oder Verbesserungen." Zuallererst wolle man aber eine Diskussion anstoßen über die Anwendungsmöglichkeiten von Genome-Editing-Technologien und wie sie sinnvoll zu regulieren sind.