Islamische Theologie: Berliner Unis fürchten Streit mit Islam-Verbänden
Berlin soll ein Institut für Islamische Theologie bekommen, aber die Unis sind zurückhaltend. Sie fürchten den Einfluss der Islam-Verbände.
In der Frage, welche Berliner Universität künftig Imame, islamische Religionslehrer und Sozialpädagogen ausbilden wird, ist keine Klärung in Sicht. Nachdem sich die Wissenschaftsverwaltung wie berichtet Anfang März mit Islam-Verbänden und Hochschulen auf ein Eckpunkte-Papier zur Gründung eines Instituts für Islamische Theologie bis zum Herbst 2018 geeinigt hatte, drängt der Senat zur Entscheidung noch in dieser Legislaturperiode.
Weder FU noch HU wollen alleine "den Hut aufhaben"
„Eine der Hochschulen muss den Hut aufhaben“, forderte Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach am Mittwoch bei einer Anhörung im Wissenschaftsausschuss. Doch keine der beiden infrage kommenden Unis will bislang die institutionelle Verantwortung übernehmen. Sah es zuletzt so aus, als habe die Humboldt-Universität mit ihrer großen Evangelischen Theologie eine Präferenz vor der Freien Universität mit ihrer starken, aber nicht konfessionellen Islamwissenschaft, ist jetzt wieder alles offen.
FU-Präsident Alt befürchtet Verhältnisse wie in Münster
Die Unis teilen zwar die Auffassung des Senats, dass 250 000 Muslime in der Stadt die Schaffung eines Theologie-Instituts notwendig machen, sagte FU-Präsident Peter-André Alt. Wünschenswert sei dies auch als „Beitrag zur wissenschaftlichen fundierten Qualifizierung von islamischen Religionslehrern“. Angesichts der „Herausforderungen“ durch die gebotene Zusammenarbeit mit den Islam-Verbänden müssten die Universitäten aber „sehr achtsam sein“, betonte Alt. Man befürchte Verhältnisse wie in Münster.
Am dortigen Islam-Zentrum – einem von bundesweit vier, deren Aufbau der Bund seit 2011/12 finanziell fördert – gab es massive Konflikte zwischen den Verbänden, der Universität und der Leitung des Studiengangs. So soll sich Münster erst jetzt, in wenigen Tagen, ein Beirat konstituieren. In den Islam-Zentren übernimmt er die Rolle der Kirchen in evangelischen und katholischen Studiengängen, wacht über Entscheidungen, die Bekenntnisfragen betreffen, und hat ein Vetorecht bei der Berufung der Professoren.
In Münster blockierte der Streit um den Beirat vieles
In Münster lehnte der Verfassungsschutz einen Islamvertreter ab, ein weiterer fiel durch, ein von der Uni benannter Vertreter zog sich entnervt zurück. Zudem reiben sich die Verbände an Studiengangsleiter Mouhanad Khorchide, kritisieren dessen Buch über die „Barmherzigkeit des Islam“ fachlich und theologisch. Und ohne Beirat konnte bislang auch keine weitere Professur besetzt werden.
Berliner Unis wollen Einfluss der Islam-Verbände begrenzen
Das Vetorecht etwa in Berufungsfragen müsse in Berlin „streng definiert“ werden, „damit es im Alltag nicht zu Konflikten kommt“, sagte jetzt FU-Präsident Alt. Ebenso müsse die wissenschaftliche Verantwortung für die Lehrpläne klar bei den Unis liegen. An den anderen Standorten in Tübingen, Frankfurt und Erlangen-Nürnberg laufe die Zusammenarbeit gut, gab Alt zu. Aber in Berlin seien die Islam-Verbände nun einmal ähnlich „heterogen“ aufgestellt wie in Münster.
Die ASH warnt vor "Sozialarbeitern light"
Aus der HU berichtete Vizepräsident Michael Kämper-van den Boogaart von „laizistischen Tendenzen“, nach denen eine Islamische Theologie nicht erwünscht sei. Dies werde aber von der Hochschulleitung nicht so gesehen. Auch Kämper-van den Boogaart plädierte für eine „Balance“ zwischen Hochschulautonomie und Einfluss der Verbände. Uwe Bettig, Rektor der Alice-Salomon-Hochschule, die islamisch fundierte Sozialarbeiter und Kräfte für die kultursensible Pflege ausbilden soll, hat ebenfalls Bedenken. Es wäre nicht akzeptabel „Sozialarbeiter light“ auszubilden, die hauptsächlich am Uni-Zentrum und nur nebenbei an der ASH studieren würden.
Die Unis wollen Konflikte lieber gemeinsam schultern
Wollen die Unis womöglich gar kein Islam-Zentrum mehr gründen? Alt und Kämper-van den Boogart wiesen diesen Eindruck am Rande der Anhörung zurück. Man wolle die vorhersehbaren Konflikte vielmehr gemeinsam schultern – in einer geteilten Trägerschaft von FU und HU. Dies lehne der Senat aber ab. Vor der institutionellen Lösung müsse jedenfalls das „Beiratsproblem“ gelöst werden, sagte Alt.
Verbandsvertreter sieht ungerechtfertigte "Vorbehalte"
Der Vertreter des Islamrats, Burhan Kesici, reagierte auf Anfrage überrascht: „Die Bedenken können nicht aus den Vorgesprächen resultieren, sondern aus Vorbehalten.“ Die Muslime forderten lediglich die gleichen Mitspracherechte wie andere Religionsgemeinschaften. Die Freiheit der Wissenschaft werde nicht infrage gestellt.
Lesen Sie dazu hier auch einen aktuellen Kommentar von Claudia Keller.