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Schicksal Biologie. Der Konstanzer Evolutionsbiologe Axel Meyer glaubt, dass Frauen von Natur aus schlechter in Mathe sind. Die Mathematikerin Johanna Wanka glaubt an soziale Ursachen.
© dpa/p-a

Genderforschung: Biologische Tatsachen oder feministische Ideologie?

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) diskutiert mit dem Evolutionsbiologen Axel Meyer über Geschlechterforschung und treibt ihn in die Enge

Männer und Frauen sind unterschiedlich. Diese biologische Tatsache hat man zur Kenntnis zu nehmen, statt staatlich verordnete Gleichmacherei à la Girls Day zu betreiben. Eine Politik, die Mädchen bevorzugt, ist ideologisch gefärbt vom Feminismus. Und der hat eine „zersetzende Wirkung“ auf die Gesellschaft. - So stringent denkt der Konstanzer Evolutionsbiologe Axel Meyer. Oder doch nicht? Denn plötzlich rutscht ihm dieser Satz über die Lippen: „Ich würde mich einen Feministen nennen.“ Der Saal raunt. Johanna Wanka grinst. Spätestens jetzt hat sich ihr Gesprächspartner in seinen Argumenten verheddert. Dabei sollte die Veranstaltung am Mittwochabend eigentlich klärenden Charakter haben.

Anlass des Treffens im Bundesforschungsministerium war Meyers viel diskutiertes Buch „Adams Apfel und Evas Erbe“. Darin schreibt er über den Einfluss der Gene auf Männer und Frauen und wendet sich in polemischem Ton gegen Geschlechterpolitik. Geschlechterpolitik, wie auch Bundesforschungsministerin Johanna Wanka sie offensiv betreibt – etwa mit dem Professorinnenprogramm, das mit 300 Millionen Euro die Berufungen von Spitzenwissenschaftlerinnen fördert. Weil Meyers Buch große mediale Aufmerksamkeit erregte und weil er ein mit Preisen hochdekorierter Wissenschaftler ist, entschied Wanka sich zu einer konfrontativen Begegnung.

Frauen fehlt es an Aggressivität, meint Meyer

Meyer hält es für „unstrittige“ Tatsachen, dass Frauen schlechter in der räumlichen Orientierung seien, es ihnen an Aggressivität und Durchsetzungsvermögen fehle, wiederholt er seine scharfen Thesen aus dem Buch.

Doch im Angesicht der Ministerin scheint ihm nicht mehr ganz wohl damit zu sein, er rudert zurück. Klar, Geschlechter seien von „vielen Faktoren“ beeinflusst, auch kulturellen. D’accord, dass es in der Medizin noch erheblichen Forschungsbedarf zur Auswirkung von Medikamenten auf Frauen gebe. Nein nein, er habe nichts dagegen, dass Mädchen „auch Chancen bekommen“! Außerdem habe er eine Doktormutter gehabt und sei deswegen im Grunde, wie gesagt: Feminist. Wanka indessen, die im hochschulpolitischen Terrain eher diplomatisch formuliert, wird deutlich: „Ihren Zungenschlag finde ich ziemlich heftig. Ihr Buch ermuntert nicht, sondern sagt, Frauen können weniger. Das ärgert mich.“ Und was eigentlich passiert sei, dass er einen derartigen „Frust auf die Gender-Forschung“ habe? Applaus. Im Publikum sitzen mehr, die so denken wie Wanka.

Meyer argumentiert monokausal, meint Wanka

Die Ministerin, die selbst Mathematikerin ist, operiert lässig mit dem Einmaleins der Geschlechterforschung: Kontextualisierung und Historisierung. Beispiel Mathematik: Hier gibt es nur zehn Prozent Professorinnen in Deutschland. Für Meyer ist das ein Beleg, dass Frauen auf diesem Gebiet schlechter sind – und folglich Förderprogramme, die das Interesse von Mädchen wecken sollen, Steuergelder verschwenden. Falsch geschlussfolgert, sagt Wanka: In Frankreich gebe es 30, in Brasilien sogar 50 Prozent Mathematikprofessorinnen. „Sie argumentieren zu monokausal. Wir müssen gucken: Durch welche kulturellen und ökonomischen Faktoren kommen solche Zahlen zustande?“ Außerdem habe das Fach in Antike und Mittelalter noch als philosophische Disziplin gegolten. Ferner verkenne Meyer, dass auch die vermeintlich objektiven Naturwissenschaften, ihre Methoden und ihr Selbstverständnis, historisch wandelbar seien.

"Naturwissenschaftlicher Chauvinist"

Überhaupt entpuppt sich als eigentlicher Schauplatz des Konfliktes ein divergierendes Wissenschaftsverständnis. Hier ist Meyer sich wieder ganz sicher: „Naturwissenschaftler haben einen besseren Zugang zur Wahrheit“, sagt er und schlägt vor, alle Geisteswissenschaftler sollten im Studium Pflichtkurse in Biologie belegen. Wanka kontert: „Sie haben eine naturwissenschaftliche Gläubigkeit!“ Auch Biologie oder Physik seien abhängig von Gerätschaften, die „in zehn Jahren ganz neue Erkenntnisse und Fragen aufwerfen.“ Und sehe das Humboldtsche Ideal nicht auch eine Vielfalt der Fächerkulturen vor? „Ich wünsche mir hier mehr Respekt“, sagt Wanka.

Meyer erklärt sich kokett zu einem „naturwissenschaftlichen Chauvinisten“ und bleibt störrisch: „Wir Naturwissenschaftler bringen dieses Land voran, die Geisteswissenschaften nicht.“ Na gut, sagt Wanka und kesselt ihn sodann von der anderen Seite ein, indem sie ebenfalls volkswirtschaftlich argumentiert: „Wenn wir die viertstärkste Industrienation bleiben wollen, brauchen wir die Frauen als Arbeitskräfte. Und es ist die verdammte Aufgabe der Politik, ihnen hier Chancengerechtigkeit zu verschaffen.“

"Zukunft ohne Geisteswissenschaften - undenkbar"

Bis zum Schluss bleibt Wankas Frage, worüber Meyer sich denn nun eigentlich ärgert, unbeantwortet: über die These der Gender-Forscherinnen, dass Geschlechtsidentitäten kulturell geprägt seien? Darüber, die Texte der einflussreichen Philosophin Judith Butler, die ihm „zu schwer und verwirrend“ sind, nicht entkräften zu können? Über seine Doktorandinnen, die ihm nicht ehrgeizig genug sind? Oder über ein Ministerium, das Geld für Gleichstellungspolitik ausgibt? Für Wanka ist jedenfalls alles klar: „Unsere Zukunft ist ohne Geisteswissenschaften nicht denkbar. Und Gleichstellungspolitik ist eine politische Agenda der Bundesregierung.“

„Ich wollte mit meinem Buch nur den Punkt machen, mich all diesen Fragen zu nähern. Ich wollte eine Hand reichen“, sagt Meyer abschließend.

Aber hätte es für eine echte Handreichung nicht genügt, sich einfach mal in eine Einführungsvorlesung der Geschlechterforschung zu setzen?

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