Islamische Theologie in Berlin: Imame an der Humboldt-Universität - vielleicht schon 2017
Nachdem die islamische Theologie sich bereits an anderen deutschen Universitäten etabliert hat, soll sie nun auch an der Berliner Humboldt-Universität verankert werden. Dort ist man nicht nur begeistert.
Seit einem dreiviertel Jahr arbeiten Muslime, Senat und Hochschulen daran, islamische Theologie in der Berliner Hochschullandschaft zu verankern. Nun nehmen die Pläne Form an. Wie aus Senats- und Universitätskreisen zu erfahren ist, soll das neue Zentrum schwerpunktmäßig an der Humboldt-Universität angesiedelt werden – mit ergänzenden Ausbildungsmodulen an der Freien Universität und an der Alice-Salomon-Fachhochschule. Ende Februar will eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus sechs Islamverbänden, Wissenschaftssenat und Hochschulen ein entsprechendes Eckpunktepapier verabschieden.
Für die Wahl der Humboldt-Universität als zentralen Standort des neuen Instituts spricht die Tatsache, dass es dort bereits die Fakultät für evangelische Theologie mit elf Professuren gibt – und damit ein geeignetes Umfeld für die islamischen Theologen. Auch an der Freien Universität erforschen Wissenschaftler vom Zentrum Moderner Orient und dem Institut für Islamwissenschaften Kultur und Religion des Islam und islamisch geprägter Länder. Aber die Forschung ist hier nicht bekenntnisgebunden wie in der Theologie. Viele fromme muslimische Studierende hätten mit dem Studium der Islamwissenschaften nur deshalb begonnen, weil es bisher noch keine Theologie gibt, sagte Institutsleiterin Gudrun Krämer vergangenes Jahr. Gut möglich, dass auch die Sorge, sich die Konkurrenz unters eigene Dach zu holen, dazu beigetragen hat, dass man die islamischen Theologen lieber an der Humboldt-Universität ansiedeln will.
Gefragt sind theologisch fundierte Sozialarbeiter
Um nicht an der Realität vorbeizuplanen, hat die Arbeitsgruppe aus Muslimen, Senats- und Hochschulvertretern zunächst analysiert, welche Art von Theologen die Berliner Moscheegemeinden und Verbände überhaupt brauchen. Gefragt sind demnach vor allem theologisch fundierte Sozialarbeiter und Seelsorger, die sich um Jugendliche und Ältere kümmern, die Gemeindearbeit professionalisieren und einen Wohlfahrtsverband mit aufbauen können sowie als Religionslehrer in Schulen unterwegs sind. „Es besteht großer Bedarf“, sagt die Berliner Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus. Die meisten Verbände hätten auch ihre Bereitschaft signalisiert, mit den Absolventen zusammenarbeiten zu wollen. Den praktischen Teil der Ausbildung will die Alice-Salomon-Fachhochschule übernehmen. Sie hat die Schwerpunkte soziale Arbeit, Gesundheit und Bildung.
Zum Wintersemester 2011/12 wurden an den Universitäten von Tübingen, Münster/Osnabrück, Frankfurt am Main und Erlangen-Nürnberg die ersten Zentren für Islamische Theologie eingerichtet. Mittlerweile sind dort 1800 Studierende eingeschrieben. Die Institute wurden seit ihrer Gründung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 20 Millionen Euro gefördert. Kürzlich würdigte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) den Beitrag der Zentren „zur Wissenschaft und zum Dialog der Religionen“ und stellte die Fortführung der finanziellen Unterstützung in Aussicht. Dass weitere Zentren in die Bundesförderung aufgenommen werden könnten, schloss Wanka allerdings aus. Eine Erweiterung sei seitens des Bundes nicht geplant.
Die Zusammenarbeit von Hochschulen und Islamverbänden ist konfliktreich
„Ich gehe davon aus, dass da noch nicht das letzte Wort gesprochen ist“, sagte der Berliner Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach. „Der Bedarf steigt, das muss auch das BMBF anerkennen.“ An der Finanzierung werde das Berliner Institut aber nicht scheitern, sagte Krach. Berlin brauche ein solches Institut und müsse es notfalls selbst finanzieren.
Die Berliner haben sich von den bestehenden Islamzentren beraten lassen und hoffen, einige Schwierigkeiten der anderen vermeiden zu können. Vor allem die Zusammenarbeit der Hochschulen mit den Islamverbänden ist eine hochsensible und bisweilen sehr konfliktreiche Angelegenheit. Die grundgesetzlich festgeschriebene Trennung von Staat und Religion verbietet es den staatlichen Hochschulen, die Inhalte des bekenntnisgebundenen Theologiestudiums zu bestimmen oder die Professoren im Alleingang zu berufen. Bei den christlichen Theologien arbeiten die Universitäten deshalb mit den Kirchen zusammen. Im Islam gibt es keine Kirchen. Hier bieten sich Islamverbände, Moscheegemeinden und muslimische Einzelpersonen als Ansprechpartner an. Doch ein Patentrezept für die Besetzung von Beiräten mit Islamvertretern gibt es nicht. Jedes der bestehenden Islamzentren hat seine eigene konfessionelle Mischung aus Sunniten, Schiiten und Aleviten gefunden und aus Verbandsvertretern und Einzelpersonen.
In Berlin haben Muslime und Senat parallel zu den Planungen für den Studiengang Gespräche über einen Staatsvertrag begonnen. Das gemeinsame Interesse an dem neuen Studienfach und einem Staatsvertrag habe die muslimischen Gruppierungen in der Stadt zusammenwachsen lassen, heißt es aus muslimischen Kreisen. Das könnte die Bildung eines Hochschulbeirats erleichtern.
Die Politik auf eine Reform des Islam
Die Beiräte achten darauf, dass die Forscher das Fundament der Tradition nicht verlassen. Die Hochschulen wachen darüber, dass die Forschungsfreiheit gewahrt bleibt. Die Politik wünscht sich, dass die neuen Theologen den Islam reformieren – und die mehrheitlich konservativen Verbände und Moscheen am besten gleich mit. Das ist oft ein schwieriger Balanceakt. In Münster hat es schon mehrfach gewaltig geknirscht zwischen den konservativen Verbänden und der Uni.
In der Humboldt-Universität sind nicht alle begeistert von der Idee, die islamische Theologie dazu zu bekommen – auch weil man solche Auseinandersetzungen mit Vertretern des Islams fürchtet. Auch scheut man die Gefahr, als Hochschule auf den Kosten sitzenzubleiben, sollte sich der Bund tatsächlich weigern, das neue Fach in Berlin zu fördern. Ankündigungen seitens des Senats, die Kosten zu übernehmen, steht man skeptisch gegenüber. „Das soll aber nicht heißen, dass wir uns nicht freuen auf die Muslime“, sagt einer, der Erfahrung hat mit inneruniversitären Abläufen.
Nach den Plänen des Senats soll das neue Zentrum mit drei bis vier Professuren für die unterschiedlichen Ausbildungsprofile beginnen, womöglich bereits zum Wintersemester 2017/18.